Die gesetzliche Rente allein wird vielen Menschen keinen auskömmlichen Lebensherbst bescheren – so viel ist bekannt. Erst kürzlich warnte die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di anhand einer Studie, dass der Hälfte der Bevölkerung Altersarmut drohe, wenn das Rentenniveau bis 2030 auf 43 Prozent abrutschen sollte. Experten warnen von einer „Vorsorgelücke“ im Alter, die für einen Haushalt schnell mehrere tausend Euro im Monat betragen kann.

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Also muss ein Rentencheck bei einem Experten her, falls der Sparer nicht selbst über genügend Finanzwissen verfügt, um seine Rentenlücke berechnen zu können. Die Zeitschrift „Finanztest“ (Heft 08/2017) will nun getestet haben, wer die beste Hilfe für die Rente gibt und die tauglichste private Altersvorsorge empfiehlt. Ausdrücklich raten die Verbraucherschützer dabei von Versicherungsvermittlern und Bankberatern ab. Diese beraten „lausig“, so das Fazit.

Grundgesamtheit: Zwei Versicherungsvertreter

Lausig ist zunächst der Test selbst. Tatsächlich sind anonyme Beratungstests ein wichtiges Instrument für den Verbraucherschutz. Doch ab welcher Zahl kann man ein valides Urteil zu einem Berufsstand treffen? Der „Finanztest“-Analyse, immerhin zehn fette Druckseiten umfassend, lagen ganze zwei Testgespräche mit Versicherungsvermittlern zugrunde. Kein Witz: es waren genau zwei! Lausige! Testgespräche!

An dieser Stelle muss man weiter einschränken. Die Tester suchten ausschließlich Versicherungsvertreter auf. Diese kamen von der HDI und der Zurich – und stehen nun stellvertretend für alle Versicherungsvertreter, Versicherungsberater, Versicherungsmakler und unabhängigen Finanzanlagenvermittler, die in Deutschland zur Altersvorsorge beraten. Zwei Personen repräsentieren den gesamten Versicherungsvertrieb, der nach Zahlen der Industrie- und Handelskammern (IHK) circa 250.000 Berufstätige umfasst. Ist die Studie eigentlich repräsentativ?

„Vermittler geben keine Antwort“

Ärgerlich wird es spätestens dann, wenn die „Stiftung Warentest“ von dieser mageren Grundgesamtheit pauschalisierende Aussagen ableitet. „Vermittler gegen keine Antwort“, ist der Absatz überschrieben, der die Testgespräche bei den Vertretern behandelt. Tendenz: Eher keinen Versicherungsvermittler aufsuchen. Die Leser sollen lieber ein Termin bei der gesetzlichen Rentenkasse vereinbaren. Deren Berater würden ihren Job besser machen.

Tatsächlich zeigen die Beratungsgespräche der Vermittler Defizite. Beispiel HDI-Vertreter: Er übersieht bei der Testperson, einer 38jährigen Erzieherin, dass sie eine Anwartschaft auf eine Betriebsrente hat. Diese ist immerhin 274 Euro im Monat wert. Bei der erwarteten gesetzlichen Bruttorente vertut er sich um sage und schreibe 300 Euro. Die Rente errechnet er handschriftlich auf einem Zettel.

Zu allem Übel weigert sich der Vertreter noch, seiner Kundin wichtige Unterlagen auszuhändigen. Zur Erinnerung: Ein Anlagegespräch muss protokolliert werden, hieb- und stichfest. So schreibt es der Gesetzgeber vor. Wer dies unterlässt, hat später vor Gericht schlechte Chancen, wenn ein Mandant behauptet falsch beraten worden zu sein. Ist dieses Beispiel exemplarisch für den gesamten Vertrieb? Hier werden Grundregeln verletzt, die zum Know-how eines jeden Vermittlers gehören sollten!

„Stiftung Warentest“ nennt auch positive Aspekte des Beratungsgesprächs

Immerhin führt der Artikel für den Beratungs-Talk des Versicherungsvertreters auch Positives an. Der HDI-Berater hätte schnell einen Termin gegeben, sich viel Zeit genommen und eine genaue Kenntnis der eigenen und vermittelten Verträge gehabt, in diesem Fall ein Riester-Vertrag. Auch die makroökonomischen Zusammenhänge zum Niedrigzins hätte er gut erklären können. Die Ratschläge zu einer Fonds-Police seien brauchbar gewesen. Dennoch: In der Tendenz rät die Stiftung Warentest eher von Versicherungsvermittlern ab. Von allen. Die Unterschiede der einzelnen Vertriebswege werden weder erklärt noch angesprochen.

Defizite auch bei Beratung der Rentenkasse

Stattdessen rät Finanztest, zunächst eine Beratung über die Deutsche Rentenkasse in Anspruch zu nehmen. Obwohl es auch hier Anzeichen für Defizite gab, was der Artikel zumindest nicht verheimlicht. Zu Riester-, Rürup- und Betriebsrenten hätten die Mitarbeiter der Rentenkasse eher lückenhaft beraten und kein Detailwissen gehabt. Ein Fakt wird dem Leser gänzlich vorenthalten: Der Berater haftet nicht für seine Empfehlung, wie es ein Vermittler tun würde.

Auch zeigte die Qualität der einzelnen Rentenkasse-Berater deutliche Unterschiede. Eine Frau habe ihren Job gut und gründlich gemacht. Ein zweiter Berater präsentierte sich weniger souverän, wie aus dem Artikel hervorgeht. Er empfahl einer Kundin, die fondsgebundene Riester-Police, über lange Jahre gehalten, in einem Riester-Banksparplan umzudecken, obwohl ein solcher Neuvertrag heute kaum noch Zinsen abwirft. Das kann rechnerisch die schlechtere Variante sein. Möglichkeiten, über den Betrieb vorzusorgen, habe der Berater erst auf Nachfrage der Kundin zu erklären versucht.

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Insgesamt hat die „Stiftung Warentest“ zwei Beraterinnen der Rentenkasse, einen Bankberater und zwei Versicherungsvertreter getestet. Reicht das, um die Verbraucher zu informieren? Es wäre wünschenswert, wenn die Beratung zur Altersvorsorge mit Hilfe von anonymen Testkäufen evaluiert wird, und zwar auf breiter Basis und regelmäßig. Das ist zeit- und rechercheaufwendig, weil Experten zu Einzelgesprächen geschickt werden müssen. Aber die Zahl der Tests ist in diesem Fall zu gering, die Aussagen bleiben spekulativ. „Es ist eine Lotterie, ob man eine gute Beratung bekommt“, schreibt das Verbrauchermagazin. Das trifft auch auf den Verbraucherschutz zu.