Versicherer warnen vor explodierenden Kosten eines Rechtsstreits
Die Kosten für Rechtsstreite haben sich in den letzten Jahren deutlich verteuert. Nach Zahlen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) stiegen die durchschnittlichen Ausgaben für Anwälte und Gerichte alleine von 2012 bis 2016 um 19 Prozent. Damit dürften sich nicht nur Rechtsschutz-Versicherungen verteuern. Viele Menschen könnten sogar abgeschreckt werden, ihr Recht vor Gerichten durchzusetzen.
Kostenfalle Rechtsstreit? Wer in Deutschland sein Recht vor Gerichten durchsetzen will, muss dafür immer mehr Geld einplanen. In den Jahren von 2012 bis 2016 verteuerten sich demnach die durchschnittlichen Ausgaben für Anwälte und Gerichte um 19 Prozent, warnt aktuell der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV). Der Verband beruft sich auf Daten des Statistischen Bundesamts.
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Das verteuert auch die Rechtsschutzversicherung. Mehr als die Hälfte aller deutschen Haushalte haben sich mit einer solchen Police vor dem Kostenrisiko eines Rechtsstreits geschützt. Im Jahr 2016 wendeten die Rechtsschutzversicherer laut GDV rund 2,8 Milliarden Euro für 4,2 Millionen Streitfälle auf. 85 Prozent entfielen auf Anwaltskosten.
Rechtsstreit über Mietminderung: 5.000 Euro Kosten
Der Dachverband der Versicherer nennt konkrete Beispiele: Nach GDV-Berechnungen kann ein Rechtsstreit über eine Mietminderung wegen Schimmel in der Wohnung schnell knapp 5.000 Euro verschlingen. Hier sind die Kosten nahezu explodiert: noch im Jahr 2012 mussten „nur“ circa 1.600 Euro eingeplant werden. Wollen sich Mieter dagegen wehren, dass sie der Vermieter wegen Eigenbedarf aus der Wohnung werfen will, fallen knapp 2.950 Euro an Streitkosten an. Und wer einen Mittelklasse-Wagen wegen Mängeln rückabwickeln will, muss mit Kosten von mehr als 8.000 Euro rechnen.
Gerade eine Niederlage kann für den Unterlegenen teuer werden. Wer vor Gericht verliert, muss nicht nur für die Gerichtskosten sowie die Kosten des eigenen Anwalts zahlen. Auch der Anwalt der Gegnerpartei muss dann entlohnt werden. Speziell diese Anwaltskosten machen den mit Abstand größten Batzen aus. Eine Klage mit einem Streitwert von 10.000 Euro kostet allein bis zum erstinstanzlichen Urteil 4.500 Euro. Davon entfallen rund 3.800 Euro auf Anwaltsgebühren.
Viele Bürger vom Zugang zum Recht abgeschnitten
GDV-Präsident Wolfgang Weiler warnt nun, wegen der explodierenden Gerichtskosten könnten Teile der Bevölkerung komplett vom Zugang zum Recht abgeschnitten werden. "Viele Bürger verzichten aus Angst vor hohen Kosten darauf, ihr Recht vor Gericht und mit Hilfe eines Anwalts durchzusetzen. Für einen funktionierenden Rechtsstaat ist das ein Problem.“
Die Versicherer schlagen nun vor, eine Gebührenminderung ins Kostenrecht aufzunehmen. Sie soll bei bestimmten Verfahren greifen, die für den Anwalt wenig Aufwand bedeuten. Hier hat der GDV auch die Musterfeststellungsklage im Blick. Ab November soll es Verbrauchern möglich sein, sich einer Art Sammelklage von Verbänden anzuschließen, um gegen Konzerne zu klagen. Die Sache hat aber einen Haken. Nach dem jetzigen Gesetzentwurf müssen die Verbraucher anschließend dennoch selbst klagen, es zählt weiterhin der Einzelfall. Hier schlagen die Versicherer eine Deckelung der Anwaltskosten vor.
Ein weiteres Beispiel: Viele Anwälte sammeln in Internet massenhaft Mandanten ein, die sie hinterher standardisiert bearbeiten. Berüchtigt sind Abmahnanwälte, die Webseiten von Online-Händlern mit Hilfe einer Software nach Fehlern durchsuchen, um dann standardisierte Abmahnungen mit immensen Schadensforderungen zu verschicken. Auch in solchen Fällen wäre eine Deckelung der Kosten denkbar.
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Doch die Anwalts-Lobby ist in der Politik durchaus einflussreich. Von 709 Abgeordneten im Deutschen Bundestag sind 154 Juristen von Beruf, so zeigt eine Auswertung des „Deutschen Anwaltvereins“ (DAV) auf Basis von Zahlen des Bundeswahlleiters. 87 von ihnen sind Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Keine andere Berufsgruppe ist so häufig im Bundestag vertreten. Zum Vergleich seien einige andere Berufsgruppen genannt: dem Bundestag gehören 20 Lehrer an, 14 Ärzte, drei Landwirte - und ein Buchhändler.