Lebensversicherung - Beim Rückkaufswert in Standmitteilungen gibt es ein deutliches Manko
In den Standmitteilungen der Lebensversicherungen gibt es ein deutliches Manko, sagt Max Ahlers. Im Interview erklärt uns der Geschäftsführer von Zweitmarkt-Käufer Policen Direkt, was das Stornovolumen über das Vertrauen der Versicherten in die Lebensversicherung aussagt. Zudem erläutert er, wie es um den Zweitmarkt bestellt ist und welchen Einfluss Solvency II und Run-Offs darauf haben.
Herr Ahlers, das Stornovolumen der Lebensversicherungen ist im vergangenen Jahr erneut gesunken. Wie steht es aktuell um die Lebensversicherung?
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2016 ist das Stornovolumen erneut um 5,3 Prozent auf nun 12,4 Milliarden Euro gesunken. In meinen Augen zeigt das in Verbindung mit dem weiter robusten Neugeschäft die Wertschätzung der Kunden angesichts weiter niedriger Zinsen im Kapitalmarkt. Das Vertrauen der Deutschen in die Lebensversicherung ist damit weiter stabil.
Die Versicherten vertrauen also der Lebensversicherung als Anlageprodukt?
Für die Altersvorsorge gibt es kein vergleichbares Produkt mir derartiger Sicherheit. 30 Prozent der Deutschen setzen laut aktueller Forsa-Umfrage hier auf eine Lebensversicherung. Und wer einen alten Vertrag mit hohen Garantiezinsen hat, sollte auch nur verkaufen, wenn dringend Liquidität benötigt wird. Die neuen garantiereduzierten Verträge stoßen bislang beim Kunden allerdings noch nicht auf die gewünschte Resonanz. Doch Versicherer erwirtschaften mit ihren Anlagen wegen des Niedrigzinsumfeldes weniger, gerade auch weil hier die neuen regulatorischen Vorschriften für hohe Garantien entsprechend enge Spielräume setzen.
Sie fühlen der Lebensversicherung regelmäßig auf den Puls. Wie bewerten Sie denn in diesem Zusammenhang Solvency II?
Im Zuge der neuen Pflichtberichterstattung nach Solvency II müssen die Versicherer ihre Solvenzquote quartalsweise veröffentlichen und damit angeben, zu wieviel Prozent sie mögliche Risiken bewältigen können, sprich: das Verhältnis ihrer Eigenmittel zu den möglichen Verpflichtungen. Einmal im Jahr kommen die SFCR, die Berichte zur Solvenz- und Finanzlage dazu, ein erster Schritt für mehr Transparenz beim Fachpublikum – auch aus unserer Sicht als größter institutioneller Versicherungsnehmer. Doch noch sind die Berichte mitunter weit davon entfernt, gut lesbar zu sein und geben die Ergebnisse nicht verständlich genug wieder. Darüber hinaus sind die Berichte oft schwer auf den Websites der Versicherer zu finden. Daher veröffentlichen wir die Quoten aller Versicherer auch auf www.solvenzquoten.de, um diese besser für Versicherte zugänglich zu machen.
Und was sagen Sie zu den Neuerungen der Standmitteilungen?
Auch bei den Standmitteilungen geht es um Übersichtlichkeit und Klarheit. Aktuell herrscht hier ein enormer Wildwuchs. Die Leidtragenden sind die Versicherten. Die neuen Vorschriften für Standmitteilungen sind ein enormer Fortschritt Richtung Transparenz. Für uns erleichtert die Pflichtangabe des Rückkaufswertes die Arbeit beispielsweise enorm. Ein deutliches Manko gibt es hier allerdings: Dass nicht geregelt wurde, wie genau der Rückkaufswert angegeben werden muss. Der Auszahlungsbetrag muss nämlich nicht aufgeschlüsselt angegeben werden.
Gibt es noch weitere Punkte, die Sie kritisieren?
Die Gesetzesnovelle ist noch lange keine Garantie für mehr Verständlichkeit. Auch wenn die Pflichtangaben erweitert wurden, bleibt es weiter den Versicherern überlassen, in welcher Form sie ihre Kunden informieren. Ob Unternehmen den Anlass nutzen, ihre Informationsbriefe nicht nur um die bis dato fehlenden Angaben zu ergänzen, sondern deutlich zu überarbeiten, bleibt abzuwarten. Sowohl der GDV als auch der Bundesverband Vermögensanlagen im Zweitmarkt für Lebensversicherungen (BVZL) haben übrigens brauchbare Muster-Wertmitteilungen erarbeitet.
Was leiten Sie als Marktführer für den Zweitmarkt für Lebensversicherungen aus dem gesunkenen Stornovolumen für den Policenverkauf ab?
Es bleibt dabei: Jede zweite Police wird über die Laufzeit gesehen gekündigt und die Attraktivität des Zweitmarktes für Lebensversicherungen steigt weiter. Das zeigt das 2016 deutlich gestiegene Ankaufsvolumen von 275 Mio. Euro. Trotzdem ist die Quote von 2,2 Prozent aller vorzeitig beendeten Policen weiterhin stark ausbaufähig. Mit anderen Worten: Die meisten Versicherten verschenken mit der Kündigung weiter bares Geld. Wir beobachten immer wieder, dass der Aufwand für den Verkauf einer Lebensversicherungspolice überschätzt wird. Dabei geht das sogar meistens schneller als die Kündigung.
Und wie sieht das beim Thema Widerruf aus? Warum sollte ein Makler seinem Kunden angesichts der sehr lukrativ scheinenden Angebote denn den Zweitmarkt empfehlen?
Beim Verkauf der Lebensversicherung erhalten Versicherte das Geld schnell und sicher. Das gilt auch für die seriösen Mehrerlöse von drei bis fünf Prozent über dem aktuellen Rückkaufswert. Bei einem Widerruf können Versicherte dagegen damit rechnen, dass sich das Verfahren in die Länge zieht. Gerichte prüfen jeden Fall einzeln und Versicherer stellen auch bei erfolgreichem Widerruf die versicherte Zeit in Rechnung. Da haben sie als Versicherter das Geld nicht wie beim Verkauf nach vier bis sechs Wochen auf dem Konto, sondern mitunter erst nach einigen Monaten oder gar Jahren. Bei einem akuten Liquiditätsbedarf ist ein Widerruf oder die Kündigung also definitiv nicht die ideale Lösung. Andere sinnvolle Gründe, eine hochverzinste Altpolice vorzeitig zu beenden, gibt es nicht.
Was raten Sie Maklern?
Vergessen Sie als Makler nicht, dass jeder Widerruf begründet sein muss: Wenn ein Kunde regelmäßig Dynamiken in Anspruch genommen hat oder die Lebensversicherung zur Immobilienfinanzierung abgeschlossen hat, kann der Fall damit schon erledigt sein. Wenn Sie dann noch einen professionellen Abwickler empfohlen haben, der den Kunden ordentlich zur Kasse bittet, kann das der Kundenbindung empfindlich schaden. Denn tendenziell sind die Verträge, die von den Rechtsdienstleistern bevorzugt durchgefochten werden, auch diejenigen, die mit ihren hohen Garantiezinsen für die Altersvorsorge nicht adäquat zu ersetzen sind.
Wer Liquidität braucht, kann meist nicht so lange warten, bis ein Urteil gefällt ist. Und wer einen Vertrag besitzt, dessen Widerruf potenziell viel bringt und nicht auf das Kapital angewiesen ist, kann das Geld aktuell kaum ähnlich sicher und hochverzinst wiederanlegen.
Aktuell plädieren sogar seriöse Experten wie Finanztest für den Widerspruch von Lebensversicherungen. Welche Auswirkungen hat das auf Ihr Geschäft?
Wir können hier keinen Einfluss auf unser Ankaufsvolumen feststellen. Obwohl wir seit geraumer Zeit erhöhte PR- und Werbeaktivitäten feststellen, die den Widerruf von Lebensversicherungen anpreisen, scheint das tatsächliche Geschäft in keinem Verhältnis dazu zu stehen.
Auch Run-Off ist aktuell ein großes Thema in der Lebensversicherung. Wie wirkt sich das auf den Zweitmarkt aus, wenn künftig Player wie Athene im großen Stil Bestände aufkaufen?
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Bei der Bewertung der Verträge ist der Run-Off für uns aktuell kein relevanter Aspekt. Wir vertrauen der Bafin, dass die Verträge nach einer Bestandsübertragung nicht anders behandelt werden dürfen. Daher sind andere Entwicklungen zum Beispiel bei der Höhe des Zinses viel entscheidender als ein Wechsel des Eigentümers.