Bestandsnachfolge - Verkaufen oder „Ausbluten“ lassen?
Mehr als die Hälfte der Versicherungsmakler braucht sofort oder bald einen neuen Inhaber. Eine planmäßige Nachfolge scheitert aber oft. Dafür gibt es viele Beispiele und Gründe. Einige Faktoren sollen hier analysiert und bewertet werden. Ein Gastkommentar von Dr. Peter Schmidt.
Auf einer der letzten Maklermessen hatte ich ein unvergessliches Erlebnis. Ein älter Makler, das Outfit hatte auch schon bessere Zeiten gesehen, stand eine Weile am Buffet und ging dann zu einer der angebotenen Sitzgruppen. Mit seiner gebrechlichen Figur versank er fast im Ledersessel. Die Arme auf den Lehnen schlief er sofort ein. Großes Mitgefühl oder soll ich sagen Mitleid, stieg bei mir auf. Dazu die Frage: Warum tut dieser Makler sich das an?
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Demografie wirkt auch in der Vermittlerbranche
Nun ist es kein Geheimnis mehr, dass Deutschland ein demografisches Problem hat. Dieses macht auch um Selbstständige oder Versicherungsvermittler keinen Bogen. In der gesamten Volkswirtschaft steht bei 135.000 Familienunternehmen die Nachfolge an.
Die Situation bei den Versicherungsmaklern ist vergleichbar. Ausgehend von den aktuellen Zahlen der IHK zu registrierten Versicherungsmaklern in Höhe von 46.836 (Stand: April 2017) sowie den prozentualen Anteilen verschiedener Altersgruppen aus einer aktuellen Studie von Beenke und Radtke (FH Dortmund), haben wir in Deutschland zirka 1.356 Makler in der Altersgruppe über 70 Jahre, 4.913 Makler in der Altersgruppe der Sechziger und 18.950 Makler in den Fünfzigern.
Leider hat nur ein geringer Teil dieser Vermittler 50plus einen konkreten Plan, wie man eine geordnete Nachfolge bei Notfall wegen Krankheit und Tod oder bei einem planmäßigen Ausstieg angeht. Deshalb wechseln eben auch jährlich mehrere hundert Maklerbestände den Betreuer in der Weise, dass diese an Versicherer oder Pools zurückfallen.
Knowhow um mehrere Alternativen für die Nachfolge
Wie man die Nachfolge konkret gestalten soll, wissen viele Makler nicht. Dabei gibt es zahlreiche Möglichkeiten, wie man das Thema frühzeitig und umfassend angehen kann. Wer seine Nachfolge auf den letzten Drücker oder ganz spontan lösen möchte, scheitert oftmals an der unerwarteten Komplexität des Themas oder muss dann irgendwann notgedrungen große Einbußen beim Bestandsverkauf hinnehmen.
Neben der Suche nach einem Nachfolger sind natürlich der komplette oder teilweise Verkauf, eine Aufspaltung der Firma oder des Bestandes sowie Formen der Verrentung möglich. Knackpunkt für alle Formen wird der erzielbare Kaufpreis oder die Höhe der laufenden Vergütung. Und dazu gibt es immer wieder viele Enttäuschungen.
Die Mehrzahl der „verkaufenden“ Makler überschätzt den Wert der eigenen Firma und unterschätzt, dass sich die Anforderungen an diese Kaufobjekte gewandelt haben. Zunehmende Digitalisierung, die Notwendigkeit der Dokumentation, eine geänderte Betrachtung von Leben- und Krankenbeständen oder auch der Blick auf den Ertrag einer Firma wirken sich auf einen soliden Kaufpreis stärker als noch vor Jahren oder Jahrzehnten aus.
Bestand ausbluten lassen? Nicht im Kundeninteresse!
Dazu kommen auch noch psychologische Aspekte des „Nicht-Loslassen-Wollens“. Ein Makler, der seinen Job gern macht und keinen erwarteten Kaufpreis erzielen kann, wird geneigt sein, den Bestand mehr oder weniger betreut „ausbluten“ zu lassen. Er übersieht dabei, dass sich daraus Haftungsrisiken ergeben und der Bestand wegen Nichtbetreuung auch schnell an die Produktgesellschaft zurückfallen kann.
Denken wir nur an den Fall, dass bei einer Sachversicherung der Kunde eine Deckungserweiterung möchte, der Makler nicht reagiert und durch eine direkte Kundenanfrage bei der Versicherung der Fall der Nichtbetreuung bekannt wird. Viele Courtagevereinbarung sehen für diesen Fall negative Folgen für den Makler vor und im Kundeninteresse ist so eine Verfahrensweise überhaupt nicht.
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Der Verzicht auf die rechtzeitige Nachfolgeplanung und die Einbindung von spezialisierten Experten mit entsprechendem Know-how führen dann zwangsläufig zur Vernichtung von Werten und lassen eine optimale Altersversorgung scheitern.