Ein Gastbeitrag von Christoph Nützenadel

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Obwohl die Onlineangebote immer weiter ausgebaut werden, der Marktanteil stetig wächst und immer noch neue Anbieter in den Markt drängen, liegt die Entwicklung weit hinter den Voraussagen und den Beobachtungen beispielsweise im Vergleich zur Reisebranche. Anbieter im Markt, die klar auf onlineaffine Kunden zielen und nur für komplexe Fälle eine persönliche Beratung per Telefon oder Chat anbieten, stellen fest, dass bis zu 50% der Kunden diese Angebote in Anspruch nehmen. Ein klarer Hinweis, dass die Antwort für die Zukunft nicht eine Fokussierung auf einen Kanal oder ein Medium ist, sondern vielmehr eine intelligente, kosteneffiziente Integration der vom Kunden gewünschten Interaktion erfordert.

Alle Punkte der „Customer Journey“ müssen nahtlos integriert sein. Die Customer Journey veranschaulicht die einzelnen Etappen, die ein Kunde durchläuft, bevor er sich für ein Angebot entscheidet. Beim Wechsel des Zugangswegs muss gewährleistet sein, dass bereits eingeholte Informationen auch an neuen Zugangspunkten zur Verfügung stehen. Dies muss zudem erfolgen, wenn der Kunde das Medium wechselt. So in etwa vom Portal zur E-Mail oder zum persönlichen Gespräch.

Eine besonders große Herausforderung stellen zum Beispiel von unabhängigen Maklern betreute Kunden dar, die sich bei spezifischen Fragen trotzdem direkt an den Versicherer wenden. Hier werden die Herausforderungen des Multichannel-Ansatzes besonders augenfällig. Kunden wollen nicht einem Kanal „gehören“ und deswegen muss die Branche auch hier Antworten finden.

Attribution Modelling

Diese Entwicklung wird sich langfristig auf die Zuordnung von Provisionen und Courtagen auswirken. Die Teilschritte Information, Beratung und Verkauf werden in Zukunft immer mehr partnerschaftlich von verschiedenen Beteiligten ausgeführt.

Daraus folgt, dass die klassischen Verkaufsprovisionen, die nur den „Point of Sales“ betreffen, nicht mehr zielführend sind. Ein Lösungsansatz ist das sogenannte „Attribution Modelling“. Es basiert auf der Customer Journey und belohnt jeden Beitrag, der am Kundenerfolg mitwirkt.

Alle Zugangspunkte des Kunden erhalten einen Anteil der zur Ausschüttung anstehenden Provision. Dynamische Modelle passen den Wert der Beiträge auf Grundlage statistischer Analysen regelmäßig an. In individuellen Modellen werden die Provisionen sogar pro Verkaufsfall aufgeteilt. Dies scheint heute noch Zukunftsmusik zu sein, klar ist aber, dass Provisionen verhaltenssteuernd sind und eine nahtlose Kundenerfahrung nicht ohne Eingriffe in Vergütungssysteme umzusetzen ist.

Organisationsstrukturen in einer hybriden Welt

Anbieter müssen ihre Organisation mithilfe eines integrierten Ansatzes anpassen. Wichtig ist, dass die Produkte, das Informationsangebot und der Beratungsansatz über alle Zugangswege koordiniert werden.

Versicherungen können ihre Organisation nach drei Grunddimensionen aufbauen - nach Produkten, Kundenzugangswegen und Kundengruppen. Häufig wird die Organisationsstruktur nach den beiden ersteren betrieben.

Der Vorteil liegt hier in der gebündelten Expertise und der klar zuweisbaren Ergebnisverantwortung. Allerdings greifen beide Strukturen derzeit zu kurz. Eine Organisation, die sich nach Kundengruppen sortiert, wird sich in der Praxis als geeignetste Variante in der hybriden Welt herausstellen.

Auf der höchsten Ebene unterteilt sie beispielsweise nach Privatkunden, Gewerbe/KMU und Unternehmen. Die gesamte Customer Journey eines Privatkunden kann so über mehrere Produktsparten und Zugangswege verantwortet werden. Auf der nächsten Ebene sind vor allem die Verantwortungen für Kundenprozesse prioritär. Darauf folgen Zugangswege und Produkte. Bei einer solchen Struktur tauchen neue Herausforderungen auf, insbesondere bei den komplexen Schnittstellen und bei der Zuordnung von Zielen.

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Kunden werden sich in ihren Wünschen nicht aufhalten lassen. Transparenz und eigene Wahl der bevorzugten Interaktionsart sind Folgen der Digitalisierung. Versicherer und auch deren Vertriebspartner müssen sich dieser Herausforderung stellen. Und zwar nicht indem einzelne Insellösungen erzeugt werden, sondern indem die Organisationsstrukturen auf höchster Stufe angepasst werden.