Widerspruch - Lebensversicherung muss bei Fondspolice das Verlustrisiko tragen
Lebensversicherer müssen bei einem Widerspruch einer fondsgebundenen Lebensversicherung das Risiko von Fondsverlusten tragen. Betroffen sind Abschlüsse nach dem Policenmodell und dessen oft unzureichenden Widerrufsbelehrungen. Das hat das Oberlandesgericht Köln entschieden.
In den Jahren 1994 bis 2007 erhielten Kunden beim Abschluss einer Lebensversicherung, die nach dem Policenmodell zustande kamen, die vollständigen Vertragsbedingungen erst mit seiner Police. Oft wurde dann auch erst die Widerrufsbelehrung übergeben. Bei mangelbehafteten Belehrungen konnte den Verträgen noch nach Jahren widersprochen werden. Mit der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes im Jahr 2008 wurde das Policenmodell nicht mehr angewendet.
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Nach dem vor allem die Verbraucherzentrale Hamburg über Jahre gegen Lebensversicherer geklagt hatte, entschied der Bundesgerichtshof 2015 zu Gunsten der Versicherungsnehmer (AZ.: IV ZR 384/14). Kunden, die ihren Vertrag noch nachträglich widersprochen haben, können dadurch auch eine höhere Rückzahlung der Versicherung bekommen. Dabei muss jedoch der gewährte Versicherungsschutz berücksichtig werden, von dem der Kunde in der Zeit profitierte, bevor er den Vertrag angefochten hatte.
Allerdings war die Rückabwicklung von Lebensversicherungen bisher nur für klassische Leben-Policen sinnvoll. Denn bisher mussten Versicherungskunden, die eine fondsgebundene Lebensversicherung nach dem Policenmodell bereicherungsrechtlich rückabwickelten, die Verluste der Fonds tragen, mit denen die Sparanteile gefüttert wurden. Das hat der BGH in einem anderen Urteil im November 2015 entschieden (Az.: IV ZR 513/14).
Versicherungsnehmer darf nicht das volle Verlustrisiko tragen
In einem aktuellen Fall musste das Oberlandesgericht über die Rückabwicklung einer Fondspolice entscheiden. Nach dem erfolgten Widerspruch des Versicherungsnehmers hatte der Versicherer bei der Rückerstattung den Fondsverlust berücksichtigt. Schließlich hatte der Fonds im Laufe der Jahre 12.400,16 Euro Verlust gemacht. Das entspricht etwa 61 Prozent der Sparanteile. Damit war der Kunde jedoch nicht einverstanden und zog vor Gericht.
Das Oberlandesgericht Köln bewertete den Fall zu Gunsten des Versicherungsnehmers (AZ.: 20 U 11/17). So dürfe ihm nicht das volle Verlustrisiko zugewiesen werden. Denn dies würde sein Widerspruchsrecht aushöhlen und damit dem europarechtlichen Effektivitätsgebot widersprechen. Schließlich wären mit dem Widerspruch dann Kürzungen des Rückabwicklungsanspruchs fällig, die es wirtschaftlich weitgehend sinnlos machten, dem Vertrag zu widersprechen. Damit würden Verbraucher so gestellt, als ob sie den Vertrag fortführen würden. Doch dies widerspräche dem europarechtlichen Effektivitätsgebot, argumentierten die Richter. So dürfe das Widerspruchsrecht eben erschwert oder gar praktisch unmöglich gemacht werden. Zudem dürfe "der Verstoß gegen die Belehrungspflicht über das Widerspruchsrecht nicht weitgehend sanktionslos bleiben", heißt es im Urteilstext.
BGH trifft finale Entscheidung
Die Richter sprachen dem Versicherungsnehmer den vollständige Rückabwicklungsbetrag ohne Abzug etwaiger Fondsverluste zu. Der Versicherer muss damit zu dem bereits überwiesen Teilbetrag in Höhe von 9.876,93 Euro nun weitere 22.347,33 Euro zuzüglich fünf Prozent Zinsen an den Kunden auszahlen.
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Mit der Entscheidung stellt sich das OLG Köln grundlegend gegen die Rechtssprechung anderer Gerichte. So hatten beispielsweise die Oberlandesgerichte Nürnberg, Oldenburg und Stuttgart zu Gunsten der Versicherer entschieden und dem Versicherungsnehmer auch im Falle eines Widerspruchs das Totalverlustrisiko zugewiesen. Es bleibt daher abzuwarten, welche Entscheidung der Bundesgerichtshof (BGH) in dem hierzu bereits anhängigen Revisionsverfahren treffen wird.