Rechtsanwältin Aylin Pratsch von der Anwaltskanzlei L & P Luber Pratsch Rechtsanwälte Partnerschaft. Quelle: lp-rechtsanwaelte.com Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 29. März 2017 entschieden, dass eine operative Korrektur einer Sehschwäche durch die Laser-in-situ-Keratomileusis, kurz LASIK, von den Privaten Krankenversicherungen zu zahlen sind (Az.: IV ZR 533/15, der Versicherungsbote berichtete). Für viele Sehgeschädigte kommt aus medizinischen Gründen dieses Verfahren jedoch nicht in Betracht. So wird beispielsweise bei einer dünnen Hornhaut häufig vom behandelnden Arzt der Einsatz einer Multifokallinse oder das ICL-Verfahren, bei dem ebenfalls eine künstliche Linse eingesetzt wird, empfohlen. Ob auch hier Kostenerstattungsansprüche – ähnlich der LASIK-Methode – gegen die Private Krankenversicherung bestehen, wurde bisher noch nicht höchstrichterlich geklärt.

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Jeder Einzelfall muss geprüft werden

Legt man jedoch die Grundsätze, die der BGH in der Entscheidung am 29. März 2017 aufgestellt hat, zugrunde, ist diese Entscheidung nach meiner Ansicht auf sämtliche weitere Fehlsichtigkeitskorrekturen übertragbar. Der BGH hat deutlich gemacht, dass die Fehlsichtigkeit eine Erkrankung ist, unabhängig davon, wie lange der Versicherungsnehmer diese schon aufweist. Auch wenn der Versicherungsnehmer über Jahre mit Brille oder Kontaktlinsen auskam, kann die Private Krankenversicherung ihn nicht darauf verweisen. Denn nach Auffassung des BGH lindert die Brille lediglich die Erkrankung, führt aber nicht zu einer Abhilfe. Eine langfristige Behandlung und Behebung der Erkrankung „Sehschwäche“ können häufig nur operative Eingriffe erzielen.

Laut BGH-Urteil ist es folglich unzutreffend, wenn die Private Krankenversicherung Leistungen verweigert, weil nach deren Meinung operative Fehlsichtigkeitskorrekturen nicht vom Versicherungsschutz umfasst sein sollen. Vielmehr muss für jeden Einzelfall geprüft werden, ob die vom BGH aufgestellten Kriterien vorliegen, mithin eine Sehschwäche als Erkrankung vorliegt, deren erfolgreiche Behandlung durch die vom behandelnden Arzt empfohlene Methode als wahrscheinlich gilt.

Somit ist davon auszugehen, dass die Gerichte in absehbarer Zeit entscheiden werden, dass auch bei den weiteren operativen Behandlungsmöglichkeiten die Voraussetzungen für eine Erstattungspflicht durch Private Krankenversicherungen vorliegen. Wenn der Versicherte unter einer Fehlsichtigkeit leidet, die nicht ganz unerheblich ist, stellt dies eine Krankheit dar, auf deren Behandlung der Versicherungsnehmer Anspruch hat.

Vorteile für Vermittler

Auch für Versicherungsvermittler und -berater bietet das Urteil des BGH viele Vorteile in der Beratung und Betreuung ihrer PKV-Kunden. So sind diese nun nicht mehr in der Rechtfertigungsposition, dass sie ihre Versicherungskunden vor Abschluss eventuell nicht auf die restriktive Handhabung der Kostenübernahme bei Fehlsichtigkeitskorrekturen durch die Private Krankenversicherung hingewiesen haben. Stattdessen können sie nun darauf verweisen, dass auch der BGH das Vorliegen einer Krankheit grundsätzlich bejaht hat.

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Außerdem können Vermittler und Berater das Urteil als Anlass dafür nehmen, mit ihren Kunden ins Gespräch zu kommen und auf die nun grundsätzlich bestehende Möglichkeit der Kostenübernahme für Fehlsichtigkeitskorrekturen hinzuweisen. Somit liegt eine Win-win-Situation vor. Der Versicherungskunde freut sich über die Serviceorientierung seines Versicherungsvermittlers, während dieser den Kontakt für weitere Angebote nutzen kann.