Digitalisierung - Arbeitsplatzvernichter oder Jobmotor?
Die Digitalisierung vernichtet Arbeitsplätze, weil immer mehr Prozesse automatisiert werden? Nein, so einfach ist es nicht. Denn während viele Versicherer den Rotstift ansetzen und den Jobabbau mit dem Trend zu digital begründen, ist die Digitalbranche zum größten Industrie-Arbeitgeber Deutschlands aufgestiegen. Das zeigen neue Zahlen des Branchenverbandes Bitkom.
Die Digitalisierung vernichtet Arbeitsplätze - so ein gern gepflegtes Klischee. Und tatsächlich haben viele große Versicherer wie die Generali oder die Ergo im Innendienst den Rotstift angesetzt, weil Mitarbeiter in Zeiten von Apps und Dunkelverarbeitung entbehrlich scheinen. Es gibt aber noch eine andere Seite: so, wie der Trend zu digital Arbeitsplätze vernichtet, schafft er auch neue.
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Informationstechnik größter Industrie-Arbeitgeber
Vor diesem Hintergrund lässt eine Prognose des Branchenverbandes Bitkom aufhorchen. Bis zum Jahresende 2017 werde die Informationstechnik und Telekommunikation (ITK) 30.000 neue Jobs schaffen, schreibt der Verband. Die Branche wird dann bundesweit 1,08 Millionen Menschen beschäftigen und der größte Industrie-Arbeitgeber der Bundesrepublik sein: größer noch als die Autobranche, die derzeit 880.000 Menschen in Lohn und Brot bringt.
„Allein in den vergangenen drei Jahren sind fast 100.000 neue Jobs entstanden, die Bitkom-Branche ist mittlerweile der größte industrielle Arbeitgeber in Deutschland – vor Leitindustrien wie dem Maschinen- oder dem Automobilbau“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. Für 2018 erwartet Berg, dass weitere 30.000 Hightech-Jobs neu geschaffen werden.
Zum Vergleich: In der Versicherungswirtschaft sind derzeit über eine halbe Million Menschen direkt erwerbstätig, so geht aus Zahlen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hervor: nur etwa halb so viel wie in der Digi-Branche. Hierzu zählen circa 300.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und circa 250.000 selbstständige Versicherungsvermittler und -berater.
Wünsche an die neue Bundesregierung
Doch die Digital-Branche hat ein Problem, das auch die Versicherungswirtschaft ganz gut kennt: Es mangelt an qualifiziertem Nachwuchs. Schon zum Jahresende 2016 fehlten der deutschen Wirtschaft 51.000 IT-Spezialisten, berichtet Achim Berg: Tendenz steigend. Und auch bei den Investitionen in digitale Technologien stehe Deutschland im internationalen Vergleich nicht gut da. Laut einer früheren Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) investieren nicht nur Staaten wie die USA und Großbritannien mehr in digitale Technik, sondern auch Japan und Südkorea.
Deshalb appelliert Bitkom an die neue Bundesregierung, sie möge deutlich mehr Geld in die Digitaltechnik stecken. Von den 25 Milliarden Euro, die Bund und Länder jedes Jahr in die Forschung stecken, solle jeder zweite Euro künftig für Digitales eingesetzt werden, fordert Berg. Zwar habe Deutschland bei Schlüsseltechnologien wie Blockchain, 3D-Druck oder der Künstlichen Intelligenz eine gute Ausgangsposition – die es aber zu verteidigen gilt.
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Studien der Bitkom hätten gezeigt, dass rund 20 Millionen Bürger mit digital nichts anzufangen wüssten, berichtet Lobbyist Berg. Auch kleine und mittelständische Firmen hätten Nachholbedarf. „Etwa jeder vierte Bürger empfindet sich im digitalen Abseits und jedes fünfte Unternehmen weiß nicht, wie es mit der Digitalisierung umgehen soll. Im internationalen Vergleich sind unsere Infrastrukturen nicht so leistungsfähig und intelligent wie in anderen Ländern, Autos stehen mit laufendem Motor an roten Ampeln vor leeren Kreuzungen, in unseren Verwaltungen stapeln sich weiter Aktenberge, in den Schulen herrscht Kreidezeit", spitzt Berg zu. Und fordert von der neuen Regierung eine Digital-Offensive.