Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat mit einem Urteil vom 21. November entschieden, dass eine Gehbehinderung aufgrund Multipler Sklerose grundsätzlich kein Hindernis für die Versorgung mit einem Blindenhund ist. Das teilte das Gericht am Montag in einer Pressemeldung mit. Eine Krankenkasse, die es zunächst abgelehnt hatte einen solchen Blindenhund zu finanzieren, musste sich zugleich einen Tadel der verhandelnden Richter gefallen lassen. Der Versicherer hatte extra vor der Gerichtsverhandlung bei Blindenschulen angerufen, um die Leistungszusage mit allen Mitteln zu verhindern. Das Urteil ist rechtskräftig, eine Revision wurde nicht zugelassen (L 16/1 KR 371/15).

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Blindenhund aus wirtschaftlichen Gründen verweigert

Im konkreten Rechtsstreit wurde der Fall einer 73jährigen Rentnerin aus dem Landkreis Uelzen verhandelt. Bisher nutzte die Seniorin einen Blindenstock. Aufgrund einer fortschreitenden Multiple Sklerose, einer Autoimmunerkranung, die das Nervensystem schädigt, litt die Frau zudem an einer Gehbehinderung. Hierfür hatte sie von ihrer Krankenkasse bereits einen Rollator finanziert bekommen.

Doch der Rollator reichte der Frau nicht mehr aus. Bei ihrer Krankenkasse beantragte sie einen Blindenführhund, da sie wegen der Kombination aus Gehbehinderung und Blindheit Schwierigkeiten beim Finden von Eingängen, Briefkästen, Geschäften und Straßenüberquerung habe. Mit ihrem Blindenstock könne sie sich kaum mehr sicher bewegen, da sie zugleich den Rollator halten müsse. Weiter argumentierte die Frau, dass auch körperbehinderte Menschen mit Rollator einen Blindenhund einsetzen können, wenn Tier und Mensch entsprechend trainiert werden.

Aber die beklagte Krankenkasse wollte der Klägerin keinen Blindenhund finanzieren. Dies sei unwirtschaftlich, denn die Frau könne aufgrund der schwerwiegenden körperlichen Schädigung keinen Blindenhund führen. Sie habe nicht die nötige Kondition und könne auch keinen Hund adäquat versorgen, so argumentierte die Krankenkasse. Daraufhin zog die Seniorin vor Gericht.

Frau demonstriert im Gerichtssaal, dass es doch geht

Doch vor dem Landessozialgericht konnte die Frau triumphieren. Die Richter entschieden, dass die Krankenkasse den Blindenhund bewilligen muss. Hierzu hatte das Gericht extra Gutachten von Ärzten und Hundeführern eingeholt, die bestätigten, dass sich die Frau selbst in Kombination von Rollator und Blindenhund gut fortbewegen könne.

Ein Langstock allein sei demnach nicht ausreichend, weil dies der Frau Probleme beim Führen des Rollators bereite. Demgegenüber war eine Kombination aus Rollator und Führhund technisch realisierbar und für die Klägerin auch praktikabel, da sie die notwendigen Fähigkeiten besitze.

Grundsätzlich komme es bei der Versorgung mit einem Hilfsmittel in Form eines Blindenhundes auf die medizinische Notwendigkeit im Einzelfall an, so betonten die Richter weiter. Es sei jedoch nicht zulässig, wenn Krankenkassen die Finanzierung pauschal ablehnen, weil ein Patient gehbehindert sei.

Richter rüffeln Krankenkasse

Die verklagte Krankenkasse hatte laut Pressetext bis zuletzt eine Finanzierung verweigert, obwohl mehrere Gutachten der blinden Seniorin bescheinigten, dass sie einen Hund führen könne. Deshalb überzeugte sich der Senat des Landessozialgerichtes auch selbst durch einen Gehversuch auf dem Gerichtsflur, dass die Seniorin einen Hund führen kann.

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Zugleich sah sich der Senat veranlasst, die Krankenkasse an ihrer Pflicht zur humanen Krankenbehandlung zu erinnern, da diese im Vorfeld zum Verhandlungstermin bei der Hundeschule angerufen hatte, um sie von der körperlichen Ungeeignetheit der Klägerin zu überzeugen und so den Leistungsanspruch zu verhindern. Um welche Krankenkasse es sich konkret handelt, geht weder aus dem Pressetext noch dem schriftlichen Urteil hervor.

mit Pressematerial LSG Niedersachsen-Bremen