Ergo - Sozialplan liegt vor
Der Ergo-Konzern kappt 1.800 Vollzeitstellen. Es müssen aber mehr Leute gehen, da es sich bei den Betroffenen auch um Teilzeitkräfte und ganze Menschen handelt. Und damit das Ganze im vorgesehenen Zeitraum von 2017 bis 2019 sozialverträglich abgewickelt wird, dafür haben Unternehmen und Betriebsrat einen Sozialplan geschmiedet – unter anderem mit Texten wie zu Kaisers Zeiten. Demnach können dort Mitarbeiter Dinge „beantragen“ oder sie bekommen Ausgleiche und Zuschüsse „gewährt“. Der Versicherungsbote hat in die Verträge geschaut.
Ergo baut um und erst einmal ab. 1.800 „Mitarbeiterkapazitäten“, diese Wortwahl klingt mehr nach Maschinenersatz-Einheiten als nach Menschen, werden in den kommenden drei Jahren vom Personalkostenblock gestrichen. Zugleich pflegt der Konzern sein innerbetriebliches Image mit einem Sozialplan und einem Interessenausgleich. Allein diese innerbetrieblichen Verträge zwischen Unternehmen und Betriebsrat umfassen mehr als 120 Textseiten. Hinzu kommen ungezählte Anlagen. Dem Versicherungsboten liegt das PDF-/Papierwerk vor und berichtet über ausgewählte Maßnahmen des Konzerns.
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Von Kaisers Gnaden?
Ergo will am 1. Januar 2017 den Schalter umlegen und ab diesem Termin in einem Rutsch den Übergang in die neue Vertriebsstruktur umsetzen, der aus Personalsicht innerhalb von drei Jahren bis Ende 2019 abgeschlossen sein soll. Das bedeutet, dass die meisten Maßnahmen des Sozialausgleichs sich über diesen Zeitraum erstrecken.
Von Kaisers Gnaden? Das Wort „gewährt“ (und Variationen des Wortstamms) kommt im Sozialplan rund 50 Mal vor. Auch eigentlich im Text geregelte Rechte der Mitarbeiter müssen diese „beantragen“, etwa ihnen zustehende Zuschüsse für einen Umzug in eine andere Stadt. Oder auch eine Bahncard, selbst wenn aus Sachgründen sinnvoll, ist zu „beantragen“.
Aus drei Orgas mache eine – aus einem Maklervertrieb mache zwei
Die heutigen drei Vertriebsbereiche Stammvertrieb, die ehemalige S-Orga (Zielgruppe Selbstständige) und dem Ergo Pro (ex-HMI) werden ab 2017 zu einem Vertrieb namens Ergo AO, inklusive einer angepasster Vertriebs- und Flächenstruktur in den Regionen. Final bestehen große Standorten (Hamburg, Berlin, München, Köln und Düsseldorf) und 55 Regionaldirektionen, ferner zehn angegliederte Einheiten für den Seniorenvertrieb „55plus“.
Bezüglich Ergo Pro werden deren als Agenturen tätige in die Ergo AO eingemeindet. Mit dem Struktur-Vertriebsteil der Ergo Pro werde es mit Mutter Ergo „weiterhin eine verzahnte Zusammenarbeit“ geben. Ergos Maklervertrieb hingegen wird getrennt; aus einer Stelle werden zwei an Produkthauptsparten orientierte Bereich: Eine Einheit für Personenversicherung, die andere für Sachpolicen.
Sozialausgleich
Einkommenseinbußen angestellter Außendienstler, etwa wegen eines Wechsels des Arbeitsortes, werden für die folgenden drei Jahre dem Grunde nach ersetzt und der Höhe nach sofort abgeschmolzen. Finanzielle Nachteile für das Jahr 2017 werden diesen Vertrieblern zu 90 Prozent ausgeglichen, für 2018 und 2019 noch 80 Prozent des Einkommens „vor dem Wechsel“. Den Referenzbetrag ermittelt Ergo aus dem Einkommensdurchschnitt der Jahre von 2013 bis 2015, so steht es in den Verträgen des Hauses mit dem Betriebsrat geschrieben.
Es gibt zudem ein Fortbildungsangebot und Mobilitäts- und Umzugspakete, die sich grundsätzlich über die kommenden drei Kalenderjahre 2017 bis 2109 erstrecken. Altersteilzeit oder Vorruhestand kann der Konzern laut Sozialplan anbieten; das muss er aber ohnehin gesetzlich nicht. Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes bei denjenigen Mitarbeitern, die das Unternehmen verlassen, berechnet Ergo nach einer im Sozialplan festgelegten Formel, die Alter, Dienstjahre und Einkommen der Betroffenen berücksichtigt (es gibt Zuschläge für Eltern kleiner Kinder oder Behinderte, im Folgenden nicht berücksichtigt).
Abfindung - nicht überbieten!
Die Formel:
Abfindung = Summe (Lebensalter x Dienstjahre x Brutto-Monatsgehalt) geteilt durch 40.
Das Beispiel:
Eine 55-jährige Mitarbeiterin, die nach 30 Dienstjahren geht und die bisher im Monat 4.000 Euro brutto verdient, bekommt laut der Formal eine Abfindung von 165.000 Euro vor Steuern. Dieser Betrag entspricht knapp dreieinhalb Bruttojahresgehältern.
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Der Preis ist heiß, aber wie in der alten TV-Quizsendung heißt sozusagen nicht überbieten: Hätte die hier betroffene Frau ein paar Dienstjahre mehr oder 1.000 Euro mehr Bruttogehalt, dann fällt der Ergo-Deckel auf die Abfindung. Das Unternehmen zahlt maximal 200.000 Euro Abschiedsgeld.