ZDF-Wiso - Tipp tilt Tills Betriebsrente
Der ZDF-Wiso-Tipp tippt auf die Betriebsrente. Dies allerdings zu einem Muster-Azubi, der seinen Arbeitgeberzuschuss wohl rückwirkend verliert, wenn er planmäßig, aber dennoch zu früh, vom Job erstmal ins Studium wechselt. Davor, dass Betriebsrente Einbußen bei der gesetzlichen Rente kostet, warnt Wiso – nennt aber aufschlusslos keine Beträge, obwohl sich das in zehn Sekunden berechnen lässt. Des Weiteren soll der junge Mann in Aktien investieren – bei denen aber wegen der gesetzlichen Beitragsgarantie kaum ein Cent ankommt.
„TILT!“ Die Älteren unter unseren Lesern erinnern sich, das war früher in den Kneipen ein Mechanismus beim Flipper spielen (neudeutsch für die Jüngeren: Pinball). Wenn man dabei zu stark am Automaten rappelte, um die Kugel in den richtigen Schacht zu lenken, brach der das Spiel ab und die Kugel war weg. Tilt. So kann es auch Till bei seiner Betriebsrente (bAV, hier: Entgeltumwandlung) gehen. Wenn dessen Arbeitgeber seinen Zuschuss zur Rente für später am Ende der Lehre tillt. Der junge Mann ist der Mustermann des ZDF Wiso-Tipps zu Betriebsrente vom 9. Mai.
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Steuervorteil? Null
Der Wiso-Tipp-Mustersparer: Till ist 20 Jahre alt. Er hat vor zwei Jahren Abitur gemacht und ist jetzt im zweiten Lehrjahr als Maurer. Anschließend und mit dem Gesellenbrief in der Tasche – hier beginnt das Problem – will Till studieren, um später Bauingenieur oder Architekt zu werden. Aber Till will jetzt schon fürs Alter vorsorgen. Heute verdient er als Azubi pro Monat 1.000 Euro brutto. Davon packt er 60 Euro in die Betriebsrente. Dank Bautarif spendiert sein Chef 50 Prozent Arbeitgeberzuschuss, macht 90 Euro.
Laut Wiso hat Till durch seine Beiträge in die bAV Steuervorteile. Nein: Null. Glauben Sie es oder prüfen Sie es hier auf n-heydorn.de neutral nach. Geben Sie dort 1.000 Euro Monatsbrutto ein und sehen Sie, dass Till null Steuern zahlt und mit bAV dementsprechend auch keine sparen kann. Der Grund: Die Abgaben für die staatliche Rente und an die Krankenkasse drücken das Einkommen unter das steuerliche Existenzminimum. Man mag diesen Hinweis kleinlich finden oder eben konkret. Heißt: Wiso beim Wort nehmen.
Rentenänderungen in zehn Sekunden rechnen
Wiso warnt in seinem Tipp davor, dass die gesetzliche Rente sinkt, wenn ein Arbeitnehmer in die Betriebsrente (bAV) einzahlt. Gleichwohl: Zahlen nennt Wiso nicht. Dabei ist das innerhalb von 10 Sekunden zu berechnen (unten ist diese Rechnung dokumentiert):
Till büßt 29 Euro Rente monatlich ein. Wenn er ab heute im Alter 20 bis 67 jeden Monat 60 Euro Eigenanteil in die bAV einzahlt. Das ist korrekt gerechnet auf Basis der aktuellen Rentenwerte West (die in 47 Jahren mutmaßlich auch für den heutigen Abrechungskreis Ost gelten werden). Das Ganze auch noch mit einer fiktiven Rentendynamik in das Jahr 2064 hinein hochzurechnen, dann ist Till 67, wäre unseriös. Theorie.
Auch praktisch lernen wir aus dem Wiso-Beitrag, das „unser“ Till nach der Lehre studieren will. Weswegen seine Rentenverluste mangels bAV-Zahlung während des Studiums zugleich sinken. Nachrichtlich: Wenn Till (abzüglich angenommen fünf Jahre Studium und danach weiter) 60 Euro in die Betriebsrente einzahlt, kämen mit 67 und nach 42 Jahren bei 2,00 Prozent Rendite 71.000 Euro heraus oder bei einem Rentenfaktor von angenommen 25 je 10.000 Euro Kapital rund 175 Euro – gegen knapp 26 Euro Renten-Verlust (nach 42 statt 47 Jahren). bAV lohnt sich also. Rechnerisch und nach heutigen Regeln (die Abgaben des Jahres 2064 kennen wir nicht).
Arbeitgeberzuschüsse können verfallen – sogar im guten Bautarifvertrag
Zurück zum Sparpotenzial des Wiso-Musterkunden: Von seinen 60 Euro Monatsbeitrag spart Till statt Steuern (null) lediglich 12 Euro Sozialabgaben (sein Chef auch). Tills Nettoaufwand sind also monatlich 60 - 12 = 48 Euro. Till bekommt laut Wiso einen Arbeitgeberzuschuss für seine bAV. Immerhin gemäß Bautarif 50 Prozent seines eigenen Einsatzes von 60 Euro. Macht plus 30 Euro einen Zahlbeitrag in die bAV von addiert 90 Euro.
Im Begleittext zum Wiso-Tipp schreibt das ZDF korrekt, dass Arbeitgeberzuschüsse gesetzlich unverfallbar, also dann (v)erdient sind, wenn der Mitarbeiter bei Ausscheiden 25 Jahre alt ist und fünf Dienstjahre abgeleistet hat. Das Problem: Till ist erst 23, wenn er nach drei Jahren und Ende der Lehre an die Uni wechselt. Tills Glück (aber der ZDF-Zuschauer kennt selten Branchen-Tarifeverträge): Im Baubereich genügen das Lebensalter 21 und 3 Jahre Dienstzeit, damit Zuschüsse vom Chef unverfallbar werden. Was ist Till nach zweieinhalb Jahren Lehre sicher? Seine eingezahlten Beiträge (weil juristisch auch wegen Kosten gleich unkürzbarer Arbeitslohn) : 36 Monate mal 60 Euro Eigenanteil : 2.160 Euro. Sonst nichts.
Pech – auch für Till?
Pech hätte der ZDF-Mustersparer allerdings auch; selbst hier in dem ungewöhnlich gut ausgestatteten Bautarifvertrag. Nämlich dann, wenn seine Firma Tills Lehre wegen Abi und guter Leistungen um (typisch) sechs Monate auf zweieinhalb Jahre verkürzt. Dann wären – sozusagen als ungewollte Strafe wegen des Kleingedruckten – auch Tills Chefzuschüsse wieder weg: tillt. Tilt. Das Wiso-Problem ist aber noch ein anderes als Tills tillt-Zuschüsse vom Chef. Zum Beispiel werden für wichtig erachtete Hinweise des Magazins zu unvollendeten, unpratikablen Werken auch für den bemühten Zuseher der Sendung:
Wenig praxistauglich ist etwa der Hinweis der Redaktion, der Arbeitnehmer möge den bAV-Vertrag samt Kleingedrucktem lesen und am besten prüfen. Selbst einfachen Policen geht heutzutage mit dem kompletten Vertragsangebot oft durchaus ein Konvolut von 60 bis 80 Seiten Papier- und Buchstaben- und Bleiwüste voraus. Im Sinne der vom Verbraucherschutz angestrebten Transparenz. Im Ernst: Liest der Normalmensch das? Aufmerksam, geduldig?
Mangelndes Finanzwissen
Und mit welchem, weil schlicht nicht vorhandenem Wissen – etwa über die typischen Kosten von Finanzverträgen – soll der Normalo einen solchen Vertag prüfen? Oder: Der Arbeitnehmer kann das Kleingedruckte erst gar nicht prüfen, weil der eigentliche bAV-Sparvertrag zwischen dem Chef und dem Versicherer zustande kommt, der Mitarbeiter den Vertrag demnach gar nicht vollständig zu Gesicht bekommt.
Weiter empfiehlt Wiso, der Arbeitnehmer solle für eine rentable Rente möglichst in Aktien investieren. Ja, bAV mit Aktien gibt es. Sogar zuhauf. Nein und aber: Den ersten Cent zahlt der Client für seine Police erst dann in Aktien, wenn die Beitragsgarantie für den Vertrag „bedient“, gesichert ist. Dafür „braucht“ der Versicherer bei 0,9 Prozent Garantiezins (Kosten ignoriert) 78 von Tills 90 Euro, um die Beitragssumme sicher zu sichern (kein Schreibfehler). Dies bei 42 Jahren Laufzeit.
Kaum Aktienanteil
Variante: Wäre der Versicherte älter, sagen wir 37 (30 Jahre Sparzeit), dann müssen schon 78 Euro „bombensicher“ angelegt werden. 12 Euro Rest bis 90 Euro oder 13 Prozent Anteil der Sparrate dürfen dann noch in Aktienfonds „arbeiten“, um neben der Beitragsgarantie ein Mehr zu erreichen. Brächten diese monatlichen 12 Zusatz-Euro in Aktien isoliert anteilig 5,00 Prozent Rendite, bedeutete dies ein absolutes Rendite-Plus von 0,65 Prozentpunkten oder absolut 1,55 Prozent Rendite. In Summe 41.000 Euro (statt der Beitragssumme nach 30 Jahren: 32.400 Euro).
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Rechenwerte zu der Grafik oben: Rechnen:
- -60 Euro Monatsbrutto für bAV / 3022 x 47 Jahre x 30,31 = -28,96 Euro Einbuße durch bAV.
- 3.022 Euro = Durchschnittsentgelt DRV Stand 2017 (West; ab 2025 identisch mit Ost)
- 31,03 Euro = 1,00 Entgeltpunkte West der Deutschen Rentenversicherung