Auch den Bausparkassen machen die Niedrigzinsen am Kapitalmarkt zu schaffen, so dass sie Probleme haben, Zusagen aus besseren Zeiten zu bedienen. Also setzen sie ihren Kunden die Pistole auf die Brust und versuchen seit einiger Zeit, Sparer mit gut verzinsten Verträgen loszuwerden. Laut Medienberichten wurden in den vergangenen Jahren insgesamt knapp 200.000 Kunden aus zuteilungsreifen Altverträgen geworfen. Von den Kündigungen waren unter anderem Kunden der BHW Bausparkasse, der Wüstenrot, der Schwäbisch Hall und der LBS Bayern.

Anzeige

Schwäbisch Hall hatte bereits 50.000 Verträge gekündigt

Allein der Branchenprimus kündigte zum 31. Dezember 2015 in etwa 50.000 Verträge. Betroffen waren im Vorjahr Verträge, die seit 10 Jahren oder länger zuteilungsreif sind, ohne dass die Kunden ein Bauspardarlehen in Anspruch nehmen würden.

Diese Strategie wolle die Bausparkasse auch in diesem Jahr fahren. Folglich werde es weiterhin Kündigungen von alten hochverzinsten Bausparverträgen geben. "Was möglich und zulässig ist, werden wir angesichts der Niedrigzinsen, die durch die Maßnahmen von der EZB quasi vorgegeben werden, nutzen müssen", sagte Klein gegenüber der "Welt am Sonntag". Dabei gehe es anno 2016 allerdings um sehr alte Verträge, verteidigt sich die Bausparkasse. So seien die Verträge, die gekündigt würden, im Durchschnitt 22 Jahre alt. Die jüngsten Bausparverträge datierten aus dem Jahr 2001; die meisten seien jedoch deutlich älter, heißt es in dem Blatt.

Ob die Kündigungen rechtens sind, ist umstritten. Die Bausparkassen argumentieren, man müsse das Kollektiv der Bausparer vor jenen Kunden schützen, die gar keinen Bausparkredit wollen, sondern ihr Konto nur fürs Sparen nutzen. Schließlich richte sich das Angebot an Häuslebauer. Eine Untersuchung der Bundesfinanzaufsicht BaFin hat jedoch gezeigt, dass die Bausparkassen auch hochverzinste Altverträge bedienen könnten, ohne dass es ihnen schaden würde. Demnach wären die Kündigungen nur ein Trick, um „teure“ Kunden loszuwerden.

Die Branche wähnt sich juristisch auf der sicheren Seite, nachdem 2014 das Landgericht Mainz die Sicht der Bausparkassen gestützt hatte. Im Streit um die Kündbarkeit eines Bausparvertrags durch die Unternehmen haben die Gerichte bislang überwiegend zugunsten der Bausparkassen geurteilt. Außerdem ging es dabei meistens um Verträge, deren Zuteilungsreife weniger als zehn Jahre zurückliegt. Was freilich noch aussteht, ist ein höchstrichterliches Urteil zu dem Vorgang.

OLG Stuttgart lässt Gang zum BGH zu

Eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof könnte bald folgen. Den Weg dafür machte das OLG Stuttgart frei. Im Rechtsstreit einer Bausparerin mit der Wüstenrot entschieden die Richter, dass eine Bausparkasse zehn Jahre nach Zuteilungsreife kein Kündigungsrecht hat. In der ersten Instanz vor dem Landgericht Stuttgart war die Kundin noch unterlegen. Nun steht in dem aktuellen Urteil des OLG (Az.: 9 U 171/15), dass der im Januar 2015 von Wüstenrot gekündigte Bausparvertrag unverändert weiterbesteht.

Die Wüstenrot hatte vor Gericht argumentiert, die Kundin nutze ihren Vertrag „rechtsmissbräuchlich“. Dem widersprach das OLG (Aktenzeichen 9 U 171/15). Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der jetzt entschiedenen Frage um die Kündbarkeit von Bausparverträgen durch die Bausparkasse hat das Oberlandesgericht Stuttgart die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Anzeige