Insolvenzgläubiger müssen im Normalfall Ihre Forderungen zur Tabelle anmelden und können damit sogleich bis zu mehr als 90 Prozent abschreiben. Die Quote liegt oft knapp oberhalb von Null. Gleichwohl gibt es zahlreiche Ausnahmen, wie man trotz Insolvenz des Schuldners doch noch zu seinem Geld kommt.

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Unterhaltsschulden und vorsätzliche unerlaubte Handlungen

Dr. Johannes Fiala, RA (München), RB, VB, MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), Geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), Bankkaufmann © Dr. Johannes FialaWeder für rückständige Unterhaltsschulden, noch bei zur Insolvenztabelle festgestellten Schulden wegen unerlaubter Handlungen gibt es durch die Privatinsolvenz eine Restschuldbefreiung nach § 302 der Insolvenzordnung (InsO). Auch Zwangsgelder, Geldbußen und Geldstrafen fallen darunter. Dies ist beispielsweise bei zu Unrecht bezogenem Arbeitslosengeld, nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträgen, oder beim Eingehungsbetrug der Fall. Eine weitere Variante ist die Verurteilung wegen hinterzogener Steuern. Der Schuldner könnte bei fraglicher unerlaubter Handlung allerdings Widerspruch einlegen – zunächst ohne Begründungszwang. Der Gläubiger müsste hernach erst einmal klagen.

Geschäftsleiter eines Unternehmens werden vom Insolvenzverwalter und Gläubigern regelmäßig persönlich in Anspruch genommen, so daß es häufig zur privaten Folgeinsolvenz kommen wird. Dabei steht insbesondere der Vorwurf der Insolvenzverschleppung im Raum; also eine Straftat.

100 Prozent Quote im Haftpflicht-Versicherungsrecht

Wird vom Insolvenzschuldner ein Schadensersatz geschuldet, für den Deckung aus einer Haftpflichtversicherung im Sinne von § 100 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) besteht, kann vom Gläubiger nach Insolvenzeröffnung eine abgesonderte Befriedigung verlangt werden, § 110 VVG. Den Erlös aus der Verwertung des Freistellungsanspruchs gegenüber dem Versicherer erhält dann der geschädigte Gläubiger. Ist die Versicherungsdeckung zu gering oder besteht etwa wegen Vorsatzes des Schuldners keine Leistungspflicht nach § 103 VVG, wäre die Forderung insoweit zur Tabelle anzumelden.

Für die abgesonderte Befriedigung bedarf es einer bindenden Feststellung nach § 106 VVG. Dies kann vor Insolvenzeröffnung durch Gerichtsurteil erfolgen - jederzeit auch durch (gegebenenfalls notarielles) Schuldanerkenntnis, aber auch durch widerspruchslose Anmeldung zur Insolvenztabelle. Sind Haftpflichtanspruch und Absonderungsrecht nach Prüfung durch den Insolvenzverwalter festgestellt, so verwandelt sich der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch gegenüber dem Versicherer, mit direktem Einziehungsrecht des Geschädigten, analog zu § 1282 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Zur Beschleunigung kann der Geschädigte die abgesonderte Befriedigung durch Zahlungsklage gegen den Insolvenzverwalter geltend machen, der Höhe nach beschränkt auf die Deckungssumme. Ein obsiegendes (Haftpflicht-)Urteil führt die Fälligkeit der Versicherungsdeckung herbei. Bestreitet der Versicherer seine Deckungspflicht, muß der Geschädigte noch Deckungsklage gegen die Haftpflichtversicherung erheben – und vorsorglich seine Ansprüche auch zur Tabelle beim Insolvenzverwalter anmelden.

Besonderer Gläubigerschutz bei Pflichtversicherungen

Handelt es sich um eine Pflichtversicherung, so kann der Geschädigte vom Versicherer die Versicherungsleistung direkt verlangen, eingeschlossen eigener Direktklage, §§ 113 ff. VVG. Gesetzlich pflichtversichert sind beispielsweise Versicherungsmakler und Steuerberater. Dem Risikoträger stehen wiederum alle üblichen Einwendungen zu. Den Direktanspruch des Geschädigten gibt es bei Insolvenzeröffnung, bei Ablehnung mangels Masse sowie wenn der Schädiger nicht auffindbar ist, § 115 InsO.

Ein Direktanspruch kann auch vertraglich durch (rechtzeitige) Abtretung des Freistellungsanspruches gegenüber dem Versicherer entstehen, § 108 InsO. Eine Zession „für den Fall der Insolvenz“ oder kurz vor der Insolvenz wäre jedoch nichtig oder meist anfechtbar, § 133 I InsO.

Gebilligte Existenzvernichtung des Geschäftsleiters durch Insolvenzverwalter

Der Insolvenzverwalter ist nicht verpflichtet eine Managerhaftpflicht-Versicherung zu Gunsten der Geschäftsleiter – mit Bezahlung durch die Insolvenzmasse - aufrecht zu erhalten (BGH, Beschluß vom 14.04.2016, Az. IX ZR 161/15). Dies könnte nur dann anders sein, wenn der frühere Geschäftsleiter absehbar finanziell nicht leistungsfähig ist.

Wenn die Managerversicherung nach dem dort häufig anzutreffenden Prinzip der Anspruchserhebung (Claims-Made) ausgestaltet ist, wäre jede Forderungserhebung durch den Insolvenzverwalter gegenüber dem Geschäftsleiter nach Beendigung der D&O-Versicherung nicht mehr gedeckt. Manche Versicherungsbedingungen sehen das Ende der Managerversicherung bei Insolvenz bereits vertraglich vor, also ganz ohne Kündigung des Insolvenzverwalters zur Schonung seiner Masse. Damit sind Pflichtverstöße vor Insolvenz überwiegend nicht versichert – hilfsweise greifen dann Regressansprüche gegenüber Versicherungsmaklern wegen derartiger Deckungslücken, welche der Geschäftsleiter bzw. Manager vergeblich in der Makler-Beratungsdokumentation suchen wird.

Mancher Ex-Geschäftsführer oder -Vorstand war überrascht, daß bei einer Schadensmeldung nach Insolvenz der (Vermögenschaden-)Rechtsschutz des Unternehmens bereits nicht mehr existierte.

Mitversicherung – die Versicherung für fremde Rechnung

Diplom-Mathematiker Peter A. Schramm ist Sachverständiger für Versicherungsmathematik (Diethardt) und Aktuar DAV. Wird etwa ein Geschäftsleiter in der Firmenrechtsschutzversicherung (RSV) mitversichert, so steht das materielle Recht auf die Versicherungsleistung der versicherten Person (VP) laut § 44 I VVG zu. Hingegen ist der Versicherungsnehmer (VN) formell verfügungs- und klagebefugt, so sieht es § 45 I des VVG vor – er kann der VP jedoch eine entsprechende Genehmigung erteilen oder den Versicherungsschein übergeben, womit die VP neben dem VN verfügungsbefugt wird.

Damit trägt der mitversicherte Ex-Geschäftsleiter bei Insolvenz des Unternehmens das Prozeßkostenrisiko, wenn er den Insolvenzverwalter wegen RSV-Leistungen verklagen müßte. Denn die RSV-Deckung „in ursächlichem Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren“ ist laut § 3 III c der Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen (ARB) ausgeschlossen.

Erfolgt eine RSV-Zahlung an den Versicherungsnehmer (bzw. Insolvenzverwalter, § 80 InsO), so ist dieses Geld an die VP auszukehren, denn der VN erhält es als Treuhänder. Die VP ist zur Aussonderung bzw. Ersatzaussonderung berechtigt, §§ 47, 48 S.2 InsO. Entsprechendes gilt bei der Wohngebäudeversicherung, wenn eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) als VN insbesondere das Sondereigentum mitversichert (BGH, Urteil vom 16.09.2016, Az. V ZR 29/16).

Der Anspruch gegen die Rechtsschutzversicherung richtet sich auf Freistellung – mithin die direkte Bezahlung des Rechtsbeistandes. Eine etwaige Zahlung an den VN hat damit keine Erfüllungswirkung (BGH, Urteil vom 16.07.2014, Az. IV ZR 88/13).

Erst wenn die Bezahlung des Rechtsanwalts bereits erfolgt ist, verwandelt sich der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch gegen die RSV. Hat der VN bezahlt (§§ 670, 812 I 1 BGB), kann er gegenüber der VP mit der erhalten Zahlung der RSV an ihn aufrechnen. Hat die VP bezahlt, wird der VN (bzw. InsO-Verwalter) das Geld von der RSV an die VP weiterleiten müssen. Umgekehrt gehen etwaige (Kosten-)Erstattungsansprüche gegen Dritte auf den VN über, § 86 VVG.

Mitversicherung in der Form einer Managerhaftpflicht

Auch die D&O-Versicherung ist eine solche für fremde Rechnung. Allerdings ist in der Managerhaftpflicht ausschließlich die VP verfügungsbefugt, Nr.10.1 AVB. Der D&O-Versicherer muß jedoch nur leisten, wenn der Versicherte ernstlich in Anspruch genommen wird, wofür ein ausführlich begründetes Anwaltsschreiben bereits ausreicht (BGH, Urteil vom 13.4.2016, Az. IV ZR 304/13). Die VP darf ihren Freistellungsanspruch an den geschädigten VN abtreten, womit sich dieser in einen Zahlungsanspruch umwandelt, § 108 VVG. Dies wäre auch antizipiert denkbar, beispielsweise unter der aufschiebenden Bedingung ernsthafter Inanspruchnahme, jedoch mit der Folge dass die (Firmen-) RSV sich erst einmal darauf berufen wird, nicht für abgetretene Ansprüche leisten zu wollen: Dies läßt sich jedoch zumindest im Vorfeld über einen Side-Letter zu den ARB klarstellen. Der Versicherer wäre nur dann Leistungsfrei, sofern ein Mißbrauch erkennbar ist, etwa „wenn der Schadensersatzanspruch, dessen sich die Klägerin [VN] berühmt, in Wahrheit nicht oder nicht in der behaupteten Höhe entstanden und dies der Klägerin und dem Versicherten bewusst wäre“ (BGH, a.a.O.).

Private Krankenversicherung (PKV) ist kein insolvenzfreies Vermögen

Ansprüche auf PKV-Versicherungsprämien vor Verfahrenseröffnung sind normale Insolvenzforderungen, §§ 38 f. InsO (BGH, Urteil vom 07.04.2016, Az. IX ZR 145/15).

„Es kommt weder auf § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO noch auf § 850e Nr. 1 Satz 2 lit. b ZPO an. Denn diese Vorschriften betreffen die Pfändbarkeit von Ansprüchen des Schuldners“, stellt der BGH fest. Damit sind nur die Leistungen der PKV an den VN weitgehend vor Pfändung geschützt.

Verfolgt die PKV ihre Prämienansprüche monatelang, auch gerichtlich mit anschließender Ratenzahlungsvereinbarung, sind Zahlungen des Schuldners wegen erkannter Zahlungseinstellung anfechtbar, § 133 InsO (BGH, Urteil vom 25.02.2016, Az. IX ZR 109/15). Die Nichtzahlung oder Anfechtung des Insolvenzverwalters beseitigt jedoch bei Vollversicherungen nicht den PKV-Vertrag, sondern führt allenfalls zur Umstellung in den Notlagentarif, § 193 VII VVG. Gerne wird dieser auch vorher schon zur deutlichen Beitragsersparnis gewählt, denn im Gegensatz zu einem Tarifwechsel in leistungsschwächere Tarife kann jederzeit durch schlichte Nachzahlung offener Beitragsrückstände der vorherige Versicherungsschutz zeitnah wieder hergestellt werden.

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Wirksam kann der insolvente VN die Prämien von einem P-Konto überweisen, § 850k ZPO, oder als Bargeschäft entrichten, § 142 InsO.