"Die Reserven der PKV reichen für neun Jahre, jene der Krankenkassen für fünf Wochen"
In einem Interview mit der Rheinischen Post behauptet die frühere Gesundheitsministerin Barbara Steffens, das Ende der privaten Krankenvollversicherung sei nur eine Frage der Zeit: "Die Beiträge wachsen in den Himmel, manche Senioren müssen mehr als die Hälfte ihrer Rente dafür aufbringen“. Auch der Niedrigzins mache den Privatversicherern den Garaus. Der PKV-Verband will diese Aussagen nicht unwidersprochen stehen lassen. Der Versicherungsbote hat mit Timm Genett gesprochen, Geschäftsführer Politik beim Verband der Privaten Krankenversicherung.
Versicherungsbote: Einige Funktionäre der Techniker Krankenkasse (TK), darunter die neue Leiterin der TK-Landesvertretung NRW, die frühere NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens von den Grünen, haben in Interviews die Private Krankenversicherung (PKV) angegriffen und ihr nahendes Ende vorhergesagt.
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Timm Genett: Diese absurde These widerspricht allen objektiven Daten zur Lage der PKV und entspricht nicht dem Diskussionsniveau, das wir von einer ehemaligen NRW-Gesundheitsministerin erwarten dürfen. Es passt allerdings zu vergleichbaren Äußerungen von TK-Funktionären, die gelegentlich in sehr durchschaubarer Weise das nahende Ende eines Wettbewerbers vorhersagen. Wir stehen zum Wettbewerb mit der TK, würden aber lieber bei den relevanten Fakten bleiben.
Also zu den Fakten. Frau Steffens hat sagt: „Das Ende der PKV ist doch nur eine Frage der Zeit: Die Beiträge wachsen in den Himmel.“ Was sagen Sie dazu?
Tatsache ist, dass die Beiträge in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und damit auch in der TK in den letzten zehn Jahren stärker gestiegen sind als in der PKV. Konkret: Von 2008 bis 2018 sind in der GKV die Beiträge pro Kopf um 38 Prozent gestiegen, in der PKV um 35 Prozent. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die PKV mit den Beiträgen nicht nur die laufenden Behandlungskosten finanziert, sondern für die im demografischen Wandel steigenden Gesundheitsausgaben jetzt schon vorsorgt. Das Vorsorgekapital der PKV hat sich in 10 Jahren mehr als verdoppelt.
Das sagt aber wenig, wenn man die absoluten Zahlen nicht kennt.
Wir haben für rund 9 Millionen Privatversicherte heute über 210 Milliarden Euro für ihren höheren medizinischen Bedarf im Alter zurückgelegt. Zum Vergleich: Die TK als umlagefinanzierte Krankenkasse hat für ähnlich viele Versicherte, rund 10 Millionen, gerade mal Finanzreserven von knapp 1,1 Milliarden Euro. Die Reserven der PKV würden umgerechnet für ihre Gesundheitsausgaben mehr als neun Jahre reichen, die der gesamten GKV gerade mal für fünf Wochen. Das zeigt, wie viel nachhaltiger die Kapitaldeckung der PKV im Vergleich zum Umlagesystem der GKV ist – und wie sehr die TK heute mit ungedeckten Schecks auf Kosten zukünftiger Generationen lebt. Wer im demografischen Glashaus sitzt, sollte besser nicht mit Steinen werfen.
Frau Steffens verwies auf die Minizinsen, weshalb es der PKV immer weniger gelinge, Altersrückstellungen aufzubauen.
Es stimmt, dass die europäische Niedrigzins-Politik alle Vorsorgesparer belastet. Aber auch hier sprechen die Fakten für sich. Die PKV hat trotz Niedrigzins-Umfeld 2017 auf ihre Kapitalvorsorge eine Nettoverzinsung von plus 3,5 Prozent erwirtschaftet. Zum Vergleich: Die TK hat soeben einräumen müssen, dass sie im letzten Jahr 3 Millionen Euro Negativzinsen zahlen musste und ihr Geld teilweise mit Minuszinsen von 0,4 Prozent anlegt. Das zeigt ja wohl eindeutig, wer mehr von langfristig stabiler Geldanlage versteht.
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Timm Genett ist seit 2010 Geschäftsführer Politik beim Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. Der 48jährige ist promovierter Politikwissenschaftler. Er lehrte und forschte unter anderem an der Humboldt-Universität zu Berlin am Lehrstuhl "Theorie der Politik" von Prof. Dr. Herfried Münkler.