Jens Spahn: Kassenpatienten sollen Gesundheitsdaten elektronisch einsehen können
Jens Spahn will allen Kassenpatienten ab 2021 ermöglichen, dass sie ihre Gesundheitsakte elektronisch einsehen können: Jederzeit griffbereit auf Smartphone oder Tablet. Vorbild ist das Online-Banking. Es könnte ein wichtiger Schritt sein, um gefälschten Arztdiagnosen entgegenzuwirken.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CD) will es gesetzlich Versicherten ermöglichen, dass sie künftig jederzeit Zugang zu ihren Gesundheitsdaten haben. Einen entsprechenden Gesetzentwurf wolle sein Ressort noch in diesem Monat vorlegen, so berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am Montag. Spätestens ab 2021 solle die Technik ausgefeilt genug sein, um dann zum Einsatz zu kommen.
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"Versicherte sollen auch auf Tablets und Smartphones auf ihre elektronische Patientenakte zugreifen können. Das ist nicht das Ende der elektronischen Gesundheitskarte, aber eine zusätzliche, patientenfreundliche Option“, wird Spahn zitiert. Dafür müsse das Authentifizierungsverfahren vereinfacht und erweitert werden, um das Abgreifen der hochsensiblen Daten durch Datendiebe und Unbefugte zu verhindern. Vorbild könne das Online-Banking sein, wo sich die Nutzer mittels PIN und TAN authentifizieren.
Daten dürften jedoch weiterhin nur dann übertragen werden, wenn der Patient oder die Patientin dies wünsche, betonte Spahn. Hier herrscht derzeit ein rechtlicher Graubereich, weil nicht eindeutig geklärt ist, ob elektronische Gesundheitsdaten überhaupt an Patienten übermittelt werden dürfen, wenn sie dies wünschen. Er wolle nun schnell die „notwendige Rechtssicherheit“ schaffen, versprach Spahn.
ePa-Verfahren bereits im Test
Die elektronische Patientenakte (ePa) wird bereits von einigen Versicherern getestet: darunter der Marktführer Techniker Krankenkasse (TK), einige AOKen sowie einem Zusammenschluss von Allianz Kranken, IKK Classic und DAK. Die Tests zeigen aber auch drohende Unstimmigkeiten. Nicht alle Systeme seien miteinander kompatibel, die Daten mitunter nicht ohne Weiteres übertragbar. Das kann zum Beispiel zu Problemen führen, wenn ein Patient von seiner Krankenkasse zu einem anderen Anbieter wechseln will. Die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (Gematik) soll nun allgemeine Standards für die Technik und Speicherung der Daten ausarbeiten.
Die elektronische Akte könnte ein erster Schritt sein, um auch Kassenpatienten mehr Transparenz bei Arztdiagnosen zu ermöglichen. Stichwort Phantomdiagnosen: Wenn Kassenärzte ihre Patienten auf dem Papier kranker machen als diese tatsächlich sind, können die Kassen mehr Geld aus dem Risikofinanzausgleich abzwacken. Und so komme es zu Manipulationen von Patientenakten in großem Stil, so hatte TK-Chef Jens Baas 2016 der „Frankfurter Allgemeinen“ geklagt (der Versicherungsbote berichtete).
Wenn ein Arzt zum Beispiel statt einer depressiven Verstimmung eine waschechte Depression abrechne, könne ein Arzt rund 1.000 Euro mehr im Jahr von der Krankenkasse verlangen, berichtete Baas. Kein Einzelfall: Der Schaden durch solche Manipulationen würde in die Milliarden gehen.
Abrechnungsbetrug kann BU-Schutz gefährden
Im Juni 2015 hatte bereits das ARD-Magazin „PlusMinus“ über massiven Abrechnungsbetrug von Ärzten bei den Krankenkassen berichtet. Das liegt auch an einer Besonderheit des Kassensystems: Patienten werden normalerweise im Unklaren darüber gelassen, welche Leistungen ein Arzt gegenüber der Krankenkasse geltend macht. Denn anders als Privatpatienten bekommen sie nicht automatisch eine Quittung ausgestellt, wenn sie sich behandeln lassen. Und so kann es passieren, dass aus einem Gesunden plötzlich ein psychisch Kranker wird oder ihm der Arzt eine Erkrankung des Stützapparates andichtet.
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Ein Problem, das auch Versicherungsmakler in ihrer Beratung belastet. Denn eine gefälschte Krankenakte kann im schlimmsten Fall den Versicherungsschutz in der Berufsunfähigkeits- und Lebensversicherung kosten. Findet sich eine Vorerkrankung, die der Betroffene im Antrag auf Versicherungsschutz nicht angegeben hat, obwohl sie dort abgefragt wurde, kann der Versicherer eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht geltend machen - und vom Vertrag zurücktreten (der Versicherungsbote berichtete). Deshalb empfehlen Versicherungsexperten, vor Abschluss einer BU oder anderer Policen mit Gesundheitsfragen zunächst die Krankenakte zu recherchieren und notfalls Korrekturen vom Arzt zu verlangen.