Krankenkasse -Zusatzbeiträge könnten bis 2019 deutlich anwachsen
Kassenpatienten müssen in den kommenden Jahren mit deutlich steigenden Prämien rechnen. Schon zum Jahreswechsel 2017 könnte der durchschnittliche Zusatzbeitrag um 0,3 Prozentpunkte angehoben werden, so eine Prognose des Spitzenverbandes der Krankenkassen. Und das ist erst der Anfang weiterer möglicher Teuerungen.
Keine guten Nachrichten für die 54 Millionen Kassenpatienten: sie müssen in nächster Zeit mit deutlich höheren Belastungen rechnen. Schon im kommenden Jahr werde der durchschnittliche Zusatzbeitrag um 0,3 Prozentpunkte steigen und dann 1,4 Prozent des Bruttoeinkommens betragen, prophezeit die Vorsitzende des Spitzenverbandes der Krankenkassen, Doris Pfeiffer, bei einer Veranstaltung in Nauen. Doch damit nicht genug. Die Ökonomin rechnet damit, dass der Zusatzbeitrag bereits 2019 auf 1,8 Prozent anwachsen könnte. Bei einem Monatsgehalt von 3.000 Euro bedeutet das Mehrkosten von 252 Euro pro Jahr.
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Strukturelles Defizit in der Krankenkasse
Laut einem Bericht des Tagesspiegels macht Doris Pfeiffer ein „strukturelles Defizit“ für die schwierige Situation der Krankenkassen verantwortlich. Die Kosten explodieren bei den Arzneimitteln, auch die elektronische Gesundheitskarte verschlingt zusätzliche Ressourcen. Die Alterung der Gesellschaft trägt ihr Übriges zu den höheren Ausgaben bei.
Warum aber drohen die Beiträge derart zu explodieren?Zudem seien die Zuschüsse für Langzeitarbeitslose nicht annähernd ausreichend, um die Kosten der Krankenkassen zu decken, kritisiert die Verbandschefin. Umgerechnet zahlt der Bund für jeden Hartz-IV-Empfänger derzeit pauschal 90 Euro. Nötig wären aber 136 Euro, rechnet Pfeiffer vor. So entstünde den Kassen allein in diesem Jahr eine Deckungslücke von 2,3 Milliarden Euro bei der Finanzierung der Gesundheitsleistungen für Arbeitslose, die von den anderen Beitragszahlern ausgeglichen werden müssten.
Die große Zahl an Flüchtlingen verschärft dieses Problem: Wenn sie nach 15 Monaten noch keinen Job haben, aber anerkannt sind, erhalten sie dieselben Leistungen wie andere Hartz-IV-Bezieher auch. Zwar erzeugen Flüchtlinge statistisch niedrigere Gesundheitskosten als durchschnittliche Hartz-IV-Empfänger, da sie oft jünger und gesünder sind. Mit durchschnittlich 118,60 Euro Kosten würden aber auch sie die Zuweisungen von 90 Euro pro Sozialleistungsempfänger sprengen, so Pfeiffer.
Teure Reformen unter Gesundheitsminister Gröhe
Weitere Kostentreiber sind teure Reformen unter Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), die zum Teil aber dringend notwendig sind. Die Zahl der Pfleger und Krankenschwestern soll in den chronisch klammbesetzten Kliniken aufgestockt werden. Um schnellere Facharzttermine für Kassenpatienten vergeben zu können, plant das Gesundheitsministerium zudem die Einrichtung zentraler Terminvergabestellen – zusätzliche Strukturen, die zusätzliche Gelder verschlingen. Dreistellige Millionengelder sollen in den Ausbau der digitalen Infrastruktur fließen.
Eine weitere Reform: Das „Versorgungsstärkegesetz“ soll Ärzte mit Bonusleistungen aufs Land locken. Denn gerade in den ländlichen Regionen droht eine akute Unterversorgung mit Hausärzten. Der „Ärztemonitor 2014“ der Kassenärztlichen Bundesvereinigung brachte zutage, dass jeder vierte Haus- und Facharzt in den kommenden fünf Jahren seine Praxis aufgeben will. Junge Ärzte aber konzentrieren sich auf die Städte: hier drohen keine langen Fahrten für Hausbesuche, hier gibt es ein besseres Freizeitangebot. Hier ist in der Regel auch die Zahl der Privatpatienten höher, die bessere Honorare versprechen. Viele niedergelassene Mediziner auf dem Land finden keine Nachfolger.
GKV-Ausgaben steigen weit stärker als Einnahmen! Der Gesetzgeber sollte bei Reformen die Ausgabenseite im Blick behalten. Doris Pfeiffer
— GKV-Spitzenverband (@GKV_SV) 14. Juli 2016
Arbeitnehmer müssen Teuerungen seit schwarz-roter Gesundheitsreform alleine schultern
In dieser schwierigen Situation hat die schwarz-rote Gesundheitsreform mit dazu beigetragen, dass fortan allein die Versicherten Teuerungen in der GKV schultern müssen. Der Beitragssatz der Arbeitgeber ist seit 2015 bei 7,3 Prozent gedeckelt. Hier fordern Linke und Grüne eine Rückkehr zur paritätischen Finanzierung, so dass Arbeitnehmer und -geber zu gleichen Teilen an den Kassenbeiträgen beteiligt werden: ein Thema für die kommende Bundestagswahl.
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Erstmals wirkt sich auch der Niedrigzins an den Kapitalmärkten negativ auf die Krankenkassen aus, wenn auch nicht so stark wie bei den privaten Krankenversicherern: Wird doch das eingenommene Geld in der Regel gleich wieder ausgegeben. Für die Rücklagen der Kassen seien im rückliegenden Jahr erstmals Negativzinsen von 1,8 Millionen Euro angefallen, berichtet Pfeiffer. Im Gesundheitsfonds der Kassen liegen derzeit rund 10 Milliarden Euro. Um die Mehrkosten für Flüchtlinge und die Gesundheitskarte aufzufangen, will Gesundheitsminister Gröhe hieraus 1,5 Milliarden Euro als Finanzspritze für die Kassen entnehmen.