Medizinprodukte - Hersteller sind oft unzureichend haftpflichtversichert
Minderwertige Medizinprodukte: In Deutschland kann man sich gegen fast alles versichern. Gegen etwas aber offenbar kaum - nämlich gegen fehlerhafte Medizinprodukte. So verdeutlichte es die Geschichte von Elisabeth Schmitt in der ZDF-WISO Sendung vom Montag, dem 23. Mai 2016 zu minderwertigen Brustimplantaten. Sie bekam solche minderwertigen Brustimplantate des französischen Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) eingesetzt. Tausende andere Frauen teilen wohl das selbe Schicksal, heißt es in der Sendung. Ein Schmerzensgeld für Schmitt blieb bisher aus.
Wegen des hohen Brustkrebsrisikos in ihrer Familie hatte sich Elisabeth Schmitt 2008 für eine vorsorgliche Brustambutation entschieden. In der Folge wurde Sie Opfer eines Medizinskandals, da die Implantate mit billigem Industrie-Silikon gefüllt waren. Schmitt erfuhr durch die Presse von der Gefahr. Zu dem Zeitpunkt war das Silikon aber schon in ihrem Körper. Folglich hätte das Billig-Silikon in den Körper gelangen und dort schwere Entzündungen und möglicherweise sogar Krebs verursachen können. Aus diesem Grund lies sie die Implantate wieder herausoperieren. Weder vom Hersteller noch vom TÜV bekam die Geschädigte bisher Schmerzensgeld. Der TÜV hatte die Silikonkissen schließlich zertifiziert. In Frankreich gab es eine Entschädigung für die Opfer. Hierzulande nicht.
Anzeige
In Frankreich Zwang zur Haftpflichtversicherung für Medizinprodukte-Hersteller
Die Firma PIP, welche die minderwertigen Implantate hergestellt hatte, wurde inzwischen verurteilt und ist infolgedessen in die Insolvenz geschlittert. Im französischen Versicherungssystem sieht Anwalt Olivier Aumaitre, der über 13.000 Geschädigte aus aller Welt vertritt, einen entscheidenden Vorteil. Hier gibt es einen Zwang zur Haftpflichtversicherung für alle Medizinprodukte-Hersteller. So habe man in Frankreich eine Gerichtsentscheidung, wonach der Versicherer von PIP, die Allianz Frankreich, zahlen musste und zwar in Summe drei Millionen Euro. Dieses Geld wurde unter den 3.000 – 4.000 französischen Opfern aufgeteilt. Danach haben diese zwischen 500 und 800 Euro erhalten (Versicherungsbote berichtete).
In Deutschland kein Zwang zur Haftpflichtversicherung für Medizinprodukte-Hersteller
In Deutschland hingegen sei die Haftpflicht freiwillig, erklärt Fachanwalt für Medizinrecht, Jörg Heynemann, in der Sendung. In der Praxis seien folglich viele Hersteller nicht versichert. Bei anderen Herstellern wiederum reiche die Deckungssumme nicht aus. Je länger ein Schadensereignis andauere und je mehr Menschen folglich davon betroffen sind, desto geringer fielen die Summen aus, die als Entschädigung ausgezahlt werden.
Deutsche Hersteller lehnen Versicherungspflicht ab
Die EU will das Medizin-Produkte-Recht schon länger vereinheitlichen. Seit Jahren ringe Brüssel schon um ein neues Gesetz. Dabei gehe es auch um die Einführung einer EU-weiten Versicherungspflicht. Die deutschen Hersteller lehnen dies jedoch ab. In einem Zitat vom Bundesverband Medizintechnologie heißt es: „Eine unlimitierte und uneingeschränkte Versicherung (…) ist schon allein aufgrund der Tatsache abzulehnen, dass weder Behörden, Anwälte, Versicherer und schon gar nicht Unternehmen ein derartiges Risiko erfassen, beschreiben und kalkulieren können.“
Nach Risiko-Situation entsprechend versichern
In der Vergangenheit sind nicht nur bei Brustimplantaten die Mängel an Medizinprodukten zum Vorschein gekommen. Teils noch bitterer waren die Auswirkungen bei gebrochenen Hüftprothesen, Herzdefibrillatoren, die tödliche Elektroschocks auslösen und Bandscheiben-Prothesen, die zu Querschnittslähmung führen. Dies sind nur einige Beispiele, die ZDF WISO aufführt.
Alle Medizinprodukte-Hersteller und deren Versicherer täten gut daran, wenn sie entsprechend der jeweiligen Risiko-Situation bereit sind, sich höher zu versichern, rät Nils Hellberg vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Die Versicherungswirtschaft lehne jedoch weiterhin eine Pflichtversicherung bei Implantaten ab. Das liege daran, dass die Mehrzahl solcher Hersteller kleine, allenfalls mittelständige Unternehmen seien. Wenn diese ein Vielfaches ihres bisherigen Versicherungsschutzes kaufen müssten und damit auch ein Vielfaches mehr an Prämie investieren müssten, dann könnte das für einige einen wirtschaftlichen Notstand zur Folge haben, erklärt Hellberg die schwierige Situation.
Anzeige
Die Klage von Elisabeth Schmitt gegen die Prüfstelle TÜV liegt jetzt beim europäischen Gerichtshof. Das Urteil gibt es vermutlich erst Ende des Jahres.