Manchmal ist es gar nicht so leicht, als Lobbyverband positive Zahlen zu verkünden. Da muss man sich argumentativ schon ein wenig winden, um eine Krise doch noch als Erfolg zu verkaufen. Jüngstes Beispiel ist eine Pressemeldung des PKV-Verbandes, die viele positive Formulierungen enthält. Die private Krankenversicherung sei „auch 2016 weiter gewachsen“, erklärt PKV-Verbandschef Uwe Laue, im Neugeschäft der Krankenvollversicherung gehe es „seit dem Tiefpunkt 2013 kontinuierlich aufwärts“.

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Krankenvollversicherung verliert netto erneut Mitglieder

Die nüchternen Fakten: Auch im Jahr 2016 hat die Krankenvollversicherung erneut Mitglieder verloren. Die Zahl der Vollversicherten verringerte sich gegenüber 2015 um 17.300 auf insgesamt 8,77 Millionen Vollversicherte. Das bedeutet im Jahresschnitt ein leichtes Minus von 0,2 Prozent. Und während insgesamt 121.000 Versicherte zurück zu einer gesetzlichen Krankenkasse wechselten, gewann die private Krankenversicherung 120.000 Neukunden hinzu.

Das Kerngeschäft der privaten Krankenversicherer stagniert also weiterhin. Und doch sieht der PKV-Verband auch positive Zeichen. „Erstmals seit 2012 verzeichneten wir im zweiten Halbjahr wieder einen positiven Saldo im Nettoneuzugang“, sagt Laue, die Lage in der PKV habe sich „deutlich verbessert“. Der Pressetext trägt gar die Überschrift: „In der Privaten Vollversicherung geht es wieder deutlich aufwärts“. Wie stark das Wachstum der Mitgliederzahlen im zweiten Halbjahr war, teilt der Verband nicht mit – obwohl er diesen Umstand ins Zentrum seines Pressetextes rückt.

Warum wechseln Privatversicherte zurück zu einer Krankenkasse? Der Übertritt „erfolgt in der Regel nicht freiwillig“, argumentiert der PKV-Verband. So hätten auch 2016 wieder zigtausende seit Geburt privatversicherte junge Leute bei Beginn ihres Berufslebens in die GKV wechseln müssen, Zitat: „...ob sie das nun wollten oder nicht“. Derselbe Effekt habe zudem tausende Selbstständige bei Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung getroffen. Auch hierzu nennt der Verband keine genauen Zahlen.

Wie im Vorjahr zeigt sich hingegen bei den Zusatzversicherungen ein positives Bild. Erstmals konnte die Marke von 25 Millionen Verträgen geknackt werden, so dass nun 25,1 Millionen Policen im Bestand der Versicherer zu finden sind. Das bedeutet ein Wachstum von 1,3 Prozent gegenüber 2015.

"Trendwende" in privater Krankenvollversicherung?

Ob die Krankenvollversicherung nun tatsächlich eine "Trendwende" hin zu besseren Zeiten vollzogen hat, wie heute auch das Versicherungsjournal titelt, bleibt abzuwarten. Kritische Stimmen kommen aus der Branche selbst. So haben die Versicherer in einigen Tarifen zum Jahreswechsel ihre Prämien teils deutlich anheben müssen.

„Die Angst vor steigenden Beiträgen verunsichert Kunden und Vermittler beim Neuabschluss und führt im Ergebnis zu anhaltenden Bestandsrückgängen“, kommentierte Assekurata bereits vor sechs Monaten. Die Prognose des Analysehauses fiel weniger optimistisch aus: Niedrigzins und steigende Gesundheitskosten aufgrund der alternden Bevölkerung werden die Privatversicherer weiter stark unter Druck setzen. Ein Wachstumstreiber für das Neugeschäft sei hingegen kaum in Sicht.

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Zudem wird das Potential an jungen Neukunden zukünftig weiter abnehmen. Die meisten potenziellen Neukunden für Versicherungsprodukte sind zwischen 20 und 29 Jahren alt, berichtet das Institut für Management und Wirtschaftsforschung (IMWF) auf Basis einer eigenen Auswertung. Diese Altersgruppe wird bis zum Jahr 2050 um fast ein Fünftel schrumpfen, so eine Prognose des Statistischen Bundesamtes, von aktuell 9,7 auf dann 7,8 Millionen Twens. Es ist also langfristig mit einem härteren Wettbewerb um weniger Kunden zu rechnen, dem sich auch die privaten Krankenversicherer stellen müssen.