Generali - rechnet sich Verkauf der Generali Leben auch wirtschaftlich nicht?
In einem neuen Papier kritisiert der Generali-Betriebsrat die Pläne des Vorstandes, rund vier Millionen Altbestände in der Lebensversicherung an externe Investoren zu verkaufen. Dabei enthält das Statement auch einen neuen Vorwurf: die Generali schade sich mit einem Verkauf wirtschaftlich selbst. Noch bis zum Sommer will Deutschland-Chef Giovanni Liverani darüber entscheiden, ob er die Altverträge an eine Gesellschaft verkauft werden soll, die sich auf die Abwicklung alter Lebensversicherungen spezialisiert hat.
Es ist kein schönes Wort, das Versicherungskorrespondent Herbert Fromme in seinem neuesten Beitrag zur Generali aufruft. „Zombie Insurers“, so nennen die Briten Gesellschaften, die sich auf die Abwicklung von Altbeständen spezialisiert haben, aber kein Neugeschäft mehr tätigen. Versicherer also, die sich scheinbar mit Untoten beschäftigen, die einfach nicht verwesen und sterben wollen, aber Hirn und Seele rauben: so zumindest die naheliegenden Assoziationen. Auch Fromme eröffnet mit diesem Begriff seinen Artikel in der Süddeutschen: „Streit um den Zombie“, so ist er überschrieben.
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Die Versicherungsbranche wehrt sich gegen derart negative Images, wenn es um das Thema „Run-off“ geht. Um Tarif-Bestände also, in denen das Neugeschäft eingestellt wird und die nur noch abgewickelt werden. Eine zunehmende Zahl von Lebensversicherern in Deutschland haben Altbestände in den Run-off überführt oder planen dies. Denn sie haben Probleme, die hohen Zinsgarantien früherer Jahre in Zeiten des Niedrigzinses selbst zu erwirtschaften. Zudem müssen die alten Policen mit viel Eigenkapital unterfüttert werden, was die Unternehmensbilanzen belastet.
Dabei ist auch eine Option, die Altbestände einfach an einen Run-off-Dienstleister zu "verkaufen", der sich auf das Abwickeln solcher Altlasten spezialisiert hat. Drei große Anbieter sind auf dem deutschen Markt aktiv: Frankfurter Leben, Athene und Viridium. Die Versicherungsbranche betont die Zuverlässigkeit der Versicherer: auch sie müssen etwa die strengen Vorgaben der Finanzaufsicht BaFin erfüllen. Doch Skepsis erregt, dass die Gesellschaften oft von ausländischen Investoren gehalten werden. Die Frankfurter Leben gehört zum Beispiel mehrheitlich dem chinesischen Finanzinvestor Fosun. Zum Jahresende 2016 befanden sich auf dem deutschen Markt Verträge mit einem Volumen von 1,6 Milliarden Euro in der Abwicklung bei externen Run-off-Dienstleistern, so geht aus Zahlen der Bundesregierung hervor.
Positionspapier sieht Gefahr für die Generali
Schon bald aber werden weit mehr Zombies auf dem deutschen Markt unterwegs sein. Denn die Generali schickt die Altbestände der Generali Leben in die Abwicklung: das ist ein Riese auf dem deutschen Markt. Es geht um vier Millionen Policen und ein Anlagen von 42 Milliarden Euro. Das Volumen der deutschen Leben-Bestände im Run-off wäre dann mit einem Schlag 26mal so groß. Doch damit nicht genug: Die Generali prüft auch, ob sie diesen immensen Vertragsbestand an einen externen Run-off-Spezialisten verkauft oder selbst abwickelt. Bis zum Sommer soll eine Entscheidung fallen: also eigentlich in den nächsten Tagen.
Der Betriebsrat der Generali hat nun ein neues Papier vorgelegt, so berichtet Fromme, das vor einem Verkauf der Bestände warnt. Für die Öffentlichkeit ist es nicht bestimmt: Es soll den Betriebsrat mit Argumenten wappnen, wenn es in die Gespräche mit dem Konzernvorstand geht. Und doch enthalte das 25seitige Papier, welches gemeinsam mit dem Beratungshaus Kemper & Schlomski erstellt wurde, heftige Vorwürfe gegen den Konzernvorstand.
Viele der Vorwürfe sind bereits bekannt. So würde ein Verkauf der Bestände das Vertrauen der Bundesbürger in die private Altersvorsorge grundsätzlich erschüttern - ein Bärendienst für die gesamte Versicherungsbranche. Schließlich bewerben die Anbieter die private Altersvorsorge damit, ein verlässlicher Partner für das ganze Leben zu sein. Da sieht es nicht gut aus, wenn sich ein Versicherer plötzlich von Millionen Kunden trennt, weil sich die Verträge nicht mehr rechnen. Das bestätigt auch eine repräsentative INSA-Umfrage: Demnach empfindet mehr als jeder zweite Deutsche (56 Prozent) einen Verkauf des eigenen Vertrages als Vertrauensbruch.
Auch werden in dem Papier negative Auswirkungen für Kunden und Mitarbeiter befürchtet, etwa ein schlechterer Service, berichtet die „Süddeutsche“. Wie viele Mitarbeiter ein Verkauf der Generali Leben betreffen würde, dazu gebe es keine genauen Angaben. Aber im Unternehmen werde die Zahl 300 kommuniziert. Darüber hinaus werde nun ein neuer Kritikpunkt laut, der den gesamten Sinn eines Verkaufs komplett in Frage stellt.
Denn laut dem Zeitungsbericht argumentiert der Betriebsrat nun in dem Papier, dass sich ein Verkauf der Altbestände auch für die Generali selbst nicht rechne. „Der erzielbare Kaufpreis ist zu gering, um den Wert des GEL-Bestandes widerzuspiegeln“, zitiert Fromme aus dem Papier. So sei es etwa sehr teuer und aufwendig, die IT der Generali in jene des potentiellen Käufers zu integrieren - der Betriebsrat rechnet mit drei Jahren, bis alle Systeme aufeinander abgestimmt sind. Es drohe ein Schaden in dreistelliger Millionenhöhe.
Generali als Dauerbaustelle
Das Argument, der Verkauf an einen externen Investoren rechne sich nicht, ist bemerkenswert. Denn indirekt warnt das Papier den Konzernvorstand vor einem Managementfehler. Die Generali müsste demnach einen mehrfachen Schaden befürchten: Image und Marke beschädigt, der Haussegen hängt schief, und letztendlich könnte sich der Verkauf auch als Minusgeschäft entpuppen. Der Konzern wollte das Papier nicht kommentieren.
Vor wenigen Tagen hatte sich zu den Run-off-Plänen der Generali auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zu Wort gemeldet. In einem Interview mit dem „Handelsblatt“ warnte Martina Grundler, bei ver.di Bundesfachgruppenleiterin für Versicherungen, ebenfalls vor den Folgen. So müsste etwa auch der Vertrieb negative Konsequenzen befürchten, wenn die Generali in die Schlagzeilen gerate. Ein Imageschaden würde das Neugeschäft des Versicherers belasten. Doch die Generali ist derzeit eine Dauerbaustelle. In den letzten fünf Jahren wurden bereits 5.000 Arbeitsstellen abgebaut, der Ausschließlichkeitsvertrieb soll sich künftig komplett der Deutschen Vermögensberatung anschließen. Die bewährte Marke AachenMünchener will die Generali zudem komplett abschaffen.
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Ein Imageverlust würde wohl auch die Deutsche Vermögensberatung (DVAG) treffen. Sie soll die Policen der Generali künftig in Deutschland exklusiv vertreiben. Der Versicherer könnte sich dann einen Namen gemacht haben: als erste Gesellschaft auf dem deutschen Markt, die Millionen Verträge an einen externen Investoren abstieß.