Tatort Dread-Disease-Police - der ganz normale Kampf ums Geld
Dread-Disease-Versicherung - Im Leistungsfall kommt es darauf an, dass der Versicherte im Antrag die Wahrheit gesagt hat. Was passiert, wenn der Betroffene als Patient seines Arztes die medizinische Wahrheit, etwa schlechte Blutwerte, nicht kennt, das weiß Angela Baumeister. Die Versicherungsberaterin aus Kaarst schildert für den Versicherungsboten, wie sie mit dem Versicherer verhandelt – meist erfolgreich.
Es ist ein ganz normaler Fall. Ein Versicherer weigerte sich, 200.000 Euro aus einer Dread-Disease-Police gegen schwere Krankheiten an den Kunden auszuzahlen. Der inzwischen herzkranke Versicherte hatte im Antrag nicht angegeben, dass er vor Vertragsschluss schlechte Blutwerte hatte. Dies gehe aus den Arzt-Unterlagen hervor. Der Versicherer wertete die fehlende Angabe (hier) zu Blut-Befunden als eine verletzte vorvertragliche Anzeigepflicht.
Anzeige
Versicherungsberaterin Baumeister seziert den Fall ...
Allerdings wusste der Kunde angeblich nichts von den schlechten Blutwerten. Der Arzt habe ihm von diesen Werten nichts erzählt – genauer: ihm als Patienten nicht zumutbar erkennbar mitgeteilt, müsste man es aus Sicht des Versicherten juristisch präzisieren. In den Verhandlungen um 200.000 Euro zwischen Kunden und Versicherung stand nun Aussage gegen Aussage, berichtet Versicherungsberaterin Angela Baumeister in ihrem Blog. Dort schreibt sie, zunächst habe der Versicherte einen Rechtsanwalt konsultiert.
Jedoch hatte der Anwalt, so Baumeister, „Schwierigkeiten, sich gegenüber dem Dread-Disease-Versicherer zu behaupten“. Irgendwann, als die Verhandlungen zwischen Anwalt und Versicherer zerfahren waren, gab der Anwalt das Mandat auf. Der Leistungsfall landete auf Baumeisters Tisch. Die Expertin für Leistungen aus Unfall-, BU- und Dread-Disease-Policen, früher selbst Leistungsspezialistin bei einem Versicherer, sezierte den Fall. Las Blatt für Blatt, grub alle Gesetzes-Paragrafen um. Was wenig spezialisierte Juristen nicht kennen, das sind die juristischen Fährten, denen sie nachspürt. Und Baumeister wurde fündig.
... wie Tatort-Professor Boerne
Ihre Schilderungen zu dem Fall erinnern an die Figur des beharrlich bohrenden Gerichtsmediziners Professor Boerne („mit ,oe’ bitte“), bekanntlich dargestellt von Schauspieler Jan-Josef Liefers im „Tatort“-Münster. Die für eine Annahme des Risikos, laut Arzt-Befund, schlimm-schlechten Blutwerte des Kunden hätten bei dem Versicherer zu keiner Ablehnung des Antrags geführt, sagt Baumeister. Der Versicherer widersprach ihr, denn gerade die Blutwerte seien der Grund für die verweigerte Leistung.
Angela Baumeister konterte. Und hielt dem Versicherer seine eigenen Annahmerichtlinien vor die Nase, die bei den gegebenen Blutwerten keine Ablehnung vorsehen, in der Folge allenfalls etwa einen Risikozuschlag. Mit anderen Worten; wer versicherbar war und einen Police in Händen hält, der ist auch versichert, könnte man logisch schließen. Auch in Kenntnis der Blutwerte hätte der Versicherer den Kunden angenommen und eine Police ausgestellt, wenn auch gegen Aufpreis oder alternativ mit einer niedrigeren Versicherungssumme. Immerhin ging es in dem Streitfall um einen schwer herzkrank gewordenen Kunden und 200.000 Euro.
Ansatzpunkt Annahmerichtlinien Angela Baumeister sagt dazu gegenüber dem Versicherungsboten: „Manche Versicherer kennen ihre eigenen Annahmerichtlinien nicht“. Diese hätten für die Leistungsentscheidung einen Indizien-Charakter. Offenbar haben viele nicht auf Versicherung spezialisierte Anwälte diese Richtlinien nicht im Blick, oder? „Dazu schweige ich“, reagiert Baumeister auf diese These diplomatisch. Aber wenn es Annahmerichtlinien gibt, dann kann nicht nur der Versicherer diese anwenden, sondern auch Versicherungsberater. Nicht unbedingt „gegen“ den Versicherer, sondern für die sachliche Klärung der Leistungspflicht des Versicherers.
Wäre Angela Baumeister wegen der Annahmerichtlinien des Versicherers nicht durchgedrungen, dann hätte sie aus ihrer Sicht, sagt sie, mit einem zweiten juristischen Schwerthieb für ihren Mandanten fechten können: Die Belehrung über die vorvertragliche Anzeigepflicht im Antrag des Versicherers. Baumeister: „Kurz nach der Novelle des Versicherungsvertragsgesetzes im Jahr 2008 haben viele Versicherer ihre Belehrung des Kunden nicht überarbeitet“.
Eine falsche Belehrung zur vorvertraglichen Pflichten ist keine Belehrung
So kam es laut Baumeisters Schilderung nach dem 1. Januar 2008 immer noch zu Abschlüssen, deren Versicherungsantrag noch das Kleingedruckte aus 2007 oder früher enthielt. Und eine nicht gesetzeskonforme Belehrung über die Folgen falscher vorvertraglicher Angaben ist keine Belehrung. Logisch weiter: Eine juristisch gesehen nicht stattgefundene Belehrung kann den Versicherten nicht belasten. „Dieser Fall der letztlich juristisch gesehen nicht erfolgten Belehrung über Verstöße gegen die vorvertragliche Anzeigepflicht dämmert in vielen Verträgen“, erklärt die Expertin.
Dieser Mangelzustand beim Kleingedruckten des Versicherers sei für den versierten juristischen Vertreter des Versicherten ein „zusätzlicher Hebel“, ihm Leistungen zu erkämpfen. „Gleichwohl sind juristisch falsche Belehrungen des Versicherten kein Freibrief für falsche Angaben gegenüber der Versicherung“, mahnt Baumeister. Ob in dem vorliegenden Fall von Angela Baumeisters Mandanten die Belehrung des Kunden gesetzeskonform erfolgte oder nicht, wurde letztlich nicht geklärt, weil sich die Parteien außergerichtlich einigten: auf 135.000 statt 200.000 Euro Leistung.
Anzeige
„Legen sie mir 100 Schäden hin...“
Die um 65.000 Euro reduzierte Zahlung entspricht in etwa dem erhöhten medizinischen Risiko des Versicherers zur Zeit des Versicherungsantrags. Durch den Vergleich zwischen Versicherer und Kunden musste auch nicht darüber gestritten werden, ob und was der Arzt dem Patienten über Laborbefunde zu seinen Blutwerten sagte, oder nicht. Eines ist der Versicherungsberaterin wichtig, betont sie: Ihr betrügerisch erscheinende Mandate lehnt Baumeister ab. Die Frau hat Rückgrat.