Der Negativzins an den Kapitalmärkten macht nicht nur den Privatversicherern das Leben schwer, sondern auch der gesetzlichen Sozialversicherung. Der Gesundheitsfonds der Krankenkassen musste im Jahr 2016 bereits 5,1 Millionen Euro Strafzins an Banken zahlen. Das berichtet die Süddeutsche Zeitung am Donnerstag und beruft sich auf Zahlen des Bundesversicherungsamtes. Im Jahr zuvor waren es noch 1,8 Millionen Euro gewesen, die allein für die Verwahrung der eingesammelten Kassen-Beiträge verloren gingen: ein Anstieg um satte 183, 3 Prozent!

Anzeige

Gesundheitsfonds legt bis zu neun Milliarden Euro zurück

Hintergrund ist die derzeitige Niedrigzins-Politik der europäischen Zentralbank (EZB). Wenn ein Finanzinstitut dort sein Geld parken will, muss es seit Juni 2014 einen „Strafzins“ von derzeit 0,4 Prozent zahlen. So will die Zentralbank private Geldinstitute dazu zwingen, Kredite an Unternehmer zu vergeben und so die Konjunktur anzukurbeln, statt das Geld bei ihr zu bunkern. Doch viele Privatbanken geben die Zinsen einfach an ihre Kunden weiter. So verlangen zum Beispiel mehrere Sparkassen und Volksbanken von mittelständischen Unternehmern einen Strafzins, wenn sie mehr als 500.000 Euro auf dem Konto haben (der Versicherungsbote berichtete).

Die EZB-Politik des billigen Geldes belastet nun auch die Sozialversicherung. Zwar wird das Geld dort in der Regel schnell wieder umverteilt – doch Reserven in bestimmter Höhe müssen auch die Einrichtungen der sozialen Vorsorge zurückhalten. Laut Süddeutscher Zeitung legt der Gesundheitsfonds monatlich zwischen 4,7 und neun Milliarden Euro maximal für zwei Wochen als Termingeld an. Und erleidet damit zur Zeit besagten Aderlass von 5,1 Millionen Euro.

Rentenkasse – ein Viertel der Kapitalanlagen negativ verzinst

Ähnliche Probleme drohen der Deutschen Rentenversicherung (DRV), wenn auch weniger drastisch. Die Rentenkasse schüttet ihre eingesammelten Gelder zwar auch sofort wieder an die rund 20,8 Millionen Rentner aus. Doch die DRV ist zur Bildung einer Nachhaltigkeitsrücklage verpflichtet, um für Zeiten vorzusorgen, in denen die Einnahmen weniger zahlreich sprudeln. Ende 2016 bezifferte sich diese Rücklage auf 32,4 Milliarden Euro. 90 Prozent dieser Gelder werden mit einer maximalen Laufzeit von zwölf Monaten angelegt, meist in festverzinsliche Papiere wie Staatsanleihen.

Rund ein Viertel dieser Anlagen werden bereits negativ verzinst, berichtet die DRV laut Süddeutscher Zeitung. Immerhin: aktuell erleidet die Rentenkasse mit ihren Anlagen noch keine Verluste. 2015 habe man Vermögenserträge von 65 Millionen Euro erzielt, berichtet ein Sprecher gegenüber der Süddeutschen, damit liege man noch „knapp über Null“. Die Verzinsung könnte aber schnell ins Negative kippen, wenn die Niedrigzins-Phase weiter anhalte.

Hoffnung auf Umkehr der Niedrigzins-Politik

Doch es gibt Hoffnung, dass die Niedrigzins-Politik der EZB zumindest gelockert werden könnte. Ursache ist die aktuelle Entwicklung in den Vereinigten Staaten. Laut Handelsblatt gehen die Chefs der Amerikanischen Zentralbank (Fed) davon aus, dass die US-Notenbank 2017 den Leitzins weiter anheben wird – in zwei oder drei Schritten statt wie 2016 in nur einem Schritt. Grund ist, dass die Wirtschaftspolitik des neuen Präsidenten Donald Trump eine Inflation befeuern könnte. Der US-Notenbankzins liegt jetzt in einer Spanne zwischen 0,5 und 0,75 Prozent und wurde die letzten Male um jeweils einen Viertel Prozentpunkt angehoben.

Anzeige

Damit wird auch eine Leitzins-Anhebung in Europa wahrscheinlicher. So erwartet etwa Allianz-Chef Oliver Bäte eine Anhebung, „weil die USA und Europa nicht dauerhaft in entgegengesetzte Richtung laufen können“, wie er am Montag der Süddeutschen Zeitung sagte. „Das wird absehbar sein. Dann muss Europa den USA folgen, weil sonst die Verwerfungen zu groß werden. Die Europäische Zentralbank deutete das ja auch schon an“, so Bäte. Ähnliche Stimmen sind auch aus den Reihen der Europäischen Zentralbank zu hören. So hatte sich unter anderem EZB-Direktoriumsmitglied Benoît Cœuré für eine „Normalisierung der Geldpolitik“ ausgesprochen.

Süddeutsche Zeitung