Ottonova - Viel Mut, aber auch Schwachstellen
Seit einer Woche ist der erste digitale Krankenversicherer Ottonova in den Startlöchern - ausgestattet mit 40 Millionen Euro Startkapital und großen Plänen. Zwei Krankenversicherungsvolltarife können über die Webseite des Versicherers abgeschlossen werden. Ein Versicherungsmakler hat sich das Angebot einmal angeschaut: Und entdeckt Schwachstellen im Vertragswerk.
Mit Ottonova ist vergangene Woche der erste digitale Krankenversicherer in Deutschland an den Start gegangen. Die Ansprüche sind riesig: „Wir wollen der Tesla der Krankenversicherer sein“, sagte Firmengründer Roman-Marcus Rittweger laut einem Bericht des Handelsblattes. Auch die Webseite des Versicherers verspricht viel: Ottonova sei „nicht nur eine Versicherung“, sondern auch „dein Gesundheitspartner“, werden die potentiellen Kunden direkt angesprochen. Alle Services seien „überraschend einfach“ über eine Smartphone-App nutzbar, der Abschluss einer Versicherung in 30 Minuten möglich. Auch die Debeka ist mit 10 Millionen Euro Kapital beteiligt (der Versicherungsbote berichtete).
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Kritik vom Makler
Doch das Angebot erregt auch Misstrauen – der Online-Abschluss eines hochkomplexen Vertrages wie einer privaten Krankenvollversicherung wurde schon mehrfach kritisiert. Gesundheitsfragen müssen korrekt beantwortet, viele Leistungs-Bausteine beachtet werden. Und so hat sich Versicherungsmakler Sven Hennig aus Bergen auf Rügen das Angebot einmal angeschaut und berichtet auf seinem Blog darüber. Sein Fazit fällt durchwachsen aus.
Durchaus honoriert es Hennig, dass Ottonova mit neuen Ideen den Versicherungsmarkt umkrempeln will. „Ottonova will die erste, voll digitale private Krankenversicherung werden. Dazu haben sich ein Arzt, ein Designer und ein Informatiker zusammengetan und wollen die neue, private Krankenversicherung werden. Ein ehrgeiziger Ansatz, in jedem Fall Hut ab vor dem Mut“, schreibt der Versicherungsmakler.
Erschwert werde ein Test dadurch, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch gar kein Tarif über die Webseite von Ottonova abgeschlossen werden kann, berichtet Hennig. Und lobt die App, die es vor allem erlauben soll, schneller die Arzt- und Arzneirechnungen einzureichen und erstattet zu bekommen. Hennig kommentiert: „Das können heute viele Versicherer noch nicht. Hinter der App steht (anscheinend) eine automatisierte Abrechnungssoftware. Diese liest die relevanten Daten aus der Rechnung aus, gleicht diese mit dem Schutz ab und löst eine Erstattung aus“.
Auch dass die App zahlreiche weitere Services anbiete, etwa bei der Arztsuche, hebt der Makler positiv hervor. Betont aber zugleich auch, dass andere Versicherer ähnliches auch beherrschen.
No-Go 1: (zukünftige) Beamte sind raus
Kritisch äußert sich Hennig hingegen zu bestimmten Klauseln in den Verträgen. Ein erstes No-Go sieht der PKV-Experte mit Blick auf zukünftige Beamte. Denn wer beihilfeberechtigt ist oder einmal werden will, der findet keine Heimat bei Ottonova. „Während bei anderen Versicherern eine Umstellung in einen Beihilfetarif möglich ist, geht das bei Ottonova nicht“, schreibt Hennig auf seinem Blog. Und zitiert die Vertragsbedingungen, wonach die Versicherung endet, wenn ein Beamter Anrecht auf Beihilfe erlangt. Damit scheiden auch Soldaten, Polizisten und Berufsrichter aus dem Kreis möglicher Kunden aus.
No-Go 2: keine Umwandlung in Zusatzversicherung möglich
Grundsätzlich zeigt die Analyse Hennigs, dass die Tarife von Ottonova mit Blick auf die Zukunftsplanung Defizite haben. So für den Fall, dass ein Versicherungsnehmer seine Zukunftspläne ändert und in die gesetzliche Krankenversicherung zurück wechseln will oder muss. Etwa, weil die versicherte Person nicht mehr als Freiberufler arbeitet, sondern in ein Angestelltenverhältnis wechselt.
Viele PKV-Anbieter bieten in solchen Fällen an, die private Krankheitskostenvollversicherung in eine Zusatzversicherung umzuwandeln – unter Mitnahme der bis dahin erworbenen Rechte und teilweisen Anrechung der Altersrückstellungen. "So sichert sich der Versicherte auch weiterhin hochwertige Leistungen, denn eine neue Versicherung würde er nicht mehr bekommen", kommentiert Hennig. Das räumt zwar auch Ottonova in den Vertragsbedingungen ein. Das Problem: Zum jetzigen Zeitpunkt bietet der Versicherer überhaupt keine Zusatzversicherung an, die der Wechselwillige in Anspruch nehmen könnte.
No-Go 3: Anwartschaft, die nichts nützt
Ein ähnliches Problem gebe es bei den von Ottonova vorgesehenen Anwartschaft-Regelungen. Das ist im Grunde eine Krankenversicherung ohne Leistungsanspruch: Verdient der Versicherte nicht mehr genug, um privat krankenversichert zu sein, oder verwirkt auf andere Weise sein Recht auf private Versicherbarkeit, kann er seinen Status Quo zu dem Zeitpunkt einfrieren, indem er weiterhin Prämien zahlt. Das ermöglicht ihm je nach Regelung, ohne neue Gesundheitsprüfung zu einem späteren Zeitpunkt die Versicherung weiterzuführen.
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Auch die Ottonova-Tarife können bei Eintritt von Arbeitslosigkeit und Berufsunfähigkeit in eine Anwartschaft umgestellt werden. Das nütze dem Kunden aber nichts, da eine andere Vertragsklausel regle, dass „dann kein Schutz mehr besteht“, so Hennig. Auch eine Erweiterung als ergänzendes Krankengeld zur gesetzlichen Krankenkasse sei nicht vorgesehen.