Bis zum Jahr 2030 könnten die Prämieneinnahmen der deutschen Lebensversicherer um sechs Milliarden Euro sinken. Zu dieser Einschätzung kommt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG auf Basis einer hauseigenen Modellrechnung. Noch drastischer fällt die Prognose für die Folgejahre aus: bis zum Jahr 2060 drohen gar Einnahmeverluste von 15 bis 19 Milliarden Euro. Das entspräche einem Minus von 31 Prozent im Vergleich zum jetzigen Prämienvolumen.

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Demografie belastet auch die Lebensversicherer

Ein wichtiger Grund für den Prämienschwund: die Gesellschaft altert. Und das bedeutet nicht nur ein Problem für die Sozialversicherung, sondern auch für die privaten Versicherer. Will man die These von KPMG boshaft zuspitzen, könnte man sagen: Den Versicherern werden nicht genug Kunden nachgeboren.

Das Analysehaus hat sich eine Studie der Deutschen Bundesbank zur Brust genommen, „Private Haushalte und ihre Finanzen“, in der die sogenannten Prävalenzraten zur privaten Altersvorsorge für das Jahr 2014 untersucht werden. Die Prävalenzrate gibt an, welcher Anteil innerhalb einer Altersgruppe über mindestens eine Lebensversicherung oder eine andere private Altersvorsorge verfügt. Für die Studie wurden 4.500 Haushalte befragt.

Prävalenzraten in der privaten Altersvorsorge für das Jahr 2014. Die Prävalenzrate für eine Altersgruppe gibt an, wie hoch der Anteil der Personen in dieser Altersgruppe ist, die über mindestens eine kapitalbildende Lebensversicherung oder eine andere private Altersvorsorg verfügt. Quelle: Deutsche Bundesbank 2016

Erwartungsgemäß werden die meisten Verträge bei den Versicherungsnehmern der mittleren Altersgruppe gehalten. Denn viele Deutsche schließen erst einen LV-Vertrag ab, wenn sie bereits beruflich gefestigt sind und ein entsprechendes Einkommen haben, ein Kind erwartet wird oder ein Haus gebaut. In der Altersgruppe 16-24 Jahre halten demnach nur 23 Prozent der Haushalte mindestens eine private Altersvorsorge, doch bei den 25-34jährigen ist es bereits mehr als jeder Zweite (57 Prozent).

Die höchsten Prävalenzraten werden mit 66 und 67 Prozent jedoch in den mittleren Altersgruppen 35 bis 44 Jahre beziehungsweise 45 bis 45 Jahre erreicht: Hier ist die Zahl der Personen, die eine Lebensversicherung halten, am Größten. Erwartungsgemäß schrumpft der Anteil an Beitragszahlern ab dem Rentenalter von 65 Jahren rapide: Hier zahlen nur noch zwanzig Prozent der Bürger in einen Vertrag ein, da sich ja die meisten Verträge bereits in der Auszahlungsphase befinden.

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Die Kernzielgruppe für eine Lebensversicherung bildet also die Altersgruppe zwischen 25 und 54 Jahren, denn hier werden die meisten Verträge gehalten. Und diese droht bis zum Jahr 2060 deutlich zu schrumpfen. 10,7 Millionen Menschen dieser Alterskohorte leben dann weniger in Deutschland, warnt KPMG - die Zuwanderung aus anderen Staaten wurde hier bereits eingerechnet. Nimmt man an, dass die Zahl der Verträge pro Person innerhalb einer Altersgruppe ebenso konstant bleiben wie die durchschnittlich gezahlten Beiträge pro LV-Vertrag, bedeutet das massive Prämieneinbußen von bis zu 19 Milliarden Euro.

möglicher Attraktivitätsverlust nicht eingerechnet

Kritisch zur KPMG-Studie ließe sich anmerken, dass die Analysten nicht einmal einen möglichen Attraktivitätsverlust der Lebensversicherung einrechnen, also wenn die Nachfrage infolge des Niedrigzinses rapide einbricht. Hier drohen weitere Einnahmeverluste. Auch, dass die Altersvorsorge-Produkte wieder mehr nachgefragt werden, etwa infolge jüngster Reformen wie der Nahles-Rente, ist kein Thema. Die Analysten gehen davon aus, dass die Zahl der abgeschlossenen Verträge und die Höhe der Prämie pro Vertrag konstant auf dem jetzigen Niveau bleiben.

Eingerechnet wird jedoch in der Studie, dass sich das Produktportfolio der Versicherer zukünftig verschieben könnte. Oder anders formuliert: Die Bürger schließen mehr Berufsunfähigkeits- oder reine Todesfallabsicherungen ab, wo der Markt noch deutlich Luft nach oben lässt. Laut einer Statista-Umfrage besitzt nicht einmal jeder fünfte Erwerbstätige eine Berufsunfähigkeitsversicherung.

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Doch selbst, wenn der positive Trend im Neugeschäft mit BU-Policen anhalten sollte, rechnen die Studienmacher kaum damit, dass hier die Prämienverluste bei den kapitalbildenden Lebensversicherungen aufgefangen werden können. Um die Einbußen zu kompensieren, müsste bis zum Jahr 2030 schon mehr als jeder Zweite in den Altersgruppen von 35 bis 54 Jahren über einen entsprechenden Versicherungsschutz mit durchschnittlicher Prämie verfügen, so das Ergebnis der Studie.

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