Neue Wettbewerber sind verschwunden? Mitnichten! Aktuelle Schätzungen gehen von über 4.000 FinTechs und InsurTechs in Deutschland aus. Und es werden immer mehr. Die Neugründungen haben sich zwar verlangsamt (2015: 170 gegenüber 2017: circa 30), aber die Anzahl nimmt weiter zu. Eine Untersuchung der comdirect aus dem vierten Quartal 2017 weißt allein für den Bankensektor 700 FinTechs aus.

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Insurtechs legen mit 70 Prozent Wachstum gegenüber 2015 das stärkste Wachstum hin. Die Bundeshauptstadt stellt als Standort für diese technologiegetriebenen Unternehmen die absolute Spitze in der Anzahl dar. Hier gibt’s es fast mehr FinTechs und InsurTechs als an den Standorten Frankfurt, München und Hamburg zusammen. Die Berliner Startups haben mit fast 700 Millionen Euro auch den größten Anteil an FinTech-Venture-Kapital erhalten.

USA und Großbritannien sind bei FinTechs führend

Deutschland holt langsam auf, aber die beiden führenden Ländern in Sachen FinTechs sind die USA und Großbritannien. In den USA halten FinTechs bereits 60 Prozent des gesamten Finanzmarktes. Die Technologien der FinTechs haben dort schon seit Jahren die Bereiche E-Commerz, Payment und Crowdinvesting im Griff. Während wir Deutschen noch am Bargeld festhalten, sind die neuen Technologien im Bereich Finanzen für US-Amerikaner und Briten schon Alltag.

Der @AssekuranzDoc

Der @AssekuranzDoc

Dr. Peter Schmidt ist Experte Personenversicherungen und Unternehmensberater im Bereich Versicherungen, Vertriebe und Makler mit langjähriger Erfahrung als Führungskraft und Vorstand bei deutschen Versicherern und twittert als @AssekuranzDoc.

Aber nicht nur die Bezahlung mit Kreditkarten und anderen Payment-Systemen wie Apple Pay haben des Finanzverhalten der Bürger nachhaltig verändert. Auch Crowdlending (Vermittlung von Krediten per Web) und Crowdfunding (Beschaffung von Kapital für Projekte und Existenzgründungen) haben die Stufe des Testens längst überschritten. Diese Entwicklungen gingen immer einher mit den verbesserten Möglichkeiten auf Smartphones, Tablets und Laptops.

Lizenzen schützen Banken und Versicherungen. Noch!

Vielfach werden Banken und Versicherungen noch durch geltende nationale oder EU-Gesetze für Lizenzen und Registrierungen vor den FinTechs geschützt. Aber dennoch dringen diese immer mehr in die Welt der Finanzen und Versicherungen ein. Denn alle mathematischen Berechnungen und Prüfmechanismen können auch digital algorithmisiert werden. In deren Konsequenz werden bisher klassische Beratungsmuster durch automatisierte Prozesse abgelöst.

Die zögerliche Beschäftigung von Verantwortlichen im deutschen Finanz- und Versicherungssektor hat dazu beigetragen, dass Deutschland vor einem enormen Aufholprozess steht. Und der Druck nimmt zu, denn die Kunden finden es toll, per Smartphone Bankgeschäfte zu erledigen oder Reisen und Versicherungen zu buchen.

Der Erfolg der größten Vergleichsplattformen belegt es Tag für Tag. Kunden wollen mehr Auswahl, wollen nach günstigen Preisen suchen und wollen eine andere Art von Service. Die Zeit einer sechs- bis achtwöchigen Entscheidung für eine Kreditvergabe oder Gesundheitsprüfung sind vorbei. Kunden sind ungeduldiger und wollen vieles - oder sogar alles? - schnell und sofort. Das spüren auch Makler im Alltag immer mehr.

Es gibt mehre Wege aus dem Rückstand

Führende Marktteilnehmer, die nicht in der eigenen latenten Umstrukturierung gefangen sind, stehen mehrere Wege offen, wie der Marktbeobachter feststellen wird. Da werden neue Kooperationen in Sachen IT-Basis eingegangen, Startups aufgekauft und enorme Investitionen vorgenommen. Und hier wird auch der Vermittlermarkt berührt. Der Zweig der Anbieter von Maklervergleichs- und Verwaltungsprogrammen befindet sich mittendrin in der Konsolidierung.

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Für Vermittler bedeuten diese Veränderungen nicht nur neue Tools und Apps. Fintechs und InsurTechs außerhalb und innerhalb von Versicherungs- und Finanzunternehmen verändern alle bisher gewohnten Wege, Regeln, Prozesse und Strukturen. Man ist kein Prophet wenn man eine neue Servicekultur und ein höheres Maß an Effizienz für den Workflow von Vermittlern erwartet. So wie eine Kreditvergabe deutlich schneller geht, so werden Antrags-, Policierungs- und Beratungsprozesse bald das Niveau erreichen, wo viele Tools in der Industrie schon angekommen sind.

Makler sehen mehrheitlich keine Gefahr, aber...

FinTechs und InsurTechs werden vielfach auf Bedrohung und Konkurrenz reduziert und abgelehnt. Wie sieht es diesbezüglich mit der Gefühlslage von Maklern aus? Die Auswertung der Befragung im Rahmen des 10. AfW-Vermittlerbarometers 2017 gibt interessante Einblicke und Ansichten von Maklern.

Makler wurden in der Befragung danach gefragt, ob sie eine konkrete Gefahr für Ihren Bestand bzw. ihr Geschäftsmodell durch FinTechs oder InsurTechs sehen. Rund 10 Prozent der Befragten können mit den Begriffen der neuen Technologieunternehmen nichts anfangen. Fast 60 Prozent sehen kein Potential für eine Bedrohung des eigenen Geschäftsmodells. Aber immerhin rund 30 Prozent sehen die Bedrohung.

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Die „Verweigerer“ sehen wortwörtlich in den FinTechs und InsurTechs lediglich die Gefahr des Bestandabzuges, des Schadens für Makler, Kunden und Versicherungsunternehmen. Zum Teil gibt es hier drastische Einschätzungen wie: Insurtechs sind „Schwachsinn von Tandiemen-geilen Vorständen, die noch nie in der selbständigen Beratung gearbeitet haben“. Oder: Ich sehe eine Gefahr, „aber nur weil ich mich altersbedingt nicht mehr mit den Entwicklungen auseinandersetzen will.“

Eine weitere Gruppe würde ich als „Verdränger“ bezeichnen. Das sind die Makler, die sich darauf verlassen, dass gute Beratung von ihren Kunden höher bewertet wird und dies auch immer so bleibt. „Eine gute Beratung kann nichts ersetzen“, hat einer der Befragten geschrieben. Ein anderer: „Ich arbeite ausschließlich auf Empfehlung meiner Kunden. Von daher habe ich da gar keine Angst.“

Konstruktiver gehen die Vermittler an das Thema heran, die die Zukunft erkannt und für sich selbst Schlussfolgerungen in Form von Kooperationen und Nutzung der modernen Technologien gezogen haben. Interessant folgende Anmerkung eines Maklers: „Ich denke hier wird die Richtung für die Zukunft aufgezeigt. Nur Makler, die sich dem komplett verweigern, werden auf der Strecke bleiben. Sofern ein Makler selber eine wirklich gute App anbieten kann, besteht in meinen Augen keine Gefahr.“

Individuelle Strategie muss her - Ignorieren hilft nicht.

Den Prozess der Digitalisierung und Globalisierung hält niemand mehr auf. Auch nicht die aktuelle Administration in den USA. Besonders deren global agierende Konzerne wie Google, Microsoft oder Apple lassen sich nicht mehr regional begrenzen. Dies gilt auch für regionale oder nationale Konzepte in Europa. Und wenn man dies anerkennt, dann muss man für sich und sein Unternehmen eine individuell passende Strategie aufsetzen.

Für Einzelmakler gibt es dazu nur die Wege einer stärkeren Anbindung an einen Pool, der die Basics für das Agieren als eigenes InsurTech legt, mit allen damit verbundenen Abhängigkeiten. Oder Weg #2, die Expansion, die vielen Maklern aus ökonomischen Gründen nicht möglich sein wird. Denn die Investitionsgrößen für individuelle Lösungen sind nicht zu unterschätzen und nicht mit dem einmaligen Kauf einer App abgeschlossen.

Eine klar definierte Strategie, unterstützt von externen Experten, kann die Garantie dafür sein, dass man sich auf das Wesentliche konzentriert und sich nicht im Wust von Tools und Apps verzettelt. Stellen Sie sich bei Ihren Überlegungen immer die Frage (und testen Sie es gerne aus): Was will mein Kunde? Was nimmt er an? Wie kann Digitalisierung meinen Service besser machen und mir Freiräume für die komplexen Beratungsthemen schaffen.

Versicherer machen Vermittler zunehmend verzichtbar

Allein der Verlass auf Kundenloyalität ist ein Trugschluss. Die Versicherer sind mit Produkten auf dem Vormarsch, die sich ohne Beratung online verkaufen lassen. Um Standardisierung und Automatisierung kommt kein Versicherer mehr herum. Drastisch formulierte das Stefan Koll, Chef der Deutschen Familienversicherung, so:

“Makler und Versicherungsvertreter braucht man im Wesentlichen deshalb, weil die angebotenen Versicherungsprodukte so kompliziert sind, dass man sie ohne Erläuterung gar nicht und selbst nach einer Erläuterung oftmals trotzdem nicht versteht. Die Antwort eines qualifizierten Direktvertriebes ist also nicht weniger Beratung bei gleichbleibend komplizierten Produkten, sondern einfachere Versicherungsprodukte anzubieten, die der Kunde auch ohne Beratung versteht“ (der Versicherungsbote berichtete).

Bisher blieb manchem Versicherer, einigen Banken und vielen Vermittlern die Hoffnung, dass die NEUEN an den Vorschriften zur Gründung einer Versicherung oder Bank in Deutschland scheitern, dass daraus keine Bedrohung erwachsen wird. Aber die Gründer der FinTechs und InsurTechs werden cleverer und gehen gemeinsam mit etablierten Unternehmen neue Wege, wie die Kooperation von einigen dieser Firmen mit Versicherern und Pools zeigt.

Chancen für qualifizierte Makler

Für Vermittler sehe ich die größte Chance darin, dem Kunden mit finanziellem Spielraum für eine Zusatzabsicherung den Bedarf aufzuzeigen. An diesem Punkt setzen viele InsurTechs und FinTechs noch nicht an. Namhaften Vergleichsportalen ist es oft schon zu viel, wenn im Online-Abschlussprozess nach mehr als zwei oder drei Fakten gefragt wird. Mit jeder zusätzlichen Frage oder einem Zusatzbaustein werden die sogenannten Abbruchraten größer. Das ist eine Chance für qualifizierte Fachmakler.

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Produkte für die finanzielle Absicherung der Arbeitskraft, des Pflegefalls, des Kapital- und Eigentumsaufbau und viele andere werden auf absehbare Zeit Beratungsthemen sein. Der Kunde kann diese Risiken nicht umfänglich kennen. Eröffnen Sie sich durch mehr Digitalisierung Zeit für diese Themen statt Standardprodukten hinterher zu laufen. Dann brauchen Sie wirklich die Technologie-Makler nicht als Bedrohung zu fürchten. Stellen Sie sich jetzt auf die Zukunft oder Nachfolge ein. Anregungen zum „Gewusst wie“ finden Sie auch hier.

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