Zehnjährige Bundesanleihen erstmals mit Minuszins
Wer zehnjährige Bundesanleihen erwerben will, muss erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Geld draufzahlen. Der Zins ist auf minus 0,003 Prozent gesunken, wie Medien übereinstimmend berichten. Das heißt: Anleger müssen eine Art Gebühr bezahlen, wenn sie in deutsche Staatsanleihen mit entsprechender Laufzeit investieren.
Es ist ein historisches Datum: Deutsche Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit sind unter null Prozent gefallen, wie dpa und Reuters berichten. Das hat es in der langen Geschichte der Bundesrepublik zuvor noch nie gegeben. Wenn Anleger entsprechende Papiere erwerben, zahlen sie quasi eine Gebühr, statt Zinsen zu kassieren.
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Damit ist die Bundesrepublik das zweite Land der führenden Industrienationen (G7), dessen zehnjährige Titel unter null Prozent rentieren. Nur japanische Staatsanleihen sind seit Anfang März ebenfalls im negativen Bereich. Bei Anleihen mit kürzerer Laufzeit sind Negativzinsen hingegen schon länger Alltag. Seit Mitte 2014 seien zweijährige Papiere für Investoren durchgehend ein Verlustgeschäft, berichtet die Deutsche Presse-Agentur.
„Es geht um Verlustminimierung, nicht Gewinnmaximierung“
Die aktuelle Situation zeugt von Nervosität an den Finanzmärkten. Speziell ein möglicher Austritt Großbritanniens aus der EU sorgt laut DebaBank-Chefvolkswirt Ulrich Kater für Unruhe. Die Briten stimmen am 23. Juni über einen Verbleib in der EU ab. Ein Austritt Großbritanniens würde die Finanzbranche besonders schwer treffen, gilt doch London als eines der wichtigsten Bank-Zentren Europas.
Darüber hinaus werden die negativen Folgen neuer Handels-Hemmnisse im Falle eines Brexits befürchtet. Das Königreich ist Deutschlands drittgrößter Exportmarkt mit einem Warenvolumen von jährlich 90 Milliarden Euro. Auch die lockere Geldpolitik der Notenbanken trägt nach Einschätzung von Kater zur Nachfrage nach den vergleichsweise sicheren Bundesanleihen bei.
Bundesanleihen sind heiß begehrt, weil sie bei Experten als ein nahezu risikoloses Investment gelten. "Anleger versuchen derzeit jegliches Risiko zu vermeiden", sagt Chefvolkswirt Cyrus de la Rubia von der HSH Nordbank der Nachrichtenagentur Reuters. "Es geht offenbar gerade nur noch um Verlustminimierung, nicht mehr um Gewinnmaximierung."An einem durchschnittlichen Handelstag werden Bundeswertpapiere für etwa 20 Milliarden Euro ge- und verkauft. Die Hälfte aller deutschen Staatsanleihen werden mit zehnjähriger Laufzeit ausgegeben.
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Neben deutschen Staatsanleihen profitierten auch zahlreiche weitere Anleihen europäischer Staaten. In Frankreich, Norwegen, Großbritannien, Schweden, den Niederlanden und weiteren Ländern sind die Renditen auf Rekordtiefs gefallen, wie die FAZ berichtet. Zehnjährige Staatsanleihen wirtschaftsstarker Staaten gelten als wichtiger Sicherheitsfaktor speziell für Banken, weil sie bei vergleichsweise geringem Ausfallrisiko schnell weiterverkauft werden können.