Verbraucherzentrale mahnt erfolgreich Lebensversicherer ab
Im Streit um Lebensversicherungen, die nach dem sogenannten Policen-Modell abgeschlossen wurden, hat die Verbraucherzentrale Hamburg eine Unterlassungserklärung der Neue Leben erzwungen. Wollten Kunden ihre Lebensversicherung wegen einer fehlerhaften Widerspruchsbelehrung rückabwickeln lassen, habe die Talanx-Tochter mit bewusst irreführenden Schreiben geantwortet, um dies zu verhindern, so lautet der Vorwurf. Nun hat sich der Versicherer verpflichtet, bestimmte Aussagen zu unterlassen, berichtet die Verbraucherzentrale.
Die Talanx-Tochter Neue Leben hat sich gegenüber der Verbraucherzentrale Hamburg verpflichtet, bestimmte Aussagen in Kundenanschreiben nicht mehr zu verwenden. Das berichten die Elbestädter am Donnerstag in einem Pressetext. Verletzt der Lebensversicherer die Unterlassungserklärung, werde eine Vertragsstrafe fällig.
Anzeige
Policenmodell - Widerspruchsbelehrung oft mangelhaft
Konkret geht es um Lebensversicherungen, die in den Jahren zwischen 1994 und 2007 nach dem sogenannten Policenmodell vermittelt wurden. Hier erhielt der Kunde seine vollständigen Vertragsbedingungen erst zugesandt, nachdem er bereits den Vertrag unterschrieben hatte und er in Kraft getreten war. Oft wurde dann auch erst die Widerspruchsbelehrung übergeben. Mit der Konsequenz, dass die Frist zum Widerspruch mitunter nicht mehr eingehalten werden konnte.
Millionen Verträge fanden so den Weg zu ihren Kunden. So geht es nicht, befand 2008 der Bundesgerichtshof (BGH) und untersagte diese Art der Vermittlung. Doch damit nicht genug. Wurde der Kunde nicht ausreichend über sein Widerspruchsrecht aufgeklärt, kann er verlangen, dass der Vertrag rückabgewickelt wird. Er hat dann Anrecht auf weit höhere Zahlungen, als wenn er einfach kündigt, denn der Versicherer muss die eingezahlten Prämien plus Zinsen erstatten. Lediglich die Kosten für den Risikoschutz werden fällig. Das hatte der Bundesgerichtshof 2014 entschieden und 2015 präzisiert (Az. 1 BvR 1674/14).
Für die Versicherer ein Kostenrisiko - und so sträubten sie sich lange gegen eine Rückabwicklung. So auch die Neue Leben, wie die Verbraucherzentrale berichtet. Wollten die Kunden ihre Lebens- oder Rentenversicherungen wegen einer fehlerhaften Widerspruchsbelehrung rückabwickeln lassen, hätten sie Antwortschreiben mit fadenscheinigen Gründen erhalten, warum das nicht gehe. Die Aussagen darin seien bewusst irreführend gewesen. Unter anderem habe der Versicherer die höchstrichterlichen Urteile des BGH komplett ignoriert oder sogar falsch interpretiert, heißt es im Pressetext.
Bereits in einer früheren Meldung hatte die Verbraucherzentrale weitere Details genannt. So habe die Neue Leben unter anderem behauptet, dass sie inhaltlich und formell korrekt über Widerspruchsrecht und -frist informiert habe: unabhängig vom Einzelfall. Überdies seien Ansprüche bereits verjährt oder es sei durch die vorangegangene Kündigung des Vertrags kein Widerspruch mehr möglich. Hierbei gilt es zu bedenken, dass die Kunden auch nachträglich eine Rückabwicklung verlangen können, wenn sie zuvor bereits gekündigt hatten und nur den Rückkaufswert der Lebensversicherung erhielten: abhängig vom Einzelfall.
Neue Leben gibt Unterlassungserklärung ab
Nun habe die Neue Leben eine Unterlassungserklärung abgegeben, bestimmte Formulierungen künftig nicht mehr zu verwenden. „Bisher führte die Neue Leben zum Teil vorgeschobene Argumente ins Feld, damit Versicherte von ihren Forderungen Abstand nahmen und kein Geld zurückverlangten“, berichtet Kerstin Becker-Eiselen von der Verbraucherzentrale Hamburg. Dabei sei die Rechtslage bezüglich des Widerspruchs eindeutig. Dennoch würden Verbraucher von Versicherern mit falschen Behauptungen abgespeist.
Die Verbraucherschützerin verweist darauf, dass dies kein Einzelfall ist: Auch andere Versicherer würden sich gegen eine Rückabwicklung sträuben. „Es ist unglaublich, dass wir der Versicherungsbranche ständig Selbstverständlichkeiten abringen müssen“, sagt Becker-Eiselen. Sie rät Betroffenen: „Lassen Sie sich nicht abwimmeln! Bestehen Sie auf der Umsetzung geltenden Rechts und halten Sie an Ihren Rückzahlungsforderungen fest.“
Kündigung nicht um jeden Preis!
Dennoch gilt: Verbraucher sollten sich nicht um jeden Preis von ihrer Lebensversicherung trennen. Gerade bei Verträgen, die nach dem Policenmodell vermittelt wurden, handelt es sich oft um hochverzinste Altverträge, die den Kundinnen und Kunden weit höhere Garantien zusichern als aktuelle Policen im Niedrigzins-Umfeld. Auch der Risikoschutz ist dann verloren. Enthält die Versicherung zum Beispiel ein Berufsunfähigkeits-Baustein, dürfte sich ein vergleichbarer Schutz nur schwer wieder finden lassen, wenn der Versicherte seitdem älter geworden ist oder Erkrankungen auftraten.
Anzeige
Auch haben Verbraucheranwälte das Thema Policenmodell für sich entdeckt - und werben vielfach im Netz mit ihren Diensten. Durchaus im eigenen Interesse, wollen sie doch selbst an solch einem Rechtsstreit verdienen. Bevor man sich von einer Lebensversicherung trennt, sollte man deshalb genau nachrechnen, ob es nicht besser wäre sie doch zu behalten. Und sich notfalls unabhängig dazu beraten lassen.