Das Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) und die vom Gesetzgeber mit der Umsetzung dieses Gesetzes beauftragte Künstlersozialkasse (KSK) sorgen dafür, dass selbständige Künstler und Publizisten einen ähnlichen Schutz der gesetzlichen Sozialversicherung genießen wie Arbeitnehmer, heißt es auf der Website der Kasse. Den Angaben auf der Website zufolge sind derzeit rund 185.000 selbständige Künstler und Publizisten über die Künstlersozialversicherung als Pflichtversicherte in den Schutz der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung einbezogen. Dabei ist die Zahl der Versicherten in den letzten 20 Jahren immer weiter gestiegen (1995: 81.698 Versicherte).

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Unverhältnismäßig oder schnell und unbürokratisch?

30 Prozent der Einnahmen kommen aus der Wirtschaft. So müssen zum Beispiel Verlage, Theater oder Unternehmen, die für ihre Produkte werben, auf Honorare an Künstler, Texter oder Autoren zahlen. Der bürokratische Aufwand dafür sei allerdings unverhältnismäßig, kritisiert Volker Fasbender, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände gegenüber der "FAZ".

Aber auch dazu haben Social Networker andere Meinung: „Ich finde, im Gegensatz zu meinen Diskussionspartnern, die KSK relativ schnell und unbürokratisch und wundere mich über die Kritik,“ äußert hier eine andere Social Netzwerk-Nutzerin. Wichtig sei ihr vielmehr, diese Einrichtung ohne Mehrkosten für die Versicherten zu erhalten! Sie äußert in ihrer Befürchtung, dass, wenn die Sozialversicherungen für Künstler/Freie Journalisten nicht mehr vom Staat unterstützt werden wird, im Bereich Kultur dann gravierende Einschnitte zu befürchten seien. Neben den 50 Prozent, die durch die Beiträge der Versicherten stammen, finanziert sich die Kasse aus 20 Prozent Bundeszuschuss, was in 2015 186,89 Millionen Euro entsprochen hat.

Ein Euro Verwaltungsaufwand pro abgeführtem Euro?

Die Wirtschaft hält mit Zahlen zu ihrer Meinung nach unverhältnismäßigen Aufwand entgegen: Bei jedem Arbeitgeber fallen für jeden abgeführten Euro ein weiterer Euro Verwaltungskosten an, heißt es vom hessischen Unternehmerverband. Das koste die Wirtschaft rund 250 Millionen Euro im Jahr, ließ die Vereinigung die "FAZ" wissen. Der hessische Wirtschaftsvertreter Fasbender plädiere daher eher für die Abschaffung der KSK, sollte dem Gesetzgeber eine Minderung des Aufwandes nicht gelingen.

Viele Firmen weigerten sich bisher schlicht, Beiträge zur Künstlersozialkasse zu zahlen, wenn sie Kreative beauftragten. Die Große Koalition wusste sich nicht anders zu helfen und brachte im Juli 2014 das "Gesetz zur Stabilisierung des Künstlersozialabgabesatzes" auf den Weg. Es sieht strengere Kontrollen der Firmen durch die Rentenversicherung vor und auch eine strengere Nachweispflicht. Tatsächlich haben sich seitdem die Einnahmen der KSK stabilisiert, berichtet das Bundessozialministerium.

Richtig sei, so Stefan Hoehl von der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände e. V. dass durch höhere Einzahlungen der abgabepflichtigen Unternehmen die Künstlersozialabgabelast für jedes einzelne Unternehmen sinkt, eben durch einen sinkenden Abgabesatz (ceteris paribus, d.h. hier, wenn abgabpflichtiges Auftragsvolumen des einzelnen Unternehmens und die insgesamt von Verwertern und Eigenwerbern zu finanzierende Summe im Haushalt der Künstlersozialkasse sich nicht ändert).

Ist die Rede von den Kosten des Verwaltungsaufwands, d.h. im Wesentlichen der Personalkosten, meint man die Kosten, die entstehen, wenn die Unternehmen ihrer Pflicht zur Prüfung der Künstlersozialabgabe-Pflicht nachkommen. Insbesondere zählen dazu Kosten, die allen eigenwerbenden Unternehmen entstehen, etwa für die Gestaltung des Geschäftsberichts, einer Image-Broschüre oder der Website, so Hoehl in einer Erklärung gegenüber Versicherungsbote. „Zu prüfen ist, ob ein Künstler/Publizist im Sinne der KSVG beauftragt wurde (hierzu gibt es eine Vielzahl von Urteilen), ob eine bestimmte Rechtsform des rechnungsstellenden Unternehmens vorliegt (Einzelunternehmen, GbR) und ob die Künstlersozialabgabe deshalb nicht anfällt, weil der Auftrag nur gelegentlich erteilt wurde (d.h. die Rechnungen für abgabepflichtige Tatbestände im Kalenderjahr nicht 450,00 Euro übersteigen, oder alternativ, sofern es sich um Veranstaltungen handelt, wenn nicht mehr als drei Veranstaltungen im Jahr durchgeführt wurden)," erklärt der Geschäftsführer des Unternehmerverbandes weiter.

„Jeder dieser Tatbestände ist von jedem Unternehmen jedes Jahr zu prüfen und verursacht durch den Einsatz von Personal erhebliche Kosten. Auch wenn alle abgabpflichtigen Unternehmen die komplizierten Regeln des KSVG richtig angewandt haben und zahlen, bleibt es bei den völlig unverhältnismäßiegn Verwaltungsaufwand,“ macht er schließlich die Contra-KSK Einstellung seitens des hessischen Unternehmerverband deutlich.

Wie von Bundesministerin Andrea Nahles bei der Veranstaltung Zukunftswerkstatt Künstlersozialversicherung im Juni 2016 angekündigt, sinkt der Abgabesatz im Jahr 2017 von 5,2 Prozent auf 4,8 Prozent. Das stellt eine Entlastung für alle drei Parteien dar: Bund, Wirtschaft, Versicherungsnehmer. Die Künstlersozialabgabe-Verordnung 2017 wurde am 11. August 2016 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

Bruttowertschöpfung vergleichbar mit Automobilindustrie

Dass die Kultur- und Kreativwirtschaft auch volkswirtschaftlich bedeutend ist, darauf weist das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie auf seiner Webseite hin. "Ihr Beitrag zur volkswirtschaftlichen Gesamtleistung (Bruttowertschöpfung) in Deutschland betrug im Jahr 2014 schätzungsweise über 67,5 Milliarden Euro (2,3 Prozent). Damit ist sie vergleichbar mit den großen Industriesektoren Automobil, Maschinenbau, Chemie, oder der Finanzdienstleistungsbranche und der Energieversorgung", heißt es dort. Zum Vergleich: die Automobilindustrie erreicht eine Wertschöpfung von ca. 74 Milliarden Euro.

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Geprägt wird die Branche durch viele Klein- und Kleinstbetriebe, wie das Bundeswirtschaftsministerium weiter berichtet. Und das bedeutet: viele Künstler und Kreative müssten ihren Job aufgeben, wenn es die Künstlersozialkasse nicht mehr gäbe. Denn die Verdienstmöglichkeiten in der Branche stehen im krassen Gegensatz zu ihrer gesamtwirtschaftlichen Bedeutung. Der jährliche Durchschnittsverdienst der in der Künstlersozialkasse versicherten Mitglieder beträgt nach Angaben der Rentenversicherung aktuell 14.500 Euro.

www.spiegel.de, kuenstlersozialkasse.de