„Das Leben schrittweise verändern“, „zu einem gesundheitsbewussten Leben motivieren“, „Anreize, persönliche Gesundheitsziele zu erreichen“ - die Rhetorik in der aktuellen Pressemeldung der Generali kommt ein bisschen daher, als hätte ein Fitness- und Motivationstrainer daran mitgeschrieben. Und tatsächlich geht es beim neuen Angebot der Generali um Fitness und einen bewussten Lebenswandel.

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Der Versicherer will die Kunden davon überzeugen, höchst sensible Gesundheitsdaten von sich preiszugeben: wie oft sie sich bewegen, was sie essen, wann sie zur Zigarette greifen. All das sollen die potentiellen Kunden an den Versicherer übermitteln, möglichst rund um die Uhr. Da reicht es vielleicht nicht, einfach nur Rabatte auf einen Versicherungsvertrag zu versprechen – da muss das Versprechen auf ein ganz neues Leben her.

„Vitality“ - Zeig mir, wie du lebst – und ich sage dir, was du sparen kannst

Am 1. Juli startet die Generali ihr umstrittenes Tarifprogramm „Vitality“. Es ist einer der ersten und ambitioniertesten Versuche in Deutschland, einen sogenannten Pay-as-you-live-Tarif zu etablieren. Die Versicherten müssen nachweisen, dass sie einen gesunden Lebensstil führen – und werden dafür mit Rabatten belohnt. Vorerst bleibt das Angebot „Generali Vitality“ auf die Berufsunfähigkeits- (Generali) und Risikolebensversicherung (Dialog) beschränkt. Später soll noch die private Krankenversicherung hinzukommen.

Doch was „Pay as you live“ bedeutet, lässt Datenschützer aufschrecken. Will der Kunde von Rabatten profitieren, muss er regelmäßig den Datenhunger des Versicherers speisen, muss seine Bewegungen und den Lebenswandel überwachen lassen. Die Technik hierzu heißt „Telemonitoring“. Mittels Fitness-Tracker werden sportliche Aktivitäten gemessen, ja sogar wie viele Schritte eine Person zurücklegt. Auch die Einkaufsliste könnte für die Versicherung interessant sein: Soll doch der Kunde für eine gesunde Ernährung belohnt werden. „Zeig mir, wie du lebst – und ich sage dir, wie viel du sparen kannst“, so ließe sich das Motto der Vitality-Tarife zusammenfassen.

Die Schriftstellerin Juli Zeh hat angesichts des Datenhungers der Versicherer von einer „Gesundheitsdiktatur“ gewarnt. „Wir folgen dem Irrglauben, unser Schicksal, sprich unsere Zukunft beherrschen zu können, indem wir ständig alles „richtig“ machen und uns unentwegt selbst optimieren – auf der Arbeit, bei Gesundheit und Ernährung, selbst bei Liebe und Sex“, sagte die studierte Juristin der Süddeutschen Zeitung. Das ganze Leben werde als Leistungssport betrieben – doch die Kontrolle mache den Menschen manipulierbar und unfrei. Wird es bald sanktionsfähig, wenn man abends auf der Couch rumlümmelt, statt sich im Fitnesscenter abzuplagen?

Die Generali versucht, derartige Bedenken von vorn herein zu zerstreuen. „Grundsätzlich gilt: Die Teilnahme am Generali Vitality-Programm ist freiwillig und der Kunde ist jederzeit Herr seiner Daten“, heißt es in der Pressemeldung. Und auch wenn der Kunde seine Daten mal nicht weitergibt, sich quasi eine Auszeit nimmt vom Leben als Leistungssport, habe er nichts zu befürchten. Denn Sanktionen sieht Vitality nicht vor. „Das Programm bietet ausschließlich Vorteile für die Kunden. Selbst wenn ein Generali Vitality Teilnehmer keine Aktivität innerhalb des Programms ausüben würde, zahlt er über die Gesamtlaufzeit der Versicherung hinweg nie mehr als ein Kunde, der nicht am Vitality-Programm teilnimmt“, so berichtet der Versicherer.

Die Versicherung als Lifestyle-Produkt - der Versicherer als Personal Coach?

Doch das Experiment „Vitality“ verdient Beachtung. Warum? Weil der Generali, so sie Erfolg hat, etwas gelingen könnte, woran Versicherer bisher in der Regel scheiterten. Die Generali könnte Versicherungstarife als Lifestyle-Produkt etablieren, als ständigen Begleiter der Kunden, als eine Art virtuellen Fitness-Coach.

Damit das funktioniert, muss ein Belohnungssystem her, das Fitness und gesunden Lebenswandel über Rabatte hinaus belohnt. Das den Kunden an die Versicherung bindet. Und das funktioniert so: Wer sich gesundheitsfördernd verhält, etwa regelmäßig ins Fitnessstudio geht oder gesunde Lebensmittel kauft, kann mittels einer Smartwatch Punkte sammeln. Je mehr Punkte, desto besser der persönliche Status – von Bronze, über Silber und Gold bis hin zu Platin.

Hinzu gesellt sich eine Art virtuelles Fitness-Programm: Zunächst wird in einem ersten Schritt der Gesundheitsstatus des Versicherten ermittelt. Dann, gestützt durch „wissenschaftliche Analysen“, an der Verbesserung der Gesundheit gearbeitet. Das Punktesystem soll dem Kunden helfen, die selbst gesteckten Gesundheitsziele zu erreichen. Erst in einem dritten Schritt werden die Versicherten mit Prämien-Rabatten belohnt sowie mit Preisnachlässen ausgesuchter Partner. Wer eine bestimmte Punkztahl erreicht, kann auf Ermäßigungen beim Kauf von Weight Watchers-Produkten hoffen oder beim Shopping in Galeria Kaufhof-Filialen (siehe Grafik).

Screenshot von der Vitality-Webseite: Die Generali verspricht, "in drei Schritten zum gesünderen Leben" zu finden.

Vitality trifft auf eine junge Generation, die sowieso ständig intime Daten via Facebook und anderen sozialen Medien von sich Preis gibt. Und die ständig an der eigenen Selbstoptimierung arbeitet, mittels Fitnessarmbändern, Herzfrequenz-Messern und Kontrolltools. Es gibt Apps, die den Schlafrhythmus überwachen, etwa Traum- und Tiefschlafphasen analysieren. Und Apps, die selbst der Freizeit einer strengen Kontrolle unterziehen: Etwa, ob man regelmäßig ein Buch liest oder eine Fremdsprache lernt. Wer solche Selbstoptimierungs-Tools nutzt, dürfte auch bei einer Versicherung wie "Vitality" keine Bedenken haben. Der ideale Versicherungsschutz für die "Generation Selfie"?

Produktpartner der Generali ist der südamerikanische Anbieter Discovery. Dieser habe es tatsächlich geschafft, "Vitality" in Südafrika als Lifestyle-Produkt zu etablieren, berichtet die Süddeutsche Zeitung (siehe Video). "Der Versicherer Discovery hat rund zwei Millionen Mitglieder bei Vitality", sagt Claude Chèvre, Vorstand der Hannover Rück, die "Vitality" als Rückversicherer unterstützt. "Wenn da jemand auf der Party sagt, dass er den Diamant-Status hat, gilt er als cooler Typ."

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