Eiopa-Stresstest - Zusatzreserven saugen Lebensversicherer aus
Die EU-Aufsicht Eiopa für die Versicherer hat mit einem neuerlichen Stresstest simuliert, ob die Unternehmen über genug Kapital verfügen, wenn die derzeit flachen Zinsen flach bleiben. Und zusätzlich, was passiert, wenn die Werte ihrer Kapitalanlagen sinken. Vor allem stehen die deutschen Lebensversicherer schlecht da, obwohl der Branchenverband GDV „unwahrscheinliche“ Annahmen der Eiopa moniert. Merke: In zehn Jahren könnten 225 Milliarden Euro Zusatzreserve die Lebensversicherer(-Kunden) aussaugen.
An dem Stresstest der Eiopa, und das ist aus deutscher Sicht einer der wichtigsten Punkte, nahmen auch 20 deutsche Lebensversicherer teil, deren Rückstellungen, also das Geld der sparenden Kunden bei den Unternehmen, rund drei Viertel des deutschen Markts abdecken. Bleiben die Zinsen an den Kapitalmärkten niedrig, dann erreichen die deutschen Lebensversicherer eine Solvenz-Quote von 270 Prozent, decken beim geforderten Kapital also das 2,7-fache des Eiopa-Test-Solls. Im EU-Schnitt maß die Eiopa den Lebensversicherern nur knapp 200 Prozent Solvenz zu.
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200 Prozent Quote – mit Krücken möglich
Zwar richtete sich der Eiopa-Stress vor allem auf einen finanziellen Fitness-Check der gesamten LV-Branche auf europäischer Ebene. Aber was hier vordergründig theoretisch anmuten mag, basiert dennoch konkret auf den verschärften Regeln der Eigenkapital-Richtline Solvency II. Und diesem Aufsichtsregime ist jeder einzelne Lebensversicherer tatsächlich unterworfen, und wird daran von der Finanzaufsicht, in Deutschland von der BaFin, gemessen.
Für das Basisszenario (anhaltend niedrige Zinsen) des Eiopa-Stresstests galten die gleichen Annahmen wie für die Eröffnungsbilanz unter Solvency II, schreibt die BaFin an diesem Freitag zu den Ergebnissen des Stresstests. Und da die Zinsen schon heute niedrig sind und die Versicherer Schonfristen samt höherer Zinsannahmen eingeräumt bekommen, stimmt das europäische 200-Prozent-Ergebnis nur mit Einrechnung dieser so genannten Übergangsmaßnahmen, vulgo: bilanziellen Krücken.
EU-Grüner Giegold: Viele Versicherer „Land unter“
Ohne „Schongang“ bei Solvency II schaffen die deutschen Lebensversicherer statt 270 nur noch 145 Prozent Solvenz-Quote; den EU-Schnitt gibt die Eiopa mit 136 Prozent an. Weiter und auf alle gemessenen Versicherer in Europa bezogen, fehlten den Versicherern bei weiter andauerndem Niedrigzins EU-weit rund 100 Milliarden Euro. Bei dem so genannten Double-Hit-Szenario (flacher Zins und gleichzeitig fallende Vermögenswerte der Kapitalanlagen) klaffte eine Lücke von 157 Milliarden Euro in den Bilanzen aller von der Eiopa getesteten Versicherer.
Drei der von der Eiopa gestressten Versicherer reißen die Latte der EU-Aufsicht und kommen auf Solvenzquoten von weniger als 100 Prozent ihres Solls. Diese drei Testversager bezeichnet der grüne Europapolitiker und Finanzexperte Sven Giegold als "Zombie-Versicherer“. Und für „viele weitere Versicherer“, wäre „Land unter“, schreibt Gieggold, wenn die Eiopa mit ihren Schonmaßnahmen „nicht so übermäßig optimistisch wäre“. Einzelwerte der getesteten oder gar die Namen der drei Durchfaller im Europa-Test nennt die Eiopa nicht – übrigens abweichend vom EU-Banken-Stresstest.
GDV: Null-Wachstum „für die nächsten 100 Jahre“?
Der Versichererverband GDV kritisiert unterdessen die Aussagekraft des Eiopa-Stresstests als gering, da die angewendeten Szenarien „auf sehr unwahrscheinlichen Annahmen beruhen“, etwa „ein Null-Wirtschaftswachstum unterstellt – für die nächsten 100 Jahre“. So plakatiert es die oberste Versichererlobby an diesem Freitag verbal auf ihrer Internetseite. Und unterschlägt, dass die Eiopa keine(!) „100 Jahre“, sondern Zins- und Wertverlust-Szenarien der kommenden 12 Monate simuliert, die die gestressten Versicherer in 99,5 Prozent der denkbaren Fälle stemmen können sollen.
Betrachten wir statt 100 Jahren die kommenden knapp zehn Jahre. Stimmen die Angaben des Analyse-Hauses Assekurata, dann hatten die deutschen Lebensversicherer im Jahr 2015 bereits 32 Milliarden Euro Zinszusatzreserve reserviert, mit denen sie ihre Garantie-Zusagen päppeln müssen. In diesem Jahr könnte der Betrag gar auf 46 Milliarden steigen. Weitaus Schlimmeres meldeten Assekuratas Mathematiker im Juni diese Jahres (PDF-Datei) zur Zukunft der Lebensversicherer:
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Assekurata: In zehn Jahren 225 Milliarden Euro
„Bei einem anhaltenden kontinuierlichen Absacken des Bezugszinses wären die Unternehmen im Jahr 2021 gezwungen, auch bereits für die Verträge der kommenden Rechnungszins-Generation von 0,90 % bilanziell vorzusorgen, und 2025 wäre die erforderliche Zinszusatzreserve (Anm. D. Red.: deutschland-)marktweit auf rund 225 Mrd. € angewachsen. Die Reservierungs-Anforderungen in dieser Höhe würden die Branche massiv belasten und auf breiter Linie zu Finanzierungsengpässen führen.“ Weswegen die Eiopa Stresstests macht.