Fast ein Viertel des Schadensvolumens bei Großschäden in der Industrie-Haftpflicht (23 Prozent) resultiert aus Qualitäts- und Produktmängeln. Das berichtet der weltweit größte Industrieversicherer Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS), der über 100.000 Versicherungsfälle aus den Jahren 2011 bis 2016 in mehr als 100 Ländern untersucht hat. Damit sind Produktmängel Hauptursache für Haftpflichtschäden in Unternehmen.

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Mehr Rückrufe, weniger Unfälle

Besonders in Deutschland sind Produkt- und Qualitätsmängel kostenintensiv: bei Haftpflichtfällen deutscher Firmen erreicht dieser Wert stolze 78 Prozent der Gesamtschadenhöhe. „Die Zahl der Rückrufe in den USA und Europa ist kontinuierlich gestiegen“, erklärt Peter Oenning, Global Head of Liability Claims, AGCS. Dies liege zum einen an globalen Lieferketten, zum anderen an der wachsenden Bedeutung von Produkt- und Arbeitsplatzsicherheit sowie entsprechender Regulierung. So habe sich im Straßen-, Flug- und Schiffsverkehr die Zahl der Unfälle deutlich verringert.

Dennoch: Auch Verkehrsunfälle und Zusammenstöße sind weltweit noch immer ein wichtiger Grund, wenn die Industrieversicherung zahlen muss. Mit 22 Prozent der Schadenssumme landen sie auf Platz 2 der wichtigsten Haftpflicht-Ursachen. Auf dem dritten Rang platziert sich menschliches Versagen mit 19 Prozent der Gesamtschadenssumme. Für den Global Claims Review 2017 wurden Schäden mit einer Gesamtsumme von 8,85 Milliarden Euro untersucht.

Die Hauptursachen für Haftpflichtschäden in der Industrieversicherung 2010-2016. Quelle: Global Claims Review 2017

Großschäden werden häufiger

Die Studie zeigt, dass die Haftpflichtschäden mit mehr als einer Milliarde Euro Kosten häufiger werden. Einer der Gründe hierfür sei nicht nur die steigende Regulierung und die Zunahme globaler Lieferketten. Auch eine Anspruchs- und Klagekultur breite sich zunehmend aus, wie man sie bisher nur aus den USA kenne, berichtet Oenning. Mit anderen Worten: Die Verbraucher machen weltweit zunehmend von ihren Rechten Gebrauch, wenn eine Firma gepfuscht hat.

Die Vereinigten Staaten bleiben wichtigster Haftpflicht-Markt der Welt, so Oenning. Mehr als die Hälfte (57 Prozent) aller Haftpflichtschäden entfallen auf den amerikanischen Kontinent. „Wir sehen jedoch einen Trend zu größeren Haftpflichtschäden auch außerhalb der USA, da in Europa und Asien das Bewusstsein für Verbraucherrechte und Entschädigungsansprüche zunehmen“.

Beispiel Deutschland: Bei schweren körperlichen Schäden erhalten Opfer mittlerweile deutlich mehr als 500.000 Euro Schmerzensgeld, berichtet der Haftpflicht-Experte. Noch vor zehn Jahren bekamen sie selten mehr als 300.000 Euro zugesprochen. Ein Anstieg um fast 67 Prozent pro Schadensfall.

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Während Sammelklagen von Verbrauchern und Investoren unverändert vor allem ein US-Phänomen sind, wie Oenning betont, lassen immer mehr Länder ebenfalls Formen von Kollektivklagen zu. Umgekehrt werden ausländische Unternehmen verstärkt in den USA gerichtlich belangt. Die Schadenexperten der AGCS beobachten zudem eine Zunahme von Umwelthaftpflichtschäden im Bergbau und Baugewerbe sowie regional in Lateinamerika und Asien.