Was sich in den letzten Wochen beim Leipziger Webportal-Betreiber Unister abspielte, könnte auch einem Drehbuch des Tatort entnommen sein: Firmengründer Thomas Wagner lässt sich auf einen dubiosen Kreditdeal ein, um sein hoch verschuldetes Unternehmen zu retten, trifft in Venedig einen windigen Geschäftsmann, bekommt einen Koffer mit 1,5 Millionen Euro Falschgeld überreicht und stürzt auf dem Rückflug in den Tod. Die genaue Todesursache ist noch unklar, die Staatsanwaltschaft ermittelt. Seit einem Monat nun ist Unister insolvent und der vorläufige Insolvenzverwalter Lucas Flöther auf der Suche nach neuen Investoren.

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Hanse Merkur versorgte Unister mit Millionenkredit

Welche Fortschritte Flöther bei der Suche nach neuen Geldgebern macht, wird auch in Hamburg aufmerksam verfolgt. Dort hat nämlich der Traditionsversicherer Hanse Merkur seinen Sitz. Für den droht die ganze Unister-Geschichte peinlich zu werden. Drei Jahre lang hat der Versicherer mit seinen Krediten dafür gesorgt, dass Unister liquide bleibt und nicht schon zeitiger die Schuldner an die Tür klopfen. Mit deutlich mehr als 50 Millionen Euro soll Unister zwischenzeitlich bei der Hanse Merkur verschuldet gewesen sein, der Versicherer ist Hauptgläubiger.

Die Frage ist nun, seit wann die Hanse Merkur von den finanziellen Schwierigkeiten im Hause Unister wusste. Und die Antwort auf die Frage kann teuer werden, so berichtet die Süddeutsche Zeitung (Montag). Als der Versicherer Ende 2013 beim Reiseportal-Betreiber einstieg, plagten Unister schon reichlich finanzielle Sorgen. In einem unveröffentlichten Geschäftsbericht aus demselben Jahr ist von einer „bilanziellen Überschuldung“ und einem Jahresfehlbetrag von 28 Millionen Euro die Rede. Auch eine Razzia hatte es zu diesem Zeitpunkt bereits gegeben, weil Unister angeblich ohne Erlaubnis Versicherungen über seine Portale vertrieben hatte.

Kann nun Unister-Insolvenzverwalter Flöther von der Hanse Merkur Geld zurückfordern? Der Verdacht liegt nämlich nahe, dass Unister bereits einen Teil seiner Schulden beglichen hat. Im vorläufigen Insolvenzantrag tauchen nur Verbindlichkeiten von 34 Millionen Euro gegenüber der Hanse Merkur auf. Unter Umständen könnten die bisherigen Zahlungen angefochten werden und in die Insolvenzmasse zurückfließen. "Das gilt vor allem dann, wenn das Unternehmen de facto schon lange vor dem eigentlichen Insolvenzantrag in ernsten Schwierigkeiten war", erklärt Christoph Nering, Vorsitzender des Insolvenzverwalterverbands, dem Münchener Blatt.

Auch die Generali könnte Ansprüche gegen Hanse Merkur haben

Ärger für die Hanse Merkur droht darüber hinaus von einem Mitkonkurrenten, nämlich der Generali. Die Italiener sind Insolvenzversicherer für den Reiseportal-Anbieter und müssen nun die Reisekosten für unzählige Kunden erstatten, die einen Pauschalurlaub über insolvente Unister-Töchter abgeschlossen hatten. Die Kosten hierfür gehen in die Millionen. Auch die Generali dränge darauf, dass der Insolvenzverwalter die Ansprüche gegenüber dem Hauptgläubiger Hanse Merkur prüfe, berichtet die Süddeutsche.

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Freilich hat die Hanse Merkur vorgesorgt und sich für den Fall, dass Unister den Kredit nicht bedienen kann, Sicherheiten einräumen lassen. Unter anderem habe man sich die beiden wichtigsten Webadressen des Portalbetreibers reserviert, nämlich Ab-in-den-Urlaub.de und Fluege.de, berichtet die Süddeutsche aus Insiderkreisen. Die Hanse Merkur sei sogar bereit gewesen, 50 Prozent ihrer Reiseversicherungs-Tochter an Unister abzutreten, um Policen über die Reiseportale zu vertreiben. Auch eine üppige Verzinsung hatte sich die Hanse Merkur für ihren Kreditdeal gesichert, von zehn Prozent ist die Rede. Eine Stellungnahme zu Unister hatte die Hanse Merkur gegenüber Versicherungsbote verweigert.

Süddeutsche