Allianz-Chef Bäte - Bürgerversicherung ist wie "DDR 2.0"
Mit scharfen Worten hat Allianz-Chef Oliver Bäte die Idee einer Bürgerversicherung kritisiert. Diese Idee bezeichnete er als „DDR 2.0“ und unterstellte den Befürwortern der Bürgerversicherung schlicht Inkompetenz. Aktuell scheint die Bürgerversicherung aber ohnehin vom Tisch.
Oliver Bäte, Vorstandsvorsitzender der Allianz, hat die Befürworter einer Bürgerversicherung scharf angegriffen. „Wir können uns nicht dauerhaft von Leuten, die zu wenig vom Fach verstehen, sagen lassen, was wir haben dürfen“, sagte der Chef am Montag beim Wirtschaftsgipfel der Rheinischen Post in Düsseldorf. Er ergänzte: „Wir brauchen Vielfalt in diesem Land und keine DDR 2.0“.
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Bürgerversicherung – Vorerst vom Tisch?
Die Bürgerversicherung war eine zentrale Forderung von SPD, Linken und Grünen im Bundestagswahlkampf, als ihr prominentester Verfechter gilt der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Die SPD hatte gefordert, dass künftig private Krankenversicherer nur zu denselben Bedingungen Neutarife anbieten dürfen wie die gesetzlichen Krankenkassen: Langfristig hätte dies das Aus für die private Krankenvollversicherung bedeutet.
Ziel ist unter anderem, dass für privat und gesetzlich Versicherte die gleichen Arzthonorare gezahlt werden, damit die Kassenpatienten nicht länger auf Facharzt-Termine warten müssen. Auch sollen sich die Beiträge zur Krankenversicherung stärker an den Einkommen orientieren und Beamte in die Krankenkassen einzahlen: Aktuell sind 85 Prozent aller Beamten laut einer Bertelsmann-Studie in der PKV vollversichert. Das kostet Bund und Länder jedes Jahr knapp 12 Milliarden Euro an Beihilfen, die aus Steuergeldern gezahlt werden. Tendenz steigend.
Tatsächlich findet die Idee einer Bürgerversicherung auch in der Bevölkerung Rückhalt: Nur 24 Prozent der Deutschen sprechen sich dagegen aus, so eine YouGov-Umfrage, 62 Prozent würden sie hingegen begrüßen.
"Dem Unsinn sind keine Grenzen gesetzt"
Kritiker der Bürgerversicherung wenden hingegen ein, dass eine solche "Einheitsversicherung" die Probleme des Gesundheitssystems nicht löse, sondern neue schaffe. Beispiel Großbritannien: Im chronisch unterfinanzierten System des "National Health Service" müssen Patienten bis zu sechs Monate auf einen Facharzt-Termin warten, auch wenn dort die Krankenversicherung nicht aus Beiträgen bezahlt wird, sondern steuerfinanziert ist.
Auch Allianz-Chef Oliver Bäte wird deutlich. "Dem Unsinn, den Politiker und manchmal auch Manager produzieren, sind keine Grenzen gesetzt", zitiert ihn die Rheinische Post. Entscheidend für die Funktionsweise des Gesundheitssystems in Deutschland seien eine hochwertige medizinische Versorgung und der Zugang zu solchen Leistungen zu einem angemessenen Preis. Dabei würden die privaten Krankenversicherer auch die Rolle eines Navigators im Gesundheitssystem übernehmen.
Im internationalen Vergleich haben die Privatversicherer durchaus Argumente, wenn sie die Qualität der Gesundheitsversorgung in Deutschland betonen. Nur drei Prozent der Versicherten in Deutschland warten nach einer Studie des Wissenschaftlichen Instituts der privaten Krankenversicherung zwei Monate oder länger auf einen Termin beim Facharzt – in Norwegen sind es 28 Prozent, in Großbritannien und Schweden jeweils 19 Prozent und in der Schweiz neun Prozent.
Bürgerversicherung vom Tisch - vorerst
Aber: Bätes Ängste sind vielleicht unbegründet. Sollte es zu einer Neuauflage der Großen Koaliton kommen, so spricht aktuell vieles dafür, dass es keine Bürgerversicherung geben wird. Im Sondierungspapier, das Union und SPD am Freitag vorgestellt haben, taucht der Begriff nicht mehr auf, während andere Forderungen zur Krankenversicherung hingegen sehr konkret angesprochen werden.
Laut Sondierungspapier wollen die Koalitionäre zu einer paritätischen Finanzierung der Krankenkassen zurückkehren: Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollen zu gleichen Teilen einzahlen. Aktuell zahlen die Beschäftigten noch ca. ein Prozent mehr als die Unternehmer, weil sie den Zusatzbeitrag allein stemmen müssen (der Versicherungsbote berichtete).
SPD-Rebellen verlangen Nachverhandlung des Sondierungspapiers
Dennoch: Ganz vom Tisch ist die Idee der Bürgerversicherung noch nicht. Am Sonntag muss die Parteibasis der Sozialdemokraten bei einem Sonderparteitag entscheiden, ob sie einer Neuauflage der Großen Koalition zustimmt. Teile der SPD machen ihre Zustimmung davon abhängig, dass das Sondierungspapier nachverhandelt wird.
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Unter anderem haben die Landesverbände in Thüringen und Berlin vor einer Neuauflage der GroKo gewarnt. Dabei kam auch die Bürgerversicherung zur Sprache. Das „Fehlen des wichtigen Projekts der Bürgerversicherung ist sehr enttäuschend”, hat sich unter anderem Berlins regierender Bürgermeister Michael Müller positioniert.