Rente - Verdi rechnet falsch
Es ist Renten-Wahlkampf und Verdi-Chef Frank Bsirske fordert aktuell mehr Milliarden für die gesetzliche Rentenkasse. Dazu rechnet die Gewerkschaft Rentenniveaus von heute falsch und spricht im Weiteren davon, dass Renten „sinken“. Der Autor dieses Beitrags und Finanzmathematiker Werner Siepe, Autor des neuen Buches „Ihr Weg zu mehr gesetzlicher Rente“ haben sich die Zahlen der Verdi-Kampagne gemeinsam angesehen. Und fanden „Unstatistiken“, sagt ein Statistiker, und bei der Altersarmut „eine Null zu viel“.
Die Dienstleistungs-Gewerkschaft Verdi schwört ihre Mitglieder gemeinsam mit dem DGB auf einen Kurswechsel bei der gesetzlichen Rente ein. „Stärkt die gesetzliche Rente! Mit Deiner Stimme den Renten-Sinkflug stoppen!“, heißt es bei Verdi und deren Initiative für die Rente. Dabei kann es, seit der Gesetzgeber im Jahr 2009 die Renten gesetzlich garantiert hat, gar keinen „Sinkflug“ der Renten geben. Im schlimmsten Fall gibt es Nullrunden, wenn – genauer falls – die Löhne nicht ausreichend steigen.
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Die Rente ist seit 2009 sicher
Die gesetzliche Rente kann aber nicht sinken. Der Zahl nach erworbene Renten-Entgeltpunkte und der Rentenwert (zurzeit 31,03 Euro je Entgeltpunkt West, 29,69 Euro Ost) sind fix – unkürzbar. Bei den Rechenbeispielen zu „Wie viel Rente kann ich erwarten?“ unterlaufen Verdi „zwei gravierende Rechenfehler“, sagt Finanzmathematiker Werner Siepe. Dies wird am Beispiel eines monatlichen Bruttogehalts von 2.500 Euro und einer monatlichen gesetzlichen Rente nach 40 Beitragsjahren klar.
Die von Verdi noch richtig errechnete gesetzliche Rente von 897 Euro nach Abzug von 11 Prozent für den Beitrag zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung stellen nicht „heute 47,9 %“ des Gehalts nach Sozialabgaben und vor Steuern dar. Wäre das so, müsste dieses Gehalt bei 1.873 Euro und damit 75 Prozent des Bruttogehalts liegen und der Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung folglich bei 25 Prozent.
Dem ist aber nicht so. Zurzeit werden dem Arbeitnehmer rund 20,5 Prozent vom Bruttogehalt abgezogen. Von einem Bruttogehalt von 2.500 Euro bleiben nach Abzug des Arbeitnehmerbeitrags zur Sozialversicherung dann 1.988 Euro vor Steuern übrig. Und 897 Euro Rente nach Abzug des Beitrags zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sind halt 45 Prozent des Gehalts nach Sozialabgaben und nicht 47,9 Prozent. Diese rund 48 Prozent kommen nur beim Standardrentner mit 45 Jahren Durchschnittsverdienst heraus, sofern man wie in den Rentenversicherungsberichten der jeweiligen Bundesregierungen das sog. Nettorentenniveau vor Steuern berechnen will.
Zweiter Rechenfehler
Viel gravierender ist der Fehler bei der Ermittlung einer künftigen Rente, wenn das Rentenniveau von 47,9 Prozent auf 43 Prozent zum Beispiel im Jahr 2030 sinken sollte. Verdi rechnet die 897 Euro von heute einfach in 806 Euro um, indem 897 Euro mit dem Faktor 0,8977 (errechnet aus 43/47,9) multipliziert werden. „Das mag zwar ein schöner Rechenkunstgriff sein. Dieser ,Kunstgriff’ stellt aber die Rentenwirklichkeit völlig auf den Kopf, da die gesetzliche Rente bekanntlich nicht sinken kann“, sagt dazu Mathematiker Siepe.
Das Rentenniveau kann zwar sinken, wenn die Renten im Vergleich zu den Löhnen weniger stark steigen. Zumindest bis zum Jahr 2021 gehen der Rentenversicherungsbericht 2016 der Bundesregierung und die Deutsche Rentenversicherung allerdings von einem stabilen Rentenniveau aus. Siepe: „Verdi führt seine Mitglieder bewusst in die Irre, wenn die befürchtete Senkung des Rentenniveaus in Prozent mit der Senkung der Rentenhöhe in Euro gleichgesetzt wird“. Sämtliche insgesamt 16 Beispielrechnungen auf der Verdi-Aktions-Webseite entpuppen sich daher für Werner Siepe „als fauler Zauber“.
Angstmache
Die höchste in 2030 zu erwartende Rente nach 40 Beitragsjahren und einem monatlichen Bruttogehalt von heute 4.500 Euro soll demnach lediglich 1.451 Euro nach Abzug des Kranken- und Pflegekassenbeitrags ausmachen. Und die niedrigste Rente nach 30 Beitragsjahren in einem versicherungspflichtigen Minijob von 450 Euro soll 109 Euro betragen. Diese mageren Renten von künftig 109 bis 1.451 Euro sind objektiv falsch. Mathematiker Siepe: „Offensichtlich möchte Verdi seinen Mitgliedern Angst um die künftige Rente machen und mit diesen falschen Zahlen eine kommende Altersarmut geradezu heraufbeschwören“.
Womit haben die Verdi-Mitglieder und künftigen Rentner solche falschen Zahlen verdi-ent? Die aktuellen Berechnungsbeispiele von Verdi sind kein Zufall. Bereits auf dem Sächsischen Rentengipfel in Dresden am 21.6.2016 lieferte Verdi-Chef Bsirske vor 220 Teilnehmern ein Berechnungsbeispiel: Wer in 2012 ein monatliches Bruttogehalt von 2.500 Euro hatte und in 1964 geboren ist, bekomme nach 40 Beitragsjahren nur noch eine Rente von 784 Euro.
„Unstatistik des Monats“
Das gleiche Rechenbeispiel brachte die Deutsche Presseagentur dpa unter Berufung auf Bsirske am 3.8.2016. Eine weitere fehlerhafte Beispielrechnung machte Bsirske in einem Interview mit der Berliner BZ am 28.8.2016 auf. Die Wirtschaftswoche nannte dies am 2.9.2016 „Bsirskes böse Panikmache“ und die Deutsche Rentenversicherung hielt die Rechnung für „nicht nachvollziehbar“.
Bsirske äußert sich auch zur drohenden Altersarmut im Jahr 2030. Wer 1964 geboren sei, heute 2.500 Euro brutto im Monat verdiene und auf 40 Versicherungsjahre komme, falle in 2030 unter die Grundsicherung. Da laut Bsirske 11 bis 12 Millionen Arbeitnehmer weniger als 2.500 Euro brutto monatlich verdienten, drohe also jedem Dritten Altersarmut in 2030. Statt jedem Zweiten laut einer Rechnung des WDR im März 2016 soll es nun nach Bsirske noch jeder Dritte sein.
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„Altersarmut – eine Null zu viel“
Wer Altersarmutsquoten von einem Drittel (Bsirske) oder gar der Hälfte (WDR im April 2016) im Jahr 2030 herbeiredet, schürt Ängste in der Bevölkerung und verbreitet bewusst Rentenpanik. Die falschen WDR-Berechnungen brachten es bei dem renommierten Statistikprofessor Walter Krämer sogar zur Unstatistik des Monats April 2016. Statt 50 Prozent sind 5 Prozent laut Krämer die wahrscheinlichere Prognose. Daher titelte er „Altersarmut – eine Null zu viel“.