Auch in unserem südlichen Nachbarland schrieben die Versicherer je nach Lage des Falles ihrem Kunden falsche oder unvollständige Widerrufserklärungen ins Kleingedruckte. Der staatlich finanzierte Verein für Konsumenteninformation (VKI), so heißt der Verbraucherschutz in Österreich, hat nach eigenen Angaben geprüft, ob Kunden bei Lebensversicherungen (LV), die nach 1995 abgeschlossen worden sind, korrekt über ihre Rücktrittsfrist belehrt wurden.

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Aus Sicht des VKI haben die Versicherer beim Kleingedruckten gepatzt. Viele Versicherer hätten ihre Kunden „entweder gar nicht oder falsch“ über ihr Rücktrittsrecht informiert. Dies „bestätigte vor kurzem eine stichprobenartige Erhebung“, bekräftigt der österreichische VKI in einer Mitteilung von diesem Donnerstag. Rechtlich ähnelt die Situation in Österreich der Lage der deutschen Versicherungs-Sparer.

Klageobjekt Fondspolicen

Nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs in Wien können auch österreichische Kunden bei ihrer LV den „Widerrufsjoker“ ziehen. Dabei bekommen die Kunden ihre gesamten gezahlten Beiträge zurück, abzüglich getragener Risiken, für die der Lebensversicherer entsprechende Beitragsanteile abziehen darf. Die aktuelle Sammelaktion, die noch bis Ende April läuft, ziele in erster Linie auf fondsgebundene Policen, sagt der VKI. Versicherer und Kreditkunden hätten diese häufig als Tilgungsträger für Fremdwährungskredite eingesetzt, erklärt der VKI an diesem Donnerstag.

"Wenn eine fondsgebundene Lebensversicherung stark an Wert verloren hat, können sich die Verluste bei einem Rücktritt massiv reduzieren", sagt Ulrike Wolf aus der VKI-Rechtsabteilung mit Bezug auf den „Widerrufsjoker“, den die Sparer jetzt in Massen nutzen und gegen die Lebensversicherer vor die Schranken vor Gericht ziehen sollen. An Stelle der Verbraucher, und vom Prozessfinanzierer Advofin bezahlt, werden Anwälte zu den Gerichten geschickt, so lautet der Plan des VKI. Mit bis zu 20.000 Fällen Fällen rechnet Advofin, berichtet das in Wien erscheinende „Wirtschaftsblatt“. 2.000 Mandanten habe man bereits, meldet das Blatt unter Berufung auf Advofin-Chef Franz Kallinger.

Verbraucherschutz-Vorbild Österreich

Aus Kundensicht könnte Österreich in Europa als Vorbild für das Funktionieren von Verbraucherschutz dienen. Immer wieder handeln Regierung, Verbraucherschutz und Prozessfinanzierer im Konzert und organisieren Kampagnen, die von der Bevölkerung in jeder Hinsicht wahrgenommen werden. Einerseits medial, weil Aktionen des VKI von der Presse verbreitet werden und viele Bürger erreichen. Zum anderen, weil viele Bürger sich an den Kampagnen des Verbands auch in großer Zahl beteiligen.

Auch das Gerichtsverfahren, das zu dem Urteil gegen die Versicherer führte, war von Verbraucherseite (der Arbeitnehmerkammer, wo jeder österreichische Arbeitnehmer Pflichtmitglied ist) angestoßen – und von dort für den Kläger auch finanziert. Der VKI hat schon manchem scheinbar übermächtigen Gegner die Zähne gezeigt. Vor einigen Jahren sammelte der Verein 2.500 Kunden von AWD (heute Swiss Life Select) ein, bei denen um zirka 40 Millionen Euro Verluste wegen fauler Immobilienaktien gestritten wurde.

Versicherer sehen allenfalls Einzelfälle

Kurz vor Prozessbeginn einigten sich VKI und AWD im Sommer 2013 auf einen Vergleich: Die Kunden bekamen insgesamt rund 11 Millionen Euro, rund 30 Prozent ihres Schadens, erstattet. Davon bekam Prozessfinanzierer Foris gut ein Drittel Anteil als Abgeltung des von ihm getragenen Aufwands beziehungsweise Prozessrisikos. Nur ein Drittel Schadenersatz minus einem Drittel für den Prozessfinanzierer? Das klingt nach wenig. In Deutschland wären es null Euro gewesen, weil Sammelklagen hier praktisch nicht möglich sind.

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Die Versicherer erwarten laut „Wirtschaftsblatt“, Wien, wegen der neuen VKI-Aktion „keine Rücktrittswelle“, habe etwa die Generali dem Blatt gesagt. Allenfalls sehe man „einzelne Fälle“, in denen wegen geänderter Gesetze „Änderungen der Druckdokumente verspätet umgesetzt wurden“. Zwei weitere Unternehmen zitiert das Blatt: Versicherer Uniqa sehe ein Problem „nur bei einem verschwindend geringen Anteil“ der Verträge, ähnlich Generali resultierend aus alten Formularen. Die Wiener Städische, einer der größten Versicherer Österreichs, zählt zur Sache „rund ein Dutzend Kundenanfragen“. Für sie sei die geplante VKI-Massenklage „von keiner wirtschaftlichen Relevanz“.