Finanztest testet Hausratversicherungen - mit Lücken
Finanztest: Schon wieder ein Test mit Mängeln - oder nur ein Schönheitsfehler? Die Zeitschrift "Finanztest" kürt "die besten Hausratversicherungen". Allerdings fließt mit dem "Verzicht auf Einrede grober Fahrlässigkeit" mindestens eine wichtige Leistung nicht in die Wertung ein.
Die Zeitschrift Finanztest hat für ihr Heft 10/2016 erneut Hausratversicherungen unter die Lupe genommen. Und damit die Kritik der Branche auf sich gezogen. Insgesamt 108 Tarife von 52 Anbietern flossen in die Untersuchung ein. Dabei betonten die Verbraucher die zunehmende Wichtigkeit einer solchen Police, „weil Einbrüche und Starkregen zunehmen“.
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Große Preisunterschiede zwischen Tarifen
Grundsätzlich konstatierte Finanztest einen großen Preisunterschied zwischen den Tarifen: mehrere 100 Euro Jahresprämie lagen zwischen einem teuren und einen billigen Schutz. Doch bereits bei der Testmethode hinsichtlich des Preises zeigten sich fragwürdige Entscheidungen.
Für den Produktvergleich wurde nämlich ein „Standardschutz“ definiert, wie das Versicherungsjournal berichtet, und dieser als ausreichend betrachtet. Zusatzleistungen der oft teureren Top-, Premium- oder Exklusiv-Tarife wurden demgegenüber für verzichtbar erklärt, zumindest für einzelne Zielgruppen. Explizit spricht Finanztest von "unnötigen Extra-Leistungen".
Der Standardschutz nach Interpretation von Finanztest beinhaltet „die Absicherung der Risiken Brand, Blitzschlag, Explosion, Implosion […] sowie die Leistungen nach Einbruchdiebstahl und Vandalismus, Raub, Hagel und Sturm ab Windstärke acht sowie Leitungswasserschäden“. Hinzu gesellen sich die Absicherung von Überspannungsschäden mit mindestens 10 Prozent der Versicherungssumme, der Verlust von Wertsachen mit mindestens 20 Prozent sowie der einfache Diebstahl von Fahrrädern bis mindestens 1.000 Euro.
Für zwei Wohnorte, einem teuren und billigen Versicherungsort, wurden nun anhand eines Modellkunden die Tarife getestet:
- als ein sehr günstiger Versicherungsort mit geringem Einbruchsrisiko in Zürs-Zone 1 wurde die Postleitzahl 80804 München gewählt.
- Als teurer Ort mit hohem Einbruch-Risiko und Zürs-Zone 2 wurde 50999 Köln festgelegt.
Testkunde war ein 45-jähriger Angestellter mit 100-Quadratmeter-Eigentumswohnung im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses der Bauartklasse I, für den ein Neuvertrag mit einjähriger Laufzeit und jährlicher Zahlungsweise gesucht wurde. Der Tarif sollte einen Unterversicherungs-Verzicht beinhalten, Vorschäden lagen nicht vor.
Ammerländer triumphiert mit Basistarif - ohne Verzicht auf "Einrede grober Fahrlässigkeit"
Für den Testort München bot dann die Ammerländer Versicherung mit 64 Euro Jahresbeitrag den günstigsten Schutz aller Tarife, die die Mindestanforderungen erfüllen konnten. Die teuerste Absicherung kostete mit 313 Euro fast fünfmal so viel und kam von der Bayerischen Hausbesitzer-Versicherung. Doch hier zeigen sich bereits die Probleme des Finanztest-Tarifvergleichs. Bei dem Schutz der Ammerländer nämlich handelt es sich um einen Basistarif - der weit teurere Schutz der BHVG bot hingegen eine "Plus"-Absicherung mit weit umfangreicherem Leistungsangebot.
Sind die Zusatzleistungen wirklich vernachlässigbar, die Finanztest in seinem Rating unterschlägt? Das Versicherungsjournal nennt ein extremes Beispiel: nicht bei der Bewertung berücksichtigt wurde die Einrede grober Fahrlässigkeit. Zwar weist Finanztest in seiner tabellarischen Übersicht aus, ob und in welchem Umfang ein Tarif grobe Fahrlässigkeit berücksichtigt (in den fünf Abstufungen: keine Leistung; bis 7.000 Euro; 9.750 bis 20.000 Euro; 21.000 bis 35.000; ab 50.000 Euro). Unter "Extras" wird die Leistung auch erklärt. Doch bei der Bewertung der Tarife spielte diese Leistung keine Rolle.
So wundert es kaum, dass der gelobte Hausrat-Tarif der Ammerländer bei grob fahrlässig herbeigeführten Schäden überhaupt keine Leistung vorsieht. Schon kleine Unaufmerksamkeiten des Versicherten können dann dazu führen, dass der Anbieter seine Leistung stark kürzt. Negativ fällt zum Beispiel ins Gewicht, wenn man das Fenster beim Verlassen der Erdgeschoss-Wohnung angekippt lässt, obwohl teurer Schmuck im Wohnzimmer liegt. Oder ein Versicherter lässt die Waschmaschine an, während er die Wohnung verlässt - bei seiner Rückkehr steht das Wohnzimmer unter Wasser. Schließt man nicht auch für solche Missgeschicke eine Hausrat-Police ab?
Auch andere Bausteine, die für Kunden wichtig sein können, werden zwar vorgestellt, aber im Test selbst nicht berücksichtigt. Beispiel "Außenversicherung". Ist diese Leistung vereinbart, dann zahlt die Versicherung für Diebstahl-Schäden, wenn im Ausland in ein verschlossenes Hotel-Zimmer oder in eine Ferienwohnung eingebrochen wird. Unnötige Extra-Leistung? Es bleibt das Geheimnis der Tester, weshalb sie bestimmte Tarifmerkmale für unverzichtbar hielten, andere wiederum nicht.
Ein grundsätzliches Manko solcher Tarifvergleiche zeigt sich auch hier: untersucht werden vor allem die Bedingungswerke der Versicherer. Andere wichtige Leistungsmerkmale, etwa der Service, die Dauer der Schadenbearbeitung, die Zahlungsbereitschaft des Versicherers und die Zufriedenheit der Kunden sind in der Regel nicht Gegenstand der Tests, würden auch einen weit größeren Erhebungs-Aufwand erfordern.
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Ammerländer und GVV Privat als Testsieger
Für die sicherere Wohngegend in München konnte sich die Ammerländer (Basis-Tarif) vor der Docura (Smart) und der NV (HausratSpar) durchsetzen. Bei der Wohngegend in Köln, die stärker vom Einbruch bedroht ist, triumphiert die GVV-Privat (Basis) vor der Docura (Smart) und der WGV (Basis).