Lebensversicherung - ein Fünftel des Vertragsvolumens auf Halde?
Die Lebensversicherer werden bis zum Jahr 2022 fast ein Fünftel ihres Vertragsbestandes auf Halde legen und das Neugeschäft in den betreffenden Tarifen einstellen, prognostiziert das Ratinghaus Fitch in einer am Montag veröffentlichten Studie. Policen mit einem Volumen von 180 Milliarden Euro würden dann abgewickelt.
Ein Fünftel des kompletten Vertragsvolumens auf Halde? Dieses Schicksal droht den deutschen Lebensversicherungs-Kunden nach Schätzungen des Ratingagentur Fitch bis zum Jahr 2022. Lebensversicherungen mit einem Volumen von 180 Milliarden Euro werden dann voraussichtlich nur noch abgewickelt, ohne dass die Kunden für das gleiche Produkt neue Verträge abschließen könnten. Auf die Studie macht aktuell die Nachrichtenagentur Reuters aufmerksam.
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Derzeit befinde sich auf dem deutschen Leben-Markt bereits ein Volumen von 90 Milliarden Euro in der Abwicklung, berichtet Fitch weiter. Das betreffe neun Prozent des Bestandes. Aktuell würden die Versicherer ihre Policen noch selbst verwalten. Aber zunehmend werde es auch attraktiver, die Verträge an externe Investoren zu verkaufen – darunter Hedgefonds und sogenannte Bestandsverweser wie die „Heidelberger Leben“, die sich auf die Abwicklung von Altbeständen spezialisiert haben.
„Dieser Trend ist getrieben von niedrigen Zinsen und höheren Kapitalanforderungen unter Solvency II, die die Rentabilität von traditionellen Produkten mit Zinsgarantien unter Druck setzen“, schreibt Fitch. Und betont, dass man zunächst diesen Trend unterschätzt habe. Dass nun speziell auch die Generali mit einem Run-off liebäugle und damit einer der größten Anbieter auf dem Markt, habe eine Neubewertung erfordert. Zuletzt hatte Fitch noch ein Run-off-Volumen von 150 Milliarden Euro prognostiziert. Im September hatte die Generali angekündigt, den rund 40 Milliarden Dollar umfassenden Bestand der deutschen Tochter Generali Leben abwickeln zu wollen.
Widerstand gegen Run-off-Pläne: Auch Mitarbeiter der Versicherer protestieren
Doch das Abwickeln von Leben-Altbeständen ist umstritten. Sinn macht ein Run-off vor allem dann, wenn die Verwaltungskosten gebündelt und gedrückt werden können. Auch die Abschluss- und Vertriebskosten entfallen bei fehlendem Neugeschäft. Doch die Kunden wollen weiter beraten und betreut werden, bis ihr Vertrag ausläuft – möglichst kompetent und gut. Ist das garantiert, wenn plötzlich ein Hedgefonds die Policen verwaltet?
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sieht den Run-off-Boom deshalb skeptisch. Sie fürchtet, dass die Bestände als eine Art „Bad Bank“ für Versicherer mit finanziellen Engpässen herhalten müssen. Die Finanzaufsicht werde solche Vorgänge sehr genau beobachten, insbesondere mit Hinsicht auf die Einhaltung der gesetzlichen Belange der Versicherungsnehmer, hatte sich BaFin-Chef Felix Hufeld bereits zum Jahresanfang 2016 positioniert (der Versicherungsbote berichtete).
Auch bei den Mitarbeitern der Versicherer regt sich Widerstand. Nachdem bekannt wurde, dass auch die Ergo einen Verkauf ihrer Töchter Ergo Leben und Victoria an einen Bestandsverweser oder externen Investor prüft, hat der Ergo-Betriebsrat am Freitag eine außerordentliche Versammlung in Hamburg einberufen. Jahrzehntelange Finanzbeziehungen mit den Kunden der Ergo dürften nicht „wie ein klappriger Gebrauchtwagen an Hedgefonds oder chinesische Investoren verramscht werden“, sagte Tobias Münster, Vorstandsvize der Neuen Assekuranz-Gewerkschaft (NAG). Der Gewerkschafter kündigte einen „massiven Widerstand“ der Beschäftigten an. Bereits am Freitag protestierten circa 1.000 Ergo-Beschäftigte in der Hansestadt.
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Auf dem Spiel steht hierbei nicht weniger als die Zukunft der privaten Vorsorge. "Was Verbraucherschützer in Jahrzehnten nicht geschafft haben, erledigen die großen Versicherungskonzerne nun im Vorbeigehen: Sie zerstören den Ruf der Lebensversicherer als zuverlässiger Garant der langfristigen Altersvorsorge", kommentiert Versicherungs-Korrespondent und Branchenkenner Herbert Fromme in der Süddeutschen Zeitung. Die Versicherer hätten ihren Kunden die Treue geschworden - "nun drücken sie sich". Die Bereitschaft der Verbraucher könnte weiter sinken, die Absicherung für den Lebensabend in die Hände eines privaten Anbieters zu legen.