Im Allianz Forum drehte sich vergangenen Freitag alles um die zukünftige Zusammenarbeit zwischen Insurtechs und den etablierten Playern der Versicherungsbranche. In einer Podiumsdiskussion zwischen den Marktteilnehmern, eruierte man die Stärken der Flaggschiffe: Sie sind im Besitz eines langjährigen Verständnisses der bürokratischen und gesetzlichen Regulatorik und haben eine Versicherungslizenz. Den in Deutschland so regulierten Markt kennt keines der digitalen, jungen Unternehmen so gut wie die “Alteingesessenen”. Den “Neuankömmlingen” fehlt außerdem die Fähigkeit Abläufe und Ideen zu Ende zu denken, kritisierte Frank Kettnaker (Alte Leipziger) die StartUps und äußerte Bedenken an der Nachhaltigkeit mancher Geschäftsmodelle.

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"Irgendwo in Berlin-Wedding sitz just in diesem Moment die Zukunft von heute und grübelt über neue Innovationen", sagte Borcher. Es sei ein Muss, Wege zusammen mit den jungen Tech-Giganten zu finden, über die man auf eine gute, pragmatische Weise zusammen arbeiten kann. Die Allianz sei sich sicher, so Borchert, dass man nur mit StartUps das 21. Jahrhundert bestreiten kann. Daher sei man heute in Berlin zusammengekommen.

Wer wird das Rennen machen?

Die Allianz habe nicht umsonst in Lemonade, einem Versicherer, der künstliche Intelligenz und Verhaltensökonomie einsetzt, investiert (Versicherungsbote berichtete). Einheitlichen Tenor gab es in Puncto Erfahrung. So profitierten traditionelle Versicherungen insbesondere von vielen und oft langjährigen Kundenbeziehungen und könnten zudem mit den dazugehörenden historischen Daten arbeiten. Die Startups hingegen überzeugten durch frische Ansätze und modernste Technologie. Wer als Sieger aus diesem Rennen geht, wusste noch niemand so recht.

Wer macht das Rennen - Tradition oder StartUp?Wer macht das Rennen - Tradition oder StartUp?v.l. Dr. Robin Kiera (Moderator/Insurance Undsutry Expert), Dominik Groenen (CEO flypper), Dominik Bark (CIO Simplesurance), Dr. Johannes Becher (Co-Founder & CEO Getsurance), Frank Kettnaker (Mitglied der Vorstände ALTE LEIPZOGER - HALLESCHE Konzern) und Olaf Bläser (Ergo Beratung und Vertrieb AG)(c) versicherungsbote

Eine leise Ahnung führte Johannes Becher von Getsurance an. Er setzt auf Kooperationen mit etablierten Anbietern, um den unterschwellig durch Kettnaker kritisierten Mangel an Nachhaltigkeit sicherzustellen. "Sicherheit bieten wir, indem wir mit dem amerikanischen Rückversicherer Reinsurance Group of America (RGA) zusammenarbeiten und gemeinsam eine „digitale Berufsunfähigkeitsversicherung“ entwickeln, die modular aufgebaut ist und mit wenigen Gesundheitsfragen auskommt," erklärte Becher (Versicherungsbote berichtete). Damit reagiere man nur auf den Markt. Schließlich sei der Abschluss einer BU bei den meisten Gesellschaften noch ein Marathonlauf. Vielmehr sei die Branche in der flächendeckenden BU-Versorgung sogar gescheitert, monierte Becher. Start des BU-Produktes solle noch in diesem Jahr sein. „Wer ein Rennen gewinnen will, muss vor allem schnell sein.“, hieß es von Getsurance-Seite.

„Das Rennen muss zu Ende gelaufen werden“...

... wandte Frank Kettnaker (Alte Leipziger) dagegen ein. Seines Erachtens käme es auf die von Becher betonte Schnelligkeit der Startups in der kundenzentrischen Produktentwicklung gar nicht an, sondern auf Zuverlässigkeit und Langfristigkeit der etablierten Spieler. Den Ball spielte Becher direkt zurück und erwiderte, dass Jahr für Jahr weniger Kunden der Generation Y überhaupt von dieser Zuverlässigkeit zehren werden, da man sie auf dem Offline-Vertriebsweg nicht mehr erreichen werde.

(c) Versicherungsbote

So sei es wichtig von der Kundenlogik her zu denken. Im Vordergrund sollte die Frage stehen, was will der Kunde und was können wir davon umsetzen. Kettnaker bekräftigte, was zuvor bereits Michael Streich, Leiter Projekt- und Prozessvertrieb bei der Helvetia, im Praxisbeispiel als Herausforderungen benannt hatte. "Die Lehmschicht in den Konzernen kann ganz schön dick sein," erkannte der Helvetia-Manager. Die Agilität die man in Zusammenarbeit mit einem StartUp an den Tag legen müsse, könnte nicht höher sein, so Streich weiter. "Ein Projektmanager braucht für die Integration einer Innovation mit einem StartUp eine hohe Frustrationstoleranz," berichtet er aus der Praxis. "Die Kunden reagieren anfangs oftmals noch sehr zurückhaltend." Auch dürfte man nie vergessen, die Mitarbeiter im Unternehmen auf die Reise mitzunehmen, ergänzt Kettnaker. Am Ende dürfen nicht nur gute Ideen gesponnen, sondern müssen auch in der Praxis umgesetzt werden, so der Vorstand mit Blick auf die Integration von Videoberatung bei der AO des Versicherers.

Die Kunden heute sind hybrid.

Von der Kundenlogik her zu denken, ist auch das Bestreben von Dominik Groenen. Seinen Schwerpunkt legt er damit auf den sogenannten „hybriden Kunden“, also einen nicht ausschließlich digital zu findenden Kunden. Mit seinem Insurtech Versicherer "flypper", will Groenen dem Kunden die Möglichkeit geben über alle denkbaren Kontaktmöglichkeiten von online über Telefon, Video, App oder Mail und SMS bis hin zur persönlichen Beratung mit einem Versicherer in Verbindung zu treten. Wenn es zum Schadensfall kommt, sieht Groenen als wichtiges Kriterium einen Schadenservice, der diesen „moment of truth“ für den Kunden zu einem wirklichen Erlebnis macht.

Dominik Groenen ist Gründer des Insurtechs flypper.(c) Versicherungsbote

Generell ergebe sich durch den Markteintritt der digitalen Mitstreiter eine neue Verteilung innerhalb der Wertschöpfungskette, war man sich auf dem Podium einig. Die jungen StartUps rieten den etablierten Playern, dass diese zusehen müssten, dass sie sich neben dem Kapital noch weitere Kernkompetenzen beibehalten.

„Ich habe einen Traum“...

Für Veranstalter und Gastgeber Felix Anthonj (flexperto) würde ein Traum in Erfüllung gehen, wenn er seinen Versicherungsberater über den digitalen Kanal seiner Wahl errreichen kann. "Die Mitarbeiter sollen von überall auf der Welt arbeiten können und mehr Zeit für ihr Privatleben haben," träumt er weiter. Ob dieser Traum zu Ende gedacht ist, wird sich zeigen.

Investitionshilfe könnte von Maschmeyer kommen

Nicht mehr selbst gründen wolle Carsten Maschmeyer, sondern nur noch operativ tätig sein. Allerdings wolle er nur in Unternehmen investieren, die in seinen Augen eine echte Innovation anbieten. Ein weiterer wichtiger Faktor stelle zudem die personelle Ebene dar. "Ich habe die Ressource Mensch in meiner Verantwortung, auch bei der "Höhle des Löwen". Ich möchte die Gründer verstehen - sind sie beratungsfähig, sind sie zur Selbstreflexion fähig?“ Eine reine finanzielle Unterstützung ist von Seiten Maschmeyer nicht angedacht, vielmehr suche er die aktive Zusammenarbeit. Insbesondere in puncto Vertrieb und Kommunikation könne man den jungen Firmen unter die Arme greifen, erklärte der ehemalige AWD-Chef.

Keynote mit Stargast Carsten MaschmeyerKeynote mit Stargast Carsten MaschmeyerFelix Anthonj, CEO bei Flexperto im Gespräch mit Carsten Maschmeyer, Maschmeyer Group.(c) Versicherungsbote

Maschmeyers Team analysiert an die tausend Firmen pro Jahr – dieses Volumen könne kaum eine Versicherungsgesellschaft alleine stemmen, erklärte er seinen Vorteil gegenüber etablierten Firmen auf dem Kongress. "Wir kriegen außerhalb meiner Funktion als TV-Juror in der Start-up-Show "Die Höhle der Löwen" des Fernsehsenders Vox, meist bessere und günstigere Angebote von jungen Unternehmen auf den Tisch. Wenn wir mal ehrlich sind, war das der Grund weswegen ich da mitgemacht habe", äußert sich der bekannte Kopf der deutschen Finanzszene. "Ziel war es, dass man uns überall als Investoren kennt und wir somit auswählen können."

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Den Versicherern gibt er die aus seiner Sicht wichtigste Prioritäten für die Entscheidung für oder gegen ein Investment mit: Der Versicherer sollte zwar investieren, aber nicht in Blödsinn. "Am besten stellt man sich vorher die Frage, wo ist meine Schwachstelle?", erklärt er auf dem Digital-Kongress. Die Versicherer sollten innovative Tarife bauen und sich dabei die Frage stellen: "Welches Problem wünsche ich mir weg?" Genau für diese Herausforderung sollte man sich ein passendes StartUp suchen. Er rät den alten Hasen risikobereiter, schneller und flexibler zu werden. Auch sollten Digitalisierungsinitiativen innerhalb von Konzernen nicht „drei langjährigen 55-jährigen Mitarbeitenden aus der IT überlassen werden.”