Sascha Burghaus: Für junge Menschen ist es wichtig, nicht nur ein Rädchen im großen Getriebe zu sein. Versicherungen und Finanzdienstleister haben somit die Aufgabe, nicht den Vertrieb in den Mittelpunkt zu stellen, sondern die Menschen, welche diesen bedienen. Richtig verpackt verstehen junge Menschen, dass Versicherungen und Finanzdienstleister eine wichtige Rolle spielen, sei es in Bezug auf Risikoabsicherung, Kapitalaufbau oder auch des allgemeinen Geldverkehrs im Leben eines jeden einzelnen Menschen.

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Leider wimmelt es im Vertrieb auch heute noch von Zielsummen, Vorgaben und Vergleichen. Damit schreckt man eher ab, als dass man junge Menschen zum Einstieg in die Branche motiviert. Mit gezielten Kampagnen in Bezug auf die wichtige soziale Rolle des Versicherungs-, und Bankwesens sollte es gelingen, das Image aufzupolieren und hierüber neue Nachwuchskräfte zu gewinnen.

Welche Wege empfehlen Sie Finanzdienstleistern, um Mitarbeiter und Azubis zu gewinnen? Hat die klassische Stellenanzeige ausgedient?

Die klassische Stellenanzeige hat längst ausgedient, ebenso leere Worthülsen, wie sie in nahezu jeder Stellenanzeige noch zu lesen sind. Personaler und Marketer sollten sich die Frage stellen: „Was hat der Bewerber davon, bei uns zu beginnen?“, „Wie können wir ihm dienen?“, „Wie können wir ihm helfen, seine persönlichen als auch beruflichen Ziele zu erreichen?“.



Wenn diese Fragen authentisch in den Wohnzimmern aktueller und nachfolgender Generationen wie Facebook, Instagram & Co. beantwortet werden, gelingt auch die Nachwuchskräftesicherung.


Unternehmen gerade in der Banken-, und Versicherungsbranche sollten sich allerdings niemals prostituieren, indem Sie auf jeden anrollenden Zug des Ausbildungsmarketings aufspringen. Werte, Unternehmenskultur und Zusammenhalt können nur gelebt, niemals aber durch selbsternannte Berater gekauft werden.

Sie sprechen auf Ihrer Webseite auch die Digitalisierung an - und wollen die Menschen fit dafür machen. Was kann denn die Aus- und Persönlichkeitsbildung hier leisten?


Für viele Menschen stellt die Digitalisierung, welche ja auch einen immer höheren Stellenwert in der Finanzbranche einnimmt, sowohl eine große Gefahr als auch eine große Herausforderung dar. Somit sind wir eigentlich schon beim Thema der Persönlichkeitsbildung angelangt. Nur wenn wir in der Lage sind, unsere Fähigkeiten den Herausforderungen anzupassen, schaffen wir es, auch die Herausforderungen zu meistern und uns selbst ein Gefühl der Kontrolle zu geben. Da die Intervalle des technologischen Fortschritts immer kürzer werden, sehnen sich Menschen nach dieser Art von Kontrolle.


Stichwort Digitalisierung: Muss der Mensch befürchten, künftig vermehrt mit Googles Alexa und anderen Sprachprogrammen zu kommunizieren und auf standardisierte Anwendungen zurückgreifen zu müssen? Wo bleibt denn die Persönlichkeit im Beruf, wenn -auch in der Finanzbranche- immer mehr Anwendungen digitalisiert werden?

Der entscheidende Vorteil des Vertriebs und damit auch der gesamten Finanzbranche besteht darin, dass Verkäufe immer noch zwischen Menschen gemacht werden. Der technologische Fortschritt ist hierbei nicht wegzudiskutieren, ebenso wie der hohe Serviceanspruch der Kunden nicht wegzudiskutieren ist. Meine persönliche Einschätzung ist, dass Googles Alexa und Apples Siri lediglich den Transfer von Informationen vereinfachen. Auch hinter diesen Systemen braucht es hoch qualifizierte Mitarbeiter, welche die Bedürfnisse ihrer Kunden erkennen, in Dienstleistungen umsetzen und schlussendlich die genannten Technologien zugänglich machen.



Hier ist es ganz besonders wichtig, dass Technologie ein fester Bestandteil unseres Bildungssystems wird, um so den Spagat zwischen Mensch und Maschine zu meistern.

Fast täglich berichten wir von Stellenabbau in der Versicherungs- und Finanzbranche infolge der Digitalisierung, sei es im Vertrieb oder Innendienst. Können Sie vor diesem Hintergrund jungen Menschen überhaupt empfehlen, eine Karriere in der Branche anzustreben? Warum?

Wie bereits erwähnt, geschehen Verkauf und Beratung immer noch von Mensch zu Mensch. Sicherlich wird es zwangsläufig nötig sein, Filialen zu Kompetenzzentren zusammenzuschließen und immer mehr Dienstleistungen online abzuwickeln, um das jeweilige Unternehmen weiterhin rentabel betreiben zu können. Leider werden hier von langjährigen Mitarbeitern, welche durch die angesprochenen Maßnahmen ihr gewohntes Umfeld verlassen müssen, häufig nur die Negativseiten kommuniziert. Aber auch die Presse tut mit täglichen Reports über die aktuelle Situation des Finanzsektors ihr übriges.

Wenn es der Branche gelingt, die Vorzüge entsprechender Maßnahmen zu kommunizieren und im Gegenzug neue, innovative Arbeitsplätze zu schaffen, sehe ich in der fortschreitenden Technologie keine Gefahren für die Nachwuchsgewinnung.

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Allerdings sollten gestandene Unternehmen auch nicht die Gefahr schnell wachsender, junger und innovativer FinTechs unterschätzen. Wachsam zu bleiben und von diesen dynamischen Unternehmen in Form von Kooperationen zu lernen, wäre unserer Ansicht nach der richtige Schritt.

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