Versicherungsvermittler wird zum Produktpädagogen
Die Schlussfolgerungen, die McKinsey aus dem Zukunftsszenario gewinnt, sind zunächst wenig überraschend. Angesichts einer durchdigitalisierten Welt, in der sich der Versicherungskunde bereitwillig ausspionieren lässt, wird auch der Versicherungsvertrieb im Jahr 2030 weitgehend entbehrlich sein. Schließlich verdient auch das Beratungshaus gutes Geld damit, dass es aufzeigt, wo Jobs gestrichen werden können.
- McKinsey prophezeit massives Vermittlersterben
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Alexa ersetzt Herr Kaiser
Smarte Verträge werden es mittels Blockchain-Technologie zukünftig erlauben, die Prämien quasi in Echtzeit anzupassen und auch die Vertragsverwaltung weitestgehend automatisch abzuwickeln, schenkt man McKinsey Glauben. "Der Kauf von kommerziellen Versicherungen wird in ähnlicher Weise beschleunigt, da die Kombination von Drohnen, IoT und anderen verfügbaren Daten ausreichende Informationen für KI-basierte kognitive Modelle liefert, um proaktiv ein verbindliches Angebot zu generieren", heißt es in der Studie. Mit anderen Worten und ohne Techniksprech: Alexa ersetzt Herr Kaiser. Denn wenn Versicherer ohnehin die Daten der Kunden kennen, müssen sie nicht den Umweg über Vermittler gehen, um genau diese Daten zu gewinnen.
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Und doch findet sich in der Studie ein interessanter Gedanke: die Rolle jener Vermittler, die sich langfristig durchsetzen können, werde sich dramatisch ändern. Die Vermittler werden keine Verkäufer mehr sein, sondern "Prozessbegleiter und Produktpädagogen“, analysiert McKinsey:
"Der Agent der Zukunft kann fast alle Arten von Deckung verkaufen und Mehrwert schaffen, indem er seinen Kunden hilft, ihre Deckungsportfolios über Erfahrungen, Gesundheit, Leben, Mobilität, persönliches Eigentum und Wohnen zu verwalten. Agenten verwenden intelligente persönliche Assistenten, um ihre Aufgaben zu optimieren, und KI-fähige Bots, um potenzielle Angebote für Kunden zu finden. Diese Tools helfen Agenten dabei, eine wesentlich größere Kundenbasis zu unterstützen, während die Kundeninteraktionen (eine Mischung aus persönlicher, virtueller und digitaler Kommunikation) kürzer und aussagekräftiger werden, da jede Interaktion auf die aktuellen und zukünftigen Bedürfnisse jedes Einzelnen zugeschnitten ist", argumentieren die Autoren der Studie.
Schadenmanagement wird praktisch verschwinden
Zappenduster sieht es hingegen für das Schadenmanagement der Versicherer aus. Im Jahr 2030 seien diese Mitarbeiter fast völlig entbehrlich, prognostiziert McKinsey, 70-90 Prozent der Stellen fallen weg. Schließlich können Sensoren und Drohnen einen Schaden schnell aufnehmen, fotografieren, bewerten, wie das Beispiel von Scott gezeigt hat.
Viele weitere Jobs im Innendienst werden nicht mehr gebraucht. Wurde ein Schaden festgestellt, wird die Schadensumme direkt aufs Konto überwiesen und die Prämie entsprechend angepasst. Intelligente Verträge, die von Blockchain-Technik aktiviert werden, autorisieren sofort Zahlungen. Kein Mitarbeiter muss hier mehr eingreifen. Der Versicherungsaufsicht komme künftig vor allem die Aufgabe zu, die Algorithmen zu überprüfen, die ein Versicherer für Underwriting und Pricing nutzt.
Letztendlich entstehen nach der Prognose von McKinsey hochindividualisierte Verträge, die genau das Risiko des jeweiligen Verbrauchers abbilden. Jederzeit und in Echtzeit. Man kann fragen, ob sich damit die Versicherung als Risikokollektiv nicht selbst abschafft, wenn jederzeit gemessen und bewertet werden kann, welchem Risiko ein Mensch gerade ausgesetzt ist.
Was ist das: Dystopie einer Zukunft, in der den Kunden Datenschutz egal ist? Nein: Optimaler Kundendienst im Verständnis der Unternehmensoptimierer McKinsey. Sie raten den Versicherern dazu, "eine aggressive Strategie" anzuwenden, um Mitarbeiter mit entsprechenden IT-Fähigkeiten zu gewinnen und schnell auf digital umzurüsten. Zudem sollen die Anbieter beginnen, schon heute künstliche Intelligenz im Unternehmen zu etablieren, etwa durch Kooperationen mit Start-ups.
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Es bleibt die Frage: Wie autonom und mündig ist ein Mensch, der sich -wie Scott im oben genannten Beispiel- von Konzernen immerzu überwachen lässt und bereitwillig hochsensible Daten weitergibt? Der sich von der Technik passende Lösungen vorschlagen lässt, anstatt selbst nach Auswegen zu suchen? Hat er einen freien Willen? Ist er mehr als Konsument? Ist das überhaupt noch ein Mensch? Könnte die künstliche Intelligenz nicht auch genutzt werden, vermeintliches Fehlverhalten zu sanktionieren, als totalitäre Überwachungstechnik?
Vielleicht ist der ideale Kunde, den sich die Studienmacher vorstellen, in Wirklichkeit ein Roboter.
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