Walter Riester will alle Menschen zur Riester-Rente verpflichten
"Und willst du nicht vorsorgen, so brauch’ ich Gewalt?" Alle Menschen sollen spätestens zu Beginn einer Ausbildung gesetzlich dazu verpflichtet werden, eine Riester-Rente abzuschließen: auch die Freiberufler. Dies fordert Walter Riester, Vater und Namensgeber besagter Vorsorge, in einem Interview. Einen Wegfall der Bruttobeitragsgarantie lehnt der 74jährige hingegen ab.
Die Riester-Rente war 2001 ursprünglich dafür eingeführt worden, einen Ausgleich für das sinkende Rentenniveau bei den gesetzlichen Renten zu schaffen. Doch das Riester-Neugeschäft stagniert. 2017 war für die Branche ein besonderes Seuchenjahr: noch nie seit Bestehen war das Neugeschäft so schwach, bei den Versicherungen sank die Zahl der Verträge sogar (der Versicherungsbote berichtete). Und während es in Deutschland rund 41 Millionen abhängig Beschäftigte gibt, stehen dem knapp 16,5 Millionen Riester-Verträge gegenüber - wobei viele Personen mehrere Verträge halten, ohne dass hierzu verlässliche Zahlen vorliegen würden.
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Mit anderen Worten: Die Menschen riestern nicht genug. Zumindest nicht in der Breite, wie sich das die Bundesregierung ursprünglich gedacht hatte. Nun hat sich in einem Interview erneut Walter Riester zu Wort gemeldet, der als Bundesarbeitsminister die staatlich geförderte Altersvorsorge eingeführt hat. Und einen Vorschlag gebracht, wie der aktuellen Riester-Müdigkeit der Bevölkerung abgeholfen werden kann: Er will die Menschen schlichtweg dazu zwingen.
“Riester für alle obligatorisch“
Auf die Frage, wie eine Riester-Reform aussehen könnte, antwortete Riester im Interview mit ProContra Online: „Mit einer Reform sollte das Riester-Sparen zuallererst einmal für alle Menschen obligatorisch werden. Zweitens sollten nicht nur die gesetzlich Rentenversicherten diese Möglichkeit nutzen können, sondern jeder mit dem Eintritt ins Berufsleben oder in die berufliche Erstausbildung“. Ein solcher Schritt würde nach Ansicht Riesters das Produkt deutlich vereinfachen, weil sich nicht mehr die Frage stellen würde, ob jemand eine Zulage bekomme oder nicht.
Schon als er die Riester-Rente 2001 eingeführt habe, wollte er sie verpflichtend für alle vorschreiben, erklärt der Ökonom weiter in dem Gespräch. Damals habe die BILD-Zeitung dagegen mobil gemacht und unter anderem vor einer neuen „Zwangsrente“ gewarnt. So sei seine Idee einer verpflichtenden privaten Altersvorsorge „medial zerredet“ worden, beklagt der frühere Minister.
Fakt ist: Mit Riester-Pflicht meint Walter Riester auch tatsächlich Riester-Pflicht. Alle sollen riestern müssen, auch die Selbstständigen. Er wendet sich gegen die weichere Variante eines Opting-Out-Modells, wonach die Menschen automatisch riestern, sofern sie nicht ausdrücklich widersprechen. Hier verweist er auf Erfahrungen mit Opting-Out bei 450-Euro-Jobbern in der gesetzlichen Rentenversicherung. Bis zu 80 Prozent der Minijobber lassen sich demnach von der Rentenversicherungspflicht befreien, obwohl ihnen dadurch später Nachteile bei der Altersrente drohen: das will Riester vermeiden.
Wegfall der Brutto-Beitragsgarantie aus Sicht von Riester keine Option
Einem anderen derzeit diskutierten Vorschlag erteilt Riester jedoch eine Absage. Vielfach diskutiert wird derzeit der Wegfall der Bruttobeitragsgarantie: also die Garantie, dass den Sparern mindestens die eingezahlten Prämien inklusive Förderung garantiert sein müssen. Die Versicherungsbranche tritt selbst dafür ein - und verweist darauf, dass die Garantien derzeit viel Geld verschlingen, weil die Beiträge der Anleger in langjährige Anleihen gesteckt werden müssen, die im Niedrigzins kaum noch was einbringen.
Hier warnt Walter Riester vor den Gefahren. Gegen die Garantie habe es bereits bei Einführung der Riester-Rente Widerstand gegeben, berichtet der Ex-Minister, vor allem von Seiten der Banken. Er habe aber gewusst, dass viele Menschen Angst vor Inflation, Geldentwertung und dem Wegbrechen ihres Ersparten haben, erklärt Riester. „Ich wollte dem Sparer garantieren, dass zumindest die von ihm eingezahlten Sparbeiträge und die von der Öffentlichkeit eingebrachten Finanzzuschüsse als Summe bei Beginn der Rentenauszahlung vorhanden sind“, erklärt er seine Beweggründe für die Garantie.
Dass Riesters Bedenken begründet sind, zeigt ein Blick auf eine andere Form der staatlich geförderten Altersvorsorge. Bei der Rürup-Rente, mit der Freiberufler vorsorgen können, gibt es eine solche Beitragsgarantie nicht. Verbraucherzentralen und „Finanztest“ haben wiederholt kritisiert, dass die Anbieter bei Rürup im Kleingedruckten Klauseln verstecken, die es ihnen erlauben, die Renten in der Auszahlungsphase nach unten zu korrigieren. Folglich können die Sparer nicht abschätzen, wie viel sie am Ende tatsächlich rausbekommen.
Kritik aufgrund Nähe zu Finanzbranche
Walter Riester gilt als Urvater der Riester-Rente: Unter seiner Federführung wurde das Modell der staatlich geförderten Altersvorsorge unter der rotgrünen Regierung Gerhard Schröders eingeführt. Dabei warfen ihm Kritiker wie "Transparency International" auch immer wieder seine Nähe zur Finanzbranche vor.
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Nicht nur pflegte Riester enge Kontakte zum früheren AWD-Chef Carsten Maschmeyer. Schon während seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter verdiente er gutes Geld mit Vorträgen bei Finanzdienstleistern, unter anderem der Allianz, Delta Lloyd, DEVK, Sparkassen und Volksbanken sowie Union Investment. Vor seinem Ausscheiden aus dem Bundestag 2009 veröffentlichte der Schwabe 69 bezahlte Tätigkeiten neben seinem Mandat, 50 davon oberhalb der Höchststufe von 7000 Euro. Für seine Vorträge kassierte er mindestens 400.000 Euro an Honorar.
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