SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach. © Foto: SPD Parteivorstand / Susie Knoll / Florian JaenickeKommt die Bürgerversicherung, dann würden in der privaten Krankenversicherung massiv Stellen abgebaut: mit dieser Prognose sorgte in der letzten Woche die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung für Aufhorchen (der Versicherungsbote berichtete). Bis zu 51.000 Stellen seien bedroht, da die Privatversicher PKV-Mitarbeiter vor die Tür setzen würden, so heißt das Fazit der Studie "Transformationsmodelle einer Bürgerversicherung". Doch dieser Einschätzung widerspricht nun Karl Lauterbach, SPD-Gesundheitsexperte und ein Befürworter der Bürgerversicherung.

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„Auch die privaten Krankenkassen könnten in unserem Modell die Bürgerversicherung anbieten. Da gingen überhaupt keine Jobs verloren“, sagte Lauterbach am Wochenende der „Neuen Passauer Presse“. Und der Mediziner versuchte sogar, einem möglichen Wegfall von Stellen im Innendienst etwas positives abzugewinnen. Wenn es nämlich gelingen würde, „in der Verwaltung ein paar tausend Stellen abzubauen, könnten 10.000 bis 20.000 Pflegerinnen und Pfleger zusätzlich eingestellt werden.“ Grundsätzlich werde aber im Gesundheitssystem jeder Arbeitsplatz benötigt – schon, weil die Gesellschaft weiter altert.

40.000 von 68.000 PKV-Beschäftigten allein im Vertrieb

2014 haben sich laut Böckler-Studie 68.000 Beschäftigte in der Privaten Krankenversicherung (PKV) um rund neun Millionen Versicherte gekümmert. Zum Vergleich: die Techniker Krankenkasse, mit zehn Millionen Mitgliedern größte gesetzliche Krankenversicherung, hat nur 14.000 Mitarbeiter. Grund für die höhere Zahl der Mitarbeiter in der PKV seien die unterschiedlichen Erstattungssysteme und Vertragsbedingungen, argumentiert die Böckler-Stiftung: so kümmert sich in der gesetzlichen Krankenversicherung im Schnitt ein Mitarbeiter um 502 Versicherte, in der Privatversicherung um 208 Versicherte.

Doch eine weitere Zahl lässt aufhorchen: die Böckler-Stiftung rechnet den 68.000 Beschäftigten im System der privaten Krankenversicherung allein 40.000 Menschen zu, die im Vertrieb tätig sind, darunter auch Versicherungsvertreter. Einen besseren Betreuungsschlüssel für Privatpatienten bedeutet die höhere Zahl der PKV-Mitarbeiter also nicht automatisch. Im Vertrieb könnten im schlimmsten Szenario bis zu 40 Prozent der Arbeitsplätze wegfallen, argumentiert die Stiftung.

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Grüne und Linke wollen mit der Einführung einer Bürgerversicherung die vermeintliche Zwei-Klassen-Medizin abschaffen, etwa längere Wartezeiten für Kassenpatienten beim Facharzt. Die Abschaffung der PKV als Vollversicherung sei ein Schritt hin zu mehr Versorgungsgerechtigkeit, argumentiert etwa Die Linke in einem Antrag im Bundestag. Daher fordert sie, alle in Deutschland lebenden Menschen ab einem bestimmten Stichtag in der Gesetzlichen Krankenkasse zu versichern. Die PKV solle sich auf Zusatzversicherungen beschränken - und zwar für medizinisch nicht notwendige Leistungen.

Laut Karl Lauterbach will nun auch die SPD wieder über die Einführung einer Bürgerversicherung debattieren, um mit der Forderung eventuell in den Bundestagswahlkampf zu ziehen: kein Thema sei aktuell bei den SPD-Mitgliedern so beliebt.

Passauer Neue Presse / Hans-Böckler-Stiftung