Joachim Müller, Vorstand Sach bei der Allianz. Foto: Allianz Deutschland AGDie Allianz Versicherung denkt über Autoversicherungen nach, die autonomes Fahren mit Rabatten belohnen. Grund ist die Annahme, dass autonome Fahrsysteme auch die Unfallzahlen deutlich reduzieren werden. Das geht aus einem Interview hervor, dass Joachim Müller, Vorstand Sachversicherung der Allianz, der Zeitung „Die Welt“ gab.

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Selbstfahrende Autos werden das System der Kfz-Versicherung nicht völlig auf den Kopf stellen, sagte Müller der „Welt“. Aber die Allianz wolle sich die Unfallstatistik ganz genau anschauen und die Ergebnisse auch in die Tarifgestaltung einfließen lassen. „Ich erwarte, dass die Unfallzahlen mit Verbreitung von automatisiert fahrenden Autos zurückgehen. Menschen machen einfach mehr Fehler als intelligente IT-Systeme, auch im Straßenverkehr“, sagte Müller.

Telematiktarife belohnen bereits umsichtige Fahrweise

Schon jetzt belohnen zahlreiche Versicherer eine vorsichtige Fahrweise bei sogenannten Telematiktarifen: Autoversicherungen also, bei denen das individuelle Fahrverhalten des Versicherten mittels einer App gemessen wird und die Daten in die Prämie einfließen. Auch die Allianz hat mit „BonusDrive“ einen solchen Tarif im Angebot.

Zwar sind Telematik-Autoversicherungen noch immer ein Nischenthema in Deutschland. Die Allianz konnte aber in ihrem letzten Quartalsbericht einen kleinen Achtungserfolg melden: Zwischen der Markteinführung im Mai 2016 und Ende Juli 2017 konnte die Allianz 31.500 „BonusDrive“-Policen vermitteln.

Schon 2020 autonome Autos in Serienreife?

Spezielle Autoversicherungen für voll- oder teilautonomes Fahren gibt es aber noch nicht auf dem deutschen Markt – auch, weil nur wenige Modelle ein solches Fahren erlauben, zum Beispiel von Tesla. Doch die Hersteller forschen bereits eifrig an autonom fahrenden Autos. Unter anderem haben Audi, BMW und Mercedes entsprechende Testfahrzeuge in Erprobung. Bundesverkehrsminister Dobrindt gab bereits 2014 die Autobahn 9 für autonome Testfahrten frei. Baden-Württemberg plant dies für die A81, Niedersachsen für die A2, A7 oder A81.

Joachim Müller hatte sich bereits Ende 2016 zu Kfz-Versicherungen für autonome Autos geäußert. "Um das Jahr 2020 könnten die ersten hochautomatisierten Autos marktreif sein", schrieb Müller in einem Text für den Focus, der auch auf der Webseite der Allianz veröffentlicht ist. "Ihr Autopilot wird sie über weite Strecken steuern. Nur in schwierigen Situationen, beispielsweise bei plötzlichem Schneefall, werden die Systeme den Fahrer auffordern, die volle Kontrolle zu übernehmen."

Die Entwicklung zum autonomen Fahren sei unumkehrbar, argumentiert Müller. Und verweist darauf, dass teilautonomes Fahren bereits möglich ist: "In bestimmten Situationen wird der Fahrer durch Assistenzsysteme wie Abstandshalter, Spurwechselhelfer und automatische Notbremssysteme entlastet". Folglich müsse sich auch die Versicherungswirtschaft dieser Entwicklung stellen.

Deutsches Versicherungssystem auch für autonomes Fahren geeignet

Dass ein möglicher Trend zum autonomen Fahren die Kfz-Versicherung komplett umkrempeln wird, weil zum Beispiel die Autohersteller statt des Fahrers haften, erwartet Müller aber nicht. Im Gegenteil: "Wenn es das deutsche Haftungs- und Versicherungssystem in seiner derzeitigen Form nicht schon gäbe, müsste man es geradezu erfinden, um automatisiertem Fahren in seinen verschiedenen Entwicklungsstufen den passenden rechtlichen Rahmen zu geben", argumentiert der Vorstand.

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Notwendig sei es vor allem, unschuldige Unfallopfer zu schützen, wofür das deutsche Versicherungsrecht einen idealen Rahmen vorgebe. Dabei basiere der Schutz des Opfers auf drei Säulen, so Müller: "Wichtigste Säule ist die Gefährdungshaftung des Halters für jeden Schaden, der beim Betrieb eines Kfz passiert. Daneben stehen die verschuldensabhängige Haftung des Fahrers und die Produkthaftung des Herstellers. Das Haftungssystem wird versicherungsrechtlich von der Versicherungspflicht des Kfz-Halters gestützt, so dass auch bei hoch- oder vollautomatisierten Fahrzeugen sichergestellt ist, dass ein unschuldiges Verkehrsopfer seine Entschädigung erhalten wird."