Bürgerversicherung ist nun wieder ein Thema
FDP-Chef Christian Lindner hat Jamaika platzen lassen – damit könnte er der privaten Krankenversicherung einen Bärendienst erwiesen haben. Denn plötzlich ist auch eine Bürgerversicherung wieder im Gespräch. Mehrere SPD-Politiker machen die Bürgerversicherung zur Bedingung für die große Koalition – und ihre Verhandlungsposition hat sich nach dem Scheitern von Jamaika verbessert.
Nachdem die Koalitionsgespräche zwischen Union, FDP und Grünen über ein Jamaika-Bündnis gescheitert sind, ist nun auch die Abschaffung der privaten Krankenversicherung (PKV) wieder ein Thema. Mehrere SPD-Politiker haben hohe Hürden für für Gespräche über eine mögliche Neuauflage der Großen Koalition gestellt. Diese betreffen auch die Sozial- und Krankenversicherung: die Bürgerversicherung zählt hierbei zu den wichtigsten Forderungen.
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„Ohne Bürgerversicherung können wir uns das sparen“
Wenn die Union beim Thema Bürgerversicherung nicht einschwenke, könne man sich jedes weitere Gespräch sparen, sagte der rheinland-pfälzische SPD-Fraktionsvorsitzende Alexander Schweitzer in der "Welt am Sonntag". „Unser Rentenkonzept gilt, wir brauchen die Bürgerversicherung und einen beherzten Schritt in Richtung einer europäischen Sozialunion“, so Schweitzer.
Auch der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Karl Lauterbach nannte indirekt als Voraussetzung für ein Regierungsbündnis, dass die private Krankenvollversicherung abgeschafft werde. „Es ist klar, dass es in Deutschland Altersarmut, Zweiklassenmedizin, ungerechte Bildungschancen und Wohnverhältnisse gibt. Wir werden sehen, ob die Union bereit ist, sich in Richtung eines gerechteren Landes zu bewegen“, sagte der Gesundheitsexperte ebenfalls der Welt am Sonntag. Sofern sich die Unionsparteien nicht bewegten, „haben wir keine Chance, Neuwahlen zu verhindern“.
SPD befürwortet „Bürgerversicherung light“
SPD-Chef Martin Schulz war am Freitag bei einem Treffen der SPD-Nachwuchsorganisation Jusos in Saarbrücken von seiner grundsätzlichen Absage an eine große Koalition abgerückt. Die Parteibasis soll dazu das letzte Wort haben. „Sollten die Gespräche dazu führen, dass wir uns an einer Regierung beteiligen könnten, werden die Mitglieder unserer Partei darüber abstimmen“, sagte Schulz vor Pressevertretern.
In den Vorstandsetagen der privaten Krankenversicherer dürfte man die neuen Töne mit Sorge hören. Denn die Verhandlungsposition der SPD hat sich gestärkt, nachdem die Jamaika-Gespräche gescheitert sind. Das ist auch in der SPD mittlerweile angekommen. So kündigte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer an, dass man mögliche Sondierungsgespräche selbstbewusst führen wolle. „Frau Merkel ist bei Lage der Dinge doch nicht in einer Position, in der sie Bedingungen stellen kann“, sagte die SPD-Politikerin dem „Trierischen Volksfreund“.
In der Krankenversicherung spricht sich die SPD für eine Art „Bürgerversicherung light“ aus. Zwar soll auch den Privatversicherern zukünftig erlaubt sein, im Neugeschäft Krankenvollversicherungen anzubieten. Aber nur zu den selben Konditionen wie die gesetzlichen Krankenkassen. Eigenständige PKV-Tarife, die etwa höhere Arzthonorare bei der Behandlung von Privatpatienten vorsehen, soll es demnach im Neugeschäft nicht mehr geben dürfen.
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Kritische Stimmen kamen aus der Union. Die Vorsitzende der CDU in Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner, forderte die SPD auf, vor den Gesprächen keine Forderungen - etwa nach einer Bürgerversicherung - zu stellen. Die Abschaffung der privaten Krankenversicherung würde am Ende allen Versicherten teurer zu stehen kommen. Auch der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer warnte die SPD davor, zu viele Bedingungen zu stellen. Es dürfe keine "große Koalition um jeden Preis" geben, sagte er der "Bild am Sonntag".