Es sind wenig erfreuliche Nachrichten, die derzeit aus Frankfurt am Main kommen. Die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung, kurz EIOPA, hat die europäischen Betriebsrenten-Anbieter einem zweiten Stresstest unterzogen. Insgesamt 195 Rentenfonds und -kassen mussten hierfür ihre Zahlen offenlegen. Das Ergebnis lässt aufhorchen: Im Extremfall könnten den Gesellschaften 700 Milliarden Euro fehlen, um alle Ansprüche der Rentner und Pensionäre zu erfüllen.

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Mögliche Folgen für die Realwirtschaft

Gabriel Bernardino, Chef der europäischen Versicherungsaufsicht, warnte bei der Vorstellung der Ergebnisse, dass eine mögliche Schieflage der Betriebskassen auch die Realwirtschaft gefährden könnte. Nicht von ungefähr: In vielen Staaten haften die Arbeitgeber gegenüber ihren Beschäftigten für die Höhe der Betriebsrenten.

Wenn also der bAV-Anbieter in finanzielle Probleme gerät, muss unter Umständen eine Firma die Betriebsrenten weiter zahlen. Eine weitere Folge könnte sein, dass Arbeitgeber höhere Beiträge in die bAV einzahlen müssen und das Geld für Investitionen fehlt: zumindest bei jenen Modellen, wo der Chef etwas dazuzahlt, was in Deutschland freiwillig ist.

Risiko-Szenarien auf nationaler und europäischer Ebene

Konkret hat EIOPA wieder mehrere Risiko-Szenarien durchgerechnet, um zu schauen, wie die betrieblichen Rentenkassen gegen negative Trends am Kapitalmarkt gerüstet sind. Dabei wurden einerseits Leistungszusagen auf Grundlage nationaler Rechnungslegungs- und Aufsichtsstandards durchgerechnet. Und andererseits in einem zweiten Modell einheitliche europäische Standards angenommen. Erstmals fragte EIOPA dabei auch die künftigen Zahlungsströme aus Beiträgen und Leistungen ab.

Im Rahmen der einheitlichen Berechnung wurde wiederum ein Basis-Szenario unterschieden, wonach sich die Zinsen an den Kapitalmärkten vergleichsweise stabil weiterentwickeln. Selbst in diesem Fall drohe eine Lücke von 349 Milliarden Euro, heißt es in dem Report, mehr als ein Viertel der Betriebsrenten-Träger könnte dann Probleme bekommen.

In einem weiteren Modell rechnete EIOPA ein verschärftes Krisenszenario durch, quasi ein „Worst-Case-Szenario“. In dem Krisenszenario wurde stark vereinfacht angenommen, dass sinkende Zinsen mit einem Kursverfall bei Anleihen und Aktien von 15 Prozent einhergehen. Hier drohe eine Finanzierungslücke von bis zu 702 Milliarden Euro, um die Ansprüche der Betriebsrentner zu erfüllen. Der komplette Stresstest kann auf der EIOPA-Webseite heruntergeladen werden.

BaFin warnt vor Problemen deutscher Pensionskassen

Auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nahm den aktuellen Stresstest zum Anlass, vor einer möglichen Schieflage deutscher Anbieter zu warnen. „Die Ergebnisse des Stresstests bestätigen erneut die bekannte Einschätzung der BaFin, dass eine andauernde Niedrigzinsphase für den deutschen EbAV-Sektor eine große Herausforderung bliebe. Dies gilt erst recht für das im Stresstest verwandte Szenario einer negativen Entwicklung der Kapitalmärkte“, heißt es in einem Presse-Statement vom Donnerstag.

Zwar hätten deutsche Betriebsrenten-Anbieter schon nach dem Stresstest im letzten Jahr eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, heißt es weiter. So hätten sie ihre Deckungsrückstellungen verstärkt und die Überschussbeteiligung reduziert. Auch das Betriebsrentenstärkungsgesetz könnte eine Entlastung bringen: es erlaubt den Versicherern im Rahmen des Tarifpartner-Modells reine Beitragszusagen. Dann müssen Anbieter und Arbeitgeber nicht mehr die Höhe der Renten garantieren: ein wichtiger Baustein des Gesetzes ist die Enthaftung der Arbeitgeber (der Versicherungsbote berichtete).

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Dennoch sieht die BaFin keinen Grund für eine Entwarnung. „Auch der EIOPA-Stresstest für Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung weist darauf hin, dass es trotz der bereits ergriffenen Maßnahmen in den nächsten Jahren bei einigen Pensionskassen zu Schieflagen kommen könnte, wenn nicht Mittel von außen zugeführt werden“, erklärt Frank Grund, Exekutivdirektor der Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht. Solche Mittel könnten von Aktionären oder von Arbeitgebern, die Pensionskassen für die betriebliche Altersversorgung ihrer Arbeitnehmer nutzen, zur Verfügung gestellt werden, fordert Grund.