Wenn die Manager der S&K-Gruppe sich für Fotos ablichten ließen, dann posierten sie gerne vor teuren Sportwagen oder auf ausschweifenden Partys. Doch der luxuriöse Lebenswandel schien teuer erkauft, wenn auch nicht auf eigene Kosten. Die Firmengründer Jonas K. und Stephan S. stehen neben weiteren Verdächtigen vor Gericht, die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main wirft ihnen Anlagebetrug vor. Sie sollen mit einem Schneeballsystem die Anleger getäuscht haben – der Schaden wird auf bis zu 200 Millionen Euro beziffert.

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TÜV Süd im Zwielicht

Im S&K-Skandal gerät nun der TÜV Süd erneut ins Zwielicht. Die S&K-Gruppe hatte mit Bescheinigungen des TÜV für die angebliche Sicherheit geschlossener Fonds geworben (der Versicherungsbote berichtete). Der gute Ruf der Tester trug dazu bei, dass viele Kunden ihr Geld den vermeintlichen Betrügern anvertraut haben. Eine Recherche der Wirtschaftswoche nährt nun den Verdacht, dass der TÜV schon zeitig von Unregelmäßigkeiten beim Finanzdienstleister wusste. Und trotzdem nicht aktiv wurde.

Unter anderem bestätigten die Prüfer des TÜV, dass die S&K-Gruppe zwischen Januar 2006 und Mai 2011 Immobilien im Wert von 228 Millionen Euro erworben habe. Laut den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft war das nicht der Fall. Stattdessen sollen die Manager einen Teil der Kundengelder für ihren Luxus-Lebenswandel ausgegeben haben. „Der derzeitige Immobilienbestand der S&K-Gruppe hat einen Verkehrswert von 101 Millionen Euro“, heißt es in einem TÜV-Schreiben weiter. Diese Bescheinigungen erweckten den Eindruck, das Unternehmen sei von unabhängiger Stelle geprüft worden.

Bereits im Sommer 2015 hat sich der TÜV zu den Vorwürfen positioniert, die Prüfer hätten der S&K-Gruppe eine Seriosität bescheinigt, den das Unternehmen nicht hatte. Eine Sprecherin sagte damals: „Es gibt kein Zertifikat oder Prüfzeichen, das kommunikativ hätte verwendet werden dürfen. Wir haben weder die S&K-Unternehmensgruppe als Ganzes, noch das Geschäftskonzept, noch einzelne Produkte beziehungsweise Dienstleistungen dieser Gruppe zertifiziert“, so die TÜV-Sprecherin. „Mitarbeiter unseres Unternehmens haben lediglich im Rahmen eines internen Audits die Immobilienan- und Immobilienverkäufe auf Grundlage vorliegender Dokumente erfasst.“

Die Prüfer prüften "so dünn, dass es fast peinlich ist"

Doch statt die Immobilienkäufe der S&K-Gruppe genau unter die Lupe zu nehmen, so berichtet nun die Wirtschaftswoche, stützte sich der TÜV lediglich auf Unterlagen von S&K. Diese seien „auftragsgemäß“ nicht auf ihre Richtigkeit hin untersucht worden. Mit anderen Worten: der TÜV verließ sich auf die vorgelegten Zahlen des mittlerweile insolventen Finanzdienstleisters und prüfte nicht, ob die Angaben auch tatsächlich korrekt waren. Interne Mails zeigen nun, dass TÜV-Mitarbeiter um die Konsequenz ihrer schlampigen Prüftätigkeit wussten.

Bereits neun Monate vor der ersten Razzia gegen die S&K-Gruppe habe eine Führungskraft des TÜV die Qualität der Prüfung bemängelt. Der Mann bezeichnete die Prüfung als „so dünn, dass es fast peinlich ist“, schrieb er in einer Mail an Kollegen. Und auch ein anderer Mitarbeiter äußerte sich kritisch: „Wir laufen Gefahr, dass Anleger auf TÜV SÜD vertrauen und uns am Ende verantwortlich machen, wenn der geschlossene Immobilienfonds Probleme hat!“.

Klagen von Anlegern gegen TÜV bisher erstinstanzlich abgewiesen

Dass die TÜV-Prüfer kein offizielles Prüfsiegel ausstellten, sondern "nur" ein internes Audit vorlegten, schützte sie bisher vor Schadensersatzansprüchen der Kunden. Tatsächlich hatten mehrere Anleger den TÜV verklagt, berichtete der NDR im Sommer 2015 - diese Klagen seien aber "erstinstanzlich abgewiesen worden". Mit den neuen Erkenntnissen könnte der TÜV nun in Erklärungsnot geraten, vermutet die Wirtschaftswoche - stets habe man betont, bei der Prüfung keinerlei Fehler gemacht zu haben.

Grundsätzlich stellt sich die Frage: Wer testet und kontrolliert eigentlich die Tester des TÜV? Mit seinen Testsiegeln verdient das Unternehmen gutes Geld, der Stempel "TÜV-geprüft" adelt jedes Produkt. Doch schon im Skandal um minderwertige Brust-Implantate des Herstellers PIP wurden Zweifel an der Qualität der Tests laut.

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Die Brust-Implantate waren mit billigem Industrie-Gel befüllt, so dass sie platzen und schwere gesundheitliche Schädigungen verursachen konnten. Zehntausende Frauen in ganz Europa mussten erneut unter das Messer und sich die minderwertigen Einlagen entfernen lassen. Aber der Hersteller konnte sich auf ein Testsiegel des TÜV Rheinland berufen. Angeblich habe man nicht die Qualität der Medizinprodukte getestet, sondern nur, ob das interne Kontrollsystem des Medizin-Herstellers funktioniere, so verteidigte sich der TÜV gegen Vorwürfe. Aber was taugt eine Qualitätskontrolle, die nicht einmal ausschließen kann, dass medizinische Produkte gesundheitsgefährdend sind?

Wirtschaftswoche