Versicherungsmakler als Dino oder Hipster?
Die Digitalisierung greift nun auch unter den Versicherungsvermittlern um sich. Zumindest hat man diesen Eindruck, wenn man die Vorträge und Diskussionen bei den jüngsten Pools & Finance – Messe verfolgte. Pools und Serviceleister versuchen auch den letzten Dinosaurier der Branche von den Vorteilen der technologischen Zeitenwende zu überzeugen. Nehmen wir einen Blick auf deren Argumente.
Die Herausforderung besonders für Makler im fortgeschrittenen Lebensalter wird die Verbindung der persönlichen und fachlichen Stärken bei Beratung und Verkauf mit den Möglichkeiten der modernen Technik. Dazu gilt es sich eine Bereitschaft zu entwickeln, sich die verschiedenen Tools überhaupt erst einmal erklären zu lassen. Man kann gespannt sein, ob die in diesem Jahr noch folgenden Maklermessen eine stärkeres Interesse als die vergangene Pools & Finance in Nürnberg und Hamburg finden wird. Schließlich fanden sich bei beiden Messen insgesamt nur 2.500 Besucher ein, wie die Veranstalter berichten.
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Verbindung von moderner Technik und persönlicher Beratung
Die überwiegende Mehrzahl der Vermittler von Versicherungen und Finanzdienstleistungen will an der persönlichen Beratung festhalten. Man geht davon aus, dass die Kunden das auch wollen. Nun würde es leicht fallen hier zu schreiben, dass tagtäglich viele Tausende von Kunden es anders haben wollen und lieber keinen Vermittler in die Wohnung lassen. Beides stimmt. Doch die Wahrheit liegt wohl in der Mitte.
Der @AssekuranzDoc
Der @AssekuranzDoc
Dr. Peter Schmidt ist Experte Personenversicherungen und Unternehmensberater im Bereich Versicherungen, Vertriebe und Makler mit langjähriger Erfahrung als Führungskraft und Vorstand bei deutschen Versicherern und twittert als @AssekuranzDoc.
In bestimmten Bereichen trauen es sich die Kunden zunehmend selbst zu, sich die gewünschten Produkte der Versicherungsbranche und auch der Finanzwirtschaft selbst zu kaufen. Nehmen wir beispielsweise die Kunden, die in der Anlage des eigenen Geldes inzwischen so erfahren sind, dass sie genau wissen, welche Anlageform und über welches Tool sie ihre Investments tätigen. Es werden die Kosten gespart, die über eine Beratung bei einer Bank oder einen Makler anfallen würden.
Wollen Makler auch im Interesse der eigenen Kostenbeherrschung in diesem Veränderungsprozess mithalten, dann kann dies nur durch eine Kombination aus neuster Technik, persönlicher Beratungskompetenz und Marktwissen erfolgen. Dann wird der Makler weiterhin ein erfolgreicher Unternehmer bleiben, wie die Referenten der Netfonds AG auf der Pools & Finance erläuterten.
Versicherungen und Finanzprodukte in der Tasche
In den Fachmeetings der Messen und den Diskussionen an den Cateringtischen wurde das Für und Wider der Apps kontrovers diskutiert. Dabei kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Pools, die mit Apps für Makler werben, besonders stark deren Vorteile herausstellen. Und die Servicedienstleister, die heute noch eher auf herkömmliche Lösungen setzen, argumentieren eher pro „Bedrohung“.
Zur Versachlichung tragen die Experten bei, die bei den FinTechs oder InsureTechs die Chancen aufzeigen und dennoch auch auf die Bedrohung eingehen. Es ist nun einmal Fakt, dass es aktuell zirka 12.000 verschiedene FinTechs gibt und diese in den Markt drängen.
Selbst wenn man einmal davon ausgeht, dass vielen davon schnell wieder die Luft ausgehen wird, bleiben zahlreiche neue Marktteilnehmer übrig, die den herkömmlichen Vermittlern die Kunden abspenstig machen wollen. Die Größenordnung der Anzahl von Kunden, die von FinTechs monatlich „eingefangen“ werden, wurde in den Fachdiskussionen der Messe mit einem mittleren vierstelligen Bereich benannt.
Weil dem so ist, empfehle ich Vermittlern und Beratern, die für sich und die eigenen Kunden geeignete Form einer App als sinnvolle Ergänzung für den Service des eigenen Versicherungs- und Finanzbüros zu nutzen! FinTech per se ist nicht gut oder böse. Es ist aber ein zeitgemäßes „Werkzeug“ für professionelle und eine mobile Arbeit für Kunden und Berater. Und immer mehr Kunden werden nicht nur die Verwaltung der Konten per App, sondern eben auch die maximale Übersicht über Versicherungsprodukte per App nutzen wollen.
Müssen moderne Applikationen reguliert werden?
In Anbetracht der laufenden juristischen Auseinandersetzungen des BVK mit Check24 war auch die Diskussion interessant, ob es notwendig sei, FinTechs zu regulieren. Diese und andere Fragen diskutierte in Hamburg Finanzwelt-Redakteur Lenard von Stockhausen mit Vertretern der Branche.
Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des AfW e.V., machte zunächst deutlich, dass die gesetzlichen Regelungen für Makler auch für FinTechs Gültigkeit haben. Das dies nicht immer auch so durchgesetzt wird, liegt nach seiner Meinung auch daran, dass die zuständigen Aufsichtsbehörden in dieser Frage oft überfordert seien.
Für Wirth Rechtsanwälte Berlin wird es zur entscheidenden Frage, wie die deutsche Politik die IDD umsetzen wird. Eine vollständige Übernahme aller aus europäischer Sicht getroffenen Regelungen des IDD in nationales Recht würde die Türen für den Verkauf von Versicherungen ohne Beratung weiter öffnen. Brüssel sieht dies als erweiterten Kundennutzen an.
Folgt die deutsche Politik dieser Auffassung, dann würden besonders die Onlineportale und FinTechs und die onlineaffinen Kunden profitieren. Brüssel will den beratungsfreien Verkauf von Versicherungen und Finanzdienstleistungen.
Aktuell unterliegen Fin- und Insuretechs der gleichen Regulierung wie ein normaler Makler nach § 34d der GewO. Erste Versuche, die Versicherungs- und Finanzprodukte komplett ohne Beratung zu versuchen und dies auch noch in den AGB zu verankern, sind bekanntlich gescheitert.
Wie viel Digitalisierung möchte der Kunde?
Experten sind sich einig, dass es immer mehr Kunden gibt, die Versicherung online kaufen und auch ihr Geld gern selbst anlegen. Das Nullzinsumfeld und der Mainstream von McGeiz bringen es mit sich. Besonders bei der Geldanlage locken die Chancen, die es in Europa und weltweit gibt, mehr Zinsen fürs Geld zu bekommen.
Besonders Kunden über 50 mit Bankeinlagen über 50.000 EUR sind in diesem Segment aktiv. Dabei entstehen neue WinWinWin – Situationen (wohl ein neues Wort!). Kunden, die einfache Versicherungs- oder Finanzprodukte selbst online kaufen oder verwalten, sparen oft Gebühren (Win #1) und entlasten die Anbieter von den Aufwendungen für eine persönliche Beratung und damit von Kosten (Win #2).
Das Win #3 entsteht dann, wenn Vermittler diese Möglichkeiten zum Onlineabschluss oder der Onlineverwaltung von Verträgen beispielsweise per App selbst den Kunden anbieten und dann für komplexere Vorgänge als Berater zur Verfügung stehen. Diese Vermittler haben dann auch im eigenen Workflow alle Vorteile moderner Prozessabläufe.
Automatisierte Prozesse sind für Kunden und Vermittler von Vorteil. Der Vermittler wird Bindeglied des Vertrauens und als Kümmerer bei komplexen Vorgängen gestärkt. Die Fin- und InsureTechs wiederum sind das technisches Bindeglied.
Nur digital kann durchaus für einige Hipster unter den Vermittlern ein Geschäftsmodell sein. Dies hat aber eben seine Grenzen. Wenn sich die InsurTechs nur auf den Abschluss oder die Verwaltung konzentrieren (oder besser: reduzieren), dann wird dies den Kunden auf Dauer zu wenig sein. Der Kunde hat Fragen. Der Kunde hat auch einmal bei Versicherungen Schadenfälle. Wenn dann keine Antworten kommen, dann wendet er sich auch wieder ab.
Wo liegt die Zukunft?
Das einfache Geschäft bei Banken und Versicherungen wird zu einfachen Online-Lösungen gehen. Banken und Versicherungen wollen das kleinteilige Geschäft und einfache Geschäftsvorgänge inklusive Beratung nicht mehr. Deshalb kommen auch Vermittler um den Bereich Online auch nicht mehr herum.
Für das Onlinegeschäft ist der Dreh- und Angelpunkt die eigene Homepage. Internetseiten sind die erste Visitenkarte für Ansprechpartner auf modernem und klassischem Wege geworden. Hier können Selbstentscheider abgeholt werden und gleichzeitig werden Vermittler als Vertrauenspersonen präsentiert.
An dieser Stelle wurde schon mehrfach die Diagnose gestellt, dass viele Homepages von Vermittlern und besonders von Maklern inhaltlich mangelhaft und höchst abmahnbedroht sind. Es werden einfach zu wenig die Chancen ergriffen, sich als spezialisierter Makler eine echte Visitenkarte im Internet zu schaffen. Die Zeit ist mehr als reif für einen Check der eigenen Homepage.
Fazit:
Das Schicksal der Dinosaurier kennen wir. Diese sind mehr oder weniger nett zum Inhalt von Trick- und Actionfilmen geworden. Es gibt demnach auch für Vermittler keine Alternative, sich mit der digitalen Unterstützung für Beratung und Verkauf zu befassen.
Nicht jeder Vermittler muss zum Hipster werden und selbst tolle Apps und Tools entwickeln. Verfluchen Sie als Vermittler nicht die Digitalisierung. Sehen Sie diese als Chance. Bringen Sie Ihre Homepage auf den aktuell besten Stand. Bieten Sie Kunden als Selbstversorger (in manchen Fragen) eine Chance auf Ihrer Plattform. So können Sie in einen echten Wettbewerb mit Onlineplattformen, Apps oder Banken eintreten.
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Seien Sie mutig und holen Sie Ihre (neuen) Kunden auch in den sozialen Medien ab. Und führen Sie diese auf Ihre Homepage, ihr Büro im Internet. Machen Sie dies mit Unterstützung von Profis, mit Kompetenz und Ehrlichkeit. So verbinden Sie klassische „Old School“ mit der Modernität unserer Zeit.