Klaus-Jürgen Heitmann, Vorstandssprecher der HUK Coburg. Quelle: Pressefoto huk.deModerne Autos sind im Grunde rollende Computer, die eine Unmenge von Daten über den Fahrer sammeln. Und das könnte sich zukünftig noch verschärfen. Spätestens ab März 2018 müssen alle neuen Autos ab Werk mit einem elektronischen E-Call-Ortungssystem ausgestattet sein – so schreibt es die Europäische Union vor. Es soll erlauben, dass nach einem schweren Unfall automatisch Helfer informiert und herbeigerufen werden, ohne dass der Fahrer tätig werden muss. Rein theoretisch könnte die Technik auch aufzeichnen, wann sich jemand wo mit seinem Gefährt aufgehalten hat.

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Diese Daten wecken auch bei Firmen Begehrlichkeiten. Sie erlauben es, dem Autonutzer passgenaue Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Und so ist nun eine Debatte darüber entbrannt, wer zukünftig auf die Fahrzeugdaten zugreifen und sie nutzen darf. Jürgen Heitmann, Chef von Deutschlands größtem Autoversicherer HUK Coburg, warnt nun, dass diese Daten nicht allein den Autoherstellern vorbehalten bleiben dürfen, so dass diese ein Datenmonopol entwickeln können.

„Es darf kein Datenmonopol der Autobauer geben“

"Es darf kein Monopol der Autohersteller geben, Monopole sind immer schlecht und teuer", sagte der neue Vorstandschef Klaus-Jürgen Heitmann der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Und erhebt explizit Ansprüche auf die Daten des Ortungssystems. "Wenn Sie künftig in einem vernetzten Auto eine Panne haben, dann müssen nicht mehr Sie den Abschleppdienst anrufen, Sie werden angerufen, ob Sie Hilfe brauchen", sagte Heitmann. "Und der Anrufer weiß dann, wo Sie stehen, was an Ihrem Auto kaputt ist und ob sofort geholfen werden kann."

Diese Daten können auch Versicherer nutzen – zum Beispiel, indem sie dem Versicherten eine Vertragswerkstatt vorschlagen und ihn dafür mit Prämien-Rabatten belohnen. Oder indem Unfallgutachter auf die Daten zugreifen können. Hier müssten die Verbraucher die Wahlmöglichkeit haben: Der Gesetzgeber solle darauf achten, dass „idealerweise so viel Wettbewerb wie möglich“ bestehen bleibe, so Heitmann.

Offene Schnittstellen im Auto gefordert

Notwendig seien für einen funktionierenden Wettbewerb vor allem offene Schnittstellen im Auto, die auch Versicherer diskriminierungsfrei nutzen dürften, so Heitmann. Mit der jetzt angedachten Technik zeigt sich der Vorstand unzufrieden. Es werde ein Konzept favorisiert, „wonach die Autohersteller die Daten auf ihre Server schaufeln und der Inhalt dieser Server wird gedoppelt, damit andere zugreifen können“, so Heitmann. Aus Sicht der Versicherungswirtschaft würden sich hier viele Fragen stellen, etwa ob die Daten vollständig und unmittelbar übertragen werden, wer die Zugriffsrechte verwaltet und was der Zugriff kostet.

Zwar könne er auch den Einwand der Autobauer verstehen, führt Heitmann laut dpa aus, dass nicht jeder einfach Zugriff auf die Technik haben darf – etwa, um Autos fremdzusteuern. Aber er fürchtet, dass die Versicherer vom Zugriff auf die Daten abgeschnitten werden. Verschenktes Potential, um Kunden zu binden und ihnen Zusatzleistungen anzubieten.

E-Call-Daten auch für Telematik-Tarife interessant

Zusätzliche Relevanz erhält die Frage, wer auf die Daten zugreifen darf, durch die Telematik-Tarife in der Kfz-Versicherung: Versicherungstarife also, bei denen eine App das Fahrverhalten misst und eine vorsichtige Fahrweise mit Prämienersparnissen belohnt. Zwar haben es diese Angebote in Deutschland besonders schwer, auch wegen den Datenschutz-Bedenken der Bevölkerung. Doch jüngst meldete der HUK-Konkurrent Allianz einen ersten Achtungserfolg. Seit Einführung des Telematik-Tarifes „Bonus Drive“ im Mai 2016 habe man bereits 31.500 Telematik-Verträge vermitteln können.

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Diesbezüglich argumentiert das Ratinghaus Assekurata, die Popularität der Telematikangebote könnte künftig steigen, wenn ab März 2018 alle Neuautos mit einem E-Call-Ortungssystem ausgestattet sein werden. Aktuell ist es noch notwendig, eine extra Black Box oder andere Technik im Auto zu installieren, wenn der Kunde Telematik nutzen will. Diese Notwendigkeit entfällt dann – sofern auch Versicherer die Daten der Ortungstechnik nutzen dürfen. „Dank E-Call wäre künftig die notwendige Technologie zum Erfassen und Senden der Daten bereits in den Fahrzeugen installiert, so dass sich Angebot und Nachfrage mittelfristig weiter erhöhen dürften“, sagt Dennis Wittkamp, Senior-Analyst bei Assekurata.

dpa