Was die Reform der Betriebsrente 2018 bringt
Die Reform der Betriebsrente tritt zu Jahresbeginn 2018 in Kraft und stärkt die Rolle der Sozialpartner. Worauf es jetzt ankommt, um mehr Menschen zu versorgen und Altersarmut zu vermeiden, beschreibt Uwe Laue, Vorstandsvorsitzender der Debeka. Das Unternehmen hat mit vier weiteren genossenschaftlich geprägten Versicherern „Das Rentenwerk“ gegründet.
Mit Sparen fürs Alter verhält es sich wie mit leichtem Ausdauersport: Viele Menschen wissen um dessen Vorzüge – und überwinden sich trotzdem nicht oft genug. Das trifft besonders auf Betriebsrenten zu, die nur acht Prozent der Alterseinkommen ausmachen und damit das fristen, was gemeinhin als „Schattendasein“ gilt. Der rekordverdächtige Anstieg der Beschäftigung in den letzten Jahren hat daran nichts geändert. Vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen fehlen Angebote und gerade bei Geringverdienern klaffen Lücken. So fürchten sich laut einer Umfrage inzwischen mehr als Drei Fünftel der Deutschen vor Altersarmut.
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Nun soll die Reform der Betriebsrente das Problem verringern: Kurz vor dem Wahlkampf-Sommer ging das Gesetz durch Bundestag und Bundesrat und stieß auf selten einhelliges Lob, trotz Kritik an Details: Von einer „guten“ Reform sprach die Süddeutsche Zeitung, von einem „großen Wurf“ Die Welt, von einem Ansatz „endlich an der richtigen Stelle“ die Frankfurter Allgemeine.
Ob das Gesetz aber seinen Zweck wirklich erfüllen wird, hängt an der Qualität der Angebote ebenso wie an der Kraft der Kommunikation in Richtung Mitarbeiter. Das Vorhaben kann gelingen – aber bedarf überzeugender Botschaften, um Skepsis zu überwinden.
Qualität der Angebote
Die Reform bedeutet mehr Wettbewerb. Bisher haben wenige Versicherer einen Markt dominiert, der erst durch die Reform in Bewegung gekommen ist. Mehrere Unternehmen ringen jetzt um das beste Angebot – im Sinne der Beschäftigten. Das neu gegründete „Rentenwerk“ etwa umfasst gleich fünf genossenschaftlich geprägte Versicherer, die gemeinsam eine Betriebsrente bieten: Barmenia, Debeka, Gothaer, HUK-COBURG und Die Stuttgarter. Ihr Ziel: Ein transparentes und kostengünstiges Produkt, das auch im Umfeld niedriger Zinsen attraktive Renditen ermöglicht – und das die Tarifparteien nach Bedarf anpassen können.
Denn die Bundesregierung hat die Rolle von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern gestärkt, das heißt: Viel Flexibilität und große Verantwortung bei der Neugestaltung der Altersversorgung. Zudem senkt das Gesetz die Hürden für Arbeitgeber, überhaupt eine Betriebsrente anzubieten: Mussten Unternehmen bisher Zusagen durch Rücklagen absichern, fällt diese Pflicht mit der sogenannten Zielrente weg.
Kraft der Kommunikation
Was den Arbeitgebern hilft, ist zugleich die größte kommunikative Herausforderung des neuen Gesetzes: In der „Zielrente“ fehlen garantierte Zusagen über Bezüge im Alter. Viele Deutsche dürften darauf skeptisch reagieren, zeigen doch alle Untersuchungen, wie sicherheitsorientiert sie ihr Geld anlegen.
Die Reform leitet hier einen Paradigmenwechsel ein: Bisherige Angebote der staatlich geförderten Altersversorgung kannten stets Garantien, etwa bei Riester. Damit Arbeitnehmer die neuen Produkte überhaupt annehmen, sollten Versicherer und Sozialpartner die Vorteile der „Zielrente“ offensiv erklären. Gerade die Gewerkschaften sind gefragt: Es muss gelingen, Arbeitnehmer zu überzeugen, dass sie vom Wegfall der Garantien nach allem Dafürhalten profitieren, kann doch ein größerer Teil der Beiträge in Anlagen fließen, die mehr Gewinn versprechen. Dass mancher Kritiker deshalb von „Casino“ spricht, mag aus PR-Sicht effektiv sein – verantwortungsvoll ist es nicht. Schlimmstenfalls hält das Arbeitnehmer ab, für später zurückzulegen.
Als Versicherer antworten wir auf solche Bedenken oft mit komplexen Formeln und nicht minder komplexen Formulierungen, teils rechtlich bedingt. Mehr denn je müssen wir uns jetzt bemühen, mit einfachen Botschaften die Arbeitnehmer zu erreichen: Etwa, dass Betriebsrenten trotz niedriger Zinsen durch die Reform attraktiver werden, dank der Zuschüsse; und dass Geringverdiener mehr profitieren, weil der Staat sie ergänzend unterstützt.
Die Details klingen schon komplizierter: Dass im Alter rund 200 Euro nicht auf die Grundsicherung angerechnet werden; dass Unternehmen ab 2019 bei neuen Verträgen 15 Prozent zuschießen müssen; dass Arbeitgeber mehr steuerlich absetzen können, wenn sie Geringverdienern helfen; dass Beschäftigte künftig bis zu acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze steuerfrei für die Betriebsrente umlenken dürfen – all das ist wichtig für die Attraktivität des Angebots und doch schwer zu vermitteln.
"Nudge" - Anstoß für mehr Vorsorge
Gerade deshalb wäre eine automatische Mitgliedschaft mit Opt-out-Option – also einem Ausstiegsrecht – sicher bedenkenswert gewesen, wie sie etwa die Verhaltensökonomen Richard H. Thaler und Cass R. Sunstein für die betriebliche Altersversorgung empfehlen: In ihrem Buch „Nudge“ beschreiben sie, wie die Politik durch sanfte Anstöße das Wohl der Bürger mehren kann. Im Gesetz fehlt dieser als „Schubser“ übersetzte „Nudge“; so liegt der Ball im Feld von Sozialpartnern und Versicherern, die jetzt Belegschaften vom Sinn der Reform überzeugen sollen: Eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, muss doch ein Fünftel der 67-Jährigen des Jahres 2036 voraussichtlich mit weniger als 958 Euro netto im Monat auskommen, wie eine Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung zeigt.
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Gegen Niedrigzinsen und die alternde Gesellschaft lässt sich kurzfristig wenig ausrichten – gegen eine solche Unterversorgung schon. Hier liegt der wichtigste Hebel der neuen Betriebsrente, hierauf ruht die Hoffnung der Politik, den inneren Widerspruch zwischen Angst vor Altersarmut und Mangel an Vorsorge endlich aufzulösen.
Uwe Laue