AfD hat kein abgestimmtes Rentenkonzept
Die AfD hat kein Konzept für die Rente und die künftige Sozialpolitik in Deutschland. Das musste Alexander Gauland, Fraktionschef der AfD im Bundestag, im ZDF-Sommerinterview einräumen. Tatsächlich stehen sich innerhalb der Partei verschiedene Lager gegenüber, die mit Blick auf die künftige Rentenpolitik kaum vereinbare Positionen vertreten. Wer sich durchsetzen kann, ist völlig offen.
- AfD hat kein abgestimmtes Rentenkonzept
- Gauland will am Umlageverfahren festhalten, aber...
Als der Versicherungsbote vor der Bundestagswahl 2017 standardisierte Fragen an alle Parteien schickte, um ihre künftigen Pläne für die Renten- und Sozialpolitik zu erfragen, war es genau eine Partei, die nicht darauf antwortete: die AfD. Trotz mehrfacher Anfragen. Trotz Beteuerungen, dass jede Partei exakt dieselben Fragen erhielt - ohne, dass wir die Positionen nachträglich kommentieren werden. Wir wollten, dass die Leser sich selbst ein Bild machen können, wer mit welchen Ideen in den Bundestagswahlkampf geht. Die AfD hätte viel Raum gehabt, ihre Positionen darzulegen. Anfangs vertröstete man uns noch - dann blieben alle Anfragen unbeantwortet.
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Warum sich die AfD so wenig auskunftfreudig gibt, wurde nun im ZDF-Sommerinterview mit Alexander Gauland deutlich. Dort musste der Fraktionschef einräumen, dass seine Partei weder über ein abgestimmtes Rentenkonzept noch über eine Digital-Strategie verfüge. Für diese wichtigen Zukunftsthemen hat die vermeintliche „Alternative für Deutschland“ keine Antworten. Zumindest aktuell nicht. Man müsse über diese Themen noch innerhalb der Partei diskutieren, sagte Gauland.
Eine Einigung könnte schwer werden. Innerhalb der AfD gibt es verschiedene Lager, die mit Blick auf die Alterssicherung völlig konträre Positionen vertreten. Auf der einen Seite steht ein starker wirtschaftslibertärer Flügel, der die Sozialversicherung nach dem heutigen Modell am liebsten abschaffen will. Auf der anderen Seite eine ebenfalls einflussreiche Gruppe, die sich eher für den Ausbau der gesetzlichen Rente ausspricht. Die verschiedenen Positionen sind ein Indiz dafür, dass die AfD als Sammelbewegung ursprünglich auf wenige Themen wie Euro- und Flüchtlingskrise beschränkt war, andere Themenfelder aber auch intern vermied.
Abschaffung der Rente vs. höheres Rentenniveau
Dem wirtschaftsliberalen Flügel lassen sich als prominenteste Vertreter Co-Fraktionschefin Alice Weidel und Bundessprecher Jörg Meuthen zurechnen. Meuthen hatte auf dem Parteitag der AfD Anfang Juli in Augsburg unumwunden das Aus für die gesetzliche Rente gefordert. Es müsse eine „Abkehr vom zwangsfinanzierten Umlagesystem“ geben, sagte der Ökonom vor der jubelnden Menge. Geht es nach dem Volkswirt, so würde die Rente in Deutschland künftig ausschließlich privat organisiert - von Allianz, Axa und Co. (der Versicherungsbote berichtete).
Auf der anderen Seite steht ein Flügel, der am gesetzlichen Umlagesystem der Rente festhält - ja dieses sogar ausbauen will. Unter einem Vorbehalt: bestimmte Mehrleistungen der Rentenkasse sollen künftig ausschließlich deutschen Staatsbürgern zugute kommen. So hatte Björn Hecke, AfD-Fraktionschef in Thüringen, im Juni diesen Jahres ein eigenes Rentenkonzept vorgestellt. Es soll eine sogenannte Produktivitätsrente mit einer Staatsbürgerrente verbinden. Sein Papier sieht vor, das Rentenniveau dauerhaft bei 50 Prozent zu stabilisieren - höher als der aktuelle Wert. Zudem sollen Eltern mit vielen Kindern mehr Altersgeld erhalten.
Höckes sogenannte Staatsbürgerrente beinhaltet ein Aufschlag, der ausschließlich Passdeutschen zugute kommen soll - unabhängig davon, wie viel sie in die Rentenkasse eingezahlt haben. "Sie soll nur an Staatsbürger bezahlt werden, wir nennen sie so. Das heißt nicht, dass Ausländer im Rentensystem diskriminiert werden, sondern dass Staatsbürger positiv unterstützt werden“, erklärte der umstrittene Politiker vor Pressevertretern. Und nahm damit eine mögliche Stolperfalle seines Konzeptes vorweg: Es könnte verfassungswidrig sein und Beitragszahler mit ausländischen Wurzeln benachteiligen.
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Fest steht aber, dass Björn Höcke die gesetzliche Rente mit seinen Plänen eher ausbauen will. Die entstehenden Kosten beziffert er auf 125 Milliarden Euro im Jahr. Er will damit weg von dem Vorwurf, die AfD sei eine Ein-Themen-Partei, die allein von der Flüchtlingskrise profitiere. Die AfD werde „in den mitteldeutschen Ländern die Frage der sozialen Gerechtigkeit bei den nächsten Landtagswahlen in den Mittelpunkt stellen“, so kündigte Jürgen Pohl an, Bundestagsabgeordneter aus Thüringen und ein Vertrauter Höckes. Viele Menschen in der Region würde die Angst vor der Altersarmut umtreiben. Das Problem: Mit den Positionen von Meuthen und Weidel wird der Ruf nach einer stärkeren gesetzlichen Rente nicht vereinbar sein.
Gauland will am Umlageverfahren festhalten, aber...
Alexander Gauland machte nun im Sommerinterview deutlich, dass er eine Art Zwischenposition zu beiden Lagern einnimmt. „Ich persönlich glaube nicht, dass wir vom Umlagesystem wegkommen“, sagte er dem Journalisten Thomas Walde. Dies werde aber auf Dauer nicht tragfähig sein. Strittig sei in der AfD auch, ob man Selbstständige und Beamte in die gesetzliche Rentenkasse einbeziehen solle. Ob man Menschen mit deutschem Pass einen Rentenbonus gebe, sei ebenfalls eine Frage, die noch ausdiskutiert werden müsse.
Im ZDF-Interview wehrte sich Alexander Gauland gegen den Vorwurf von Thomas Walde, die AfD habe auf wichtige Zukunftsfragen keine Antwort. "Wir sind als Partei groß geworden gegen bestimmte Fehlentwicklungen", so begründete er die vermeintliche Strategielosigkeit. Hier verstehe man sich als Oppositionspartei. "Das war ursprünglich die Eurorettung, das ist die Flüchtlingskrise. Dann gibt es andere politische Themenfelder, die sich erst langsam entwickelt haben, auch in der Partei", warb Gauland um Verständnis, dass man Zeit für abgestimmte Konzepte brauche.
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Indirekt rief Gauland damit die Wurzeln der AfD ins Gedächtnis. Gegründet wurde die "Alternative" 2013 von liberalen Denkern wie Bernd Lucke und Konrad Adam als euroskeptische Bewegung mit nationalliberalem Anstrich. Den Euro betrachtete Lucke als gescheitert und wollte zur D-Mark zurückkehren. Auch ein einfacheres Steuersystem schrieb man sich auf die Fahnen. Doch Lucke ist aus der Partei ausgetreten, nachdem er Fehlentwicklungen in der eigenen Partei sah - etwa das Erstarken rechtsnationalistischer Positionen und eine wachsende Begeisterung für autokratische Regimes. Seine aktuelle Partei, Liberal-Konservative Reformer (LKR), versteht sich als gemäßigte Alternative zur "Alternative für Deutschland" - und ist völlig bedeutungslos.
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