Bund der Versicherten geht unter die Honorarberater
Wie unabhängig sollten Verbraucher- und Verbraucherschutzorganisationen sein? Diese Frage stellt sich auch mit Blick auf den Bund der Versicherten (BdV). Der Verbraucherverband geht unter die Honorarberater und gründet dafür eine eigene Tochtergesellschaft. Der BdV verspricht eine „neutrale, individuelle und unabhängige“ Beratung von Versicherten. Hat die Sache ein Geschmäckle?
Die Verbraucherzentralen tun es, die Stiftung Warentest tut es – und nun auch der Bund der Versicherten (BdV). Wie der größte Verbraucherverband für Versicherungen am Donnerstag in einer Pressemeldung berichtet, hat der BdV eine Tochtergesellschaft ins Leben gerufen, um künftig Honorarberatungen anbieten zu können. Diese soll auf den Namen BdV Verwaltungs GmbH (BVG) hören, eine eigene Web-Präsenz erhalten – und dann mit anderen Versicherungsvermittlern in Konkurrenz treten.
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Registriert nach § 34e Gewerbeordnung
„Die Expertinnen und Experten der BVG prüfen den tatsächlichen Versicherungsbedarf, empfehlen Tarife und geben Einschätzungen zum rechtlichen Sachverhalt im Schadenfall“, heißt es in der Pressemeldung. Und weiter: „Zukünftig plant die BVG auch Nicht-Mitglieder gegen Honorar zu versicherungsrechtlichen Themen beraten“. Die neue Tochtergesellschaft agiert als eingetragene Versicherungsberaterin nach § 34e Gewerbeordnung (GewO).
Damit stellt sich die Frage, ob nicht ein Interessenkonflikt zwischen der Tätigkeit als Verbraucherorganisation und als Vermittler besteht. Die BVG verspricht, die Kunden „im Sinne des Verbraucherschutzes“ zu beraten, und zwar „individuell und unabhängig“. Der Bund der Versicherten hatte in der Vergangenheit unter anderem mehrere Musterprozesse gegen Versicherer geführt, zum Beispiel um intransparente Vertragsklauseln zu kippen. Vorstandssprecher Axel Kleinlein gilt als meinungsfreudiger Experte mit einer hohen Medienpräsenz.
Kritik an Vermischung von Verbraucherschutz und Vermittlertätigkeit
Dennoch: dass die Beratertätigkeit von Verbraucherorganisationen ein Geschmäckle hat, zeigt ein Angebot der „Stiftung Warentest“. Mit Steuergeldern gepäppelt, bietet die angesehene Institution seit Juni 2016 eine Online-PKV-Beratung für nur 19 Euro an.
Stiftung Warentest verspricht eine individuelle Beratung – aber erfragt die Bedürfnisse der Kunden auf sehr einfache, ja oberflächliche Weise. So kann der Verbraucher bei ambulanter Behandlung beispielsweise nur aus 10 Leistungsbausteinen auswählen und ankreuzen, ob ihm diese Leistungen „weniger wichtig“ oder „sehr wichtig“ sind. Auch Unterstützung beim Beantworten der Gesundheitsfragen und dem Ausfüllen des Antrags erhält der Kunde nicht. Aus Verbraucherschutz-Perspektive ist dieses Angebot mehr als fragwürdig, ja schlichtweg abzulehnen.
Experten raten davon ab, derart komplexe Verträge im Internet abzuschließen. Monika Maria Risch, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht im Deutschen Anwaltverein, kritisierte Online-Abschlüsse zu Kranken- und Berufsunfähigkeits- Versicherungen vor zwei Jahren in der Süddeutschen Zeitung. „Die Gesundheitsfragen lassen sich online durch Anklicken nur unzureichend beantworten“, warnte Risch. Wenn aber dem Verbraucher im Antrag Fehler unterlaufen, kann der Versicherer später den Vertrag aufgrund einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht anfechten. Im schlimmsten Fall geht der Kunde leer aus.
Geschäftsmodell Verbraucherschutz
Letztendlich ist zu befürchten, dass das Interesse an eigenen Vermittlungserfolgen dazu führt, dass Verbraucherverbände weniger streng ihrer eigentlichen Aufgabe nachkommen: nämlich Verbraucherinteressen zu vertreten. Der Verbraucherschutz ist zu einem lukrativen Geschäft geworden, das im Grunde von einer Verbraucherschutz-Institution beaufsichtigt werden müsste. Es bedarf eines Verbraucherschutz-Verbraucherschutzes.
So hat auch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen im April 2015 eine interessante Stichprobe vorgestellt, die leider nicht auf großes Medieninteresse stieß. Das Ergebnis: Marktforscher und Verbrauchertester würden allzu inflationär mit Auszeichnungen wie „Testsieger“ oder „Top-Anbieter“ um sich werfen. Auch bei der Transparenz von Produkttests gebe es Defizite.
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Aus gutem Grund: Die Testorganisationen verkaufen Lizenzen an Versicherer, die sich mit den guten Bewertungen schmücken und damit ihre Produkte bewerben. Um möglichst viele Lizenzen verkaufen zu können, ist die Bereitschaft, gute Testergebnisse zu vergeben, scheinbar hoch. "Alle Versicherungen sind irgendwie „Top“ – und alle irgendwie gleichzeitig", fasste der Versicherungsbote die Ergebnisse der Stichprobe zusammen. Als Beispiel wurde eine "Ökotest"-Studie genannt, bei der 21 Versicherer gleichzeitig auf dem zweiten Platz der besten Produktgeber landeten. Man stelle sich das mal bei einer Sportveranstaltung vor: es gäbe ein ganz schönes Gedrängel auf dem Podest.